Pflanzenschädlinge mit RNA-Spray in Schach halten
Mittels speziell zugeschnittener doppelsträngiger RNA-Moleküle wollen Forschende unter Leitung des Julius-Kühn-Instituts den resistenten Zuckerrüberschädling Grüne Pfirsichblattlaus bekämpfen.
Die Grüne Pfirsichblattlaus (Myzus persicae) gehört zu den Insekten mit den meisten Resistenzen gegen chemisch-synthetische Insektizide und ist daher nur schwer zu bekämpfen. Besonders betroffen sind Zuckerrüben. Als Überträger mehrerer Vergilbungsviren sorgt die Pflanzenlaus immer wieder für enorme Ernteausfälle. „Wir sprechen hier von 20 bis 50 % Ertragsverlust allein durch die Viren“, erklärt Maurice Pierry vom Institutsteil Bioressourcen des Fraunhofer IME in Gießen. Im Verbundprojekt ViVe_Beet arbeitet er gemeinsam mit Forschenden des JKI-Instituts für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland und des Instituts für Zuckerrübenforschung (IfZ) an einer Methode, Zuckerrüben künftig nachhaltig vor Vergilbungsviren zu schützen.
Neuer Ansatz zur Bekämpfung von Pflanzenschädlingen
Der Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden und Insektiziden gehört in der konventionellen Landwirtschaft weitgehend zum Alltag und ist Studien zufolge mitverantwortlich für das dramatische Insektensterben. Auch auf die Gesundheit der Bienen haben die Chemikalien nachweislich einen negativen Einfluss. Im Projekt ViVe_Beet verfolgen die Forschenden deshalb einen neuen Ansatz zur Bekämpfung von Pflanzenschädlingen. Das Team setzt auf maßgeschneiderte doppelsträngige RNA-Moleküle (dsRNA), die mit einem RNA-Spray auf die Zuckerrüben ausgebracht werden, um die Laus und damit den Virenbefall in Schach zu halten. Die Methode basiert auf der sogenannten RNA-Interferenz (RNAi). RNAi ist eine natürliche Immunantwort der Wirte auf fremdes virales Erbgut, welches oftmals als dsRNA vorliegt.
„Viren haben RNA als Erbgut, und wenn diese in die Zelle eines Lebewesens eindringt, in unserem Fall vom Insekt, dann wird diese von einem Enzym namens Dicer in kleinere sogenannte small interfering RNA (siRNA) zerteilt. Das Ganze wird dann in einen weiteren Enzymkomplex aufgenommen und als Schablone benutzt, um darauf passende mRNA-Sequenzen abzubauen“, erklärt Maurice Pierry. „Wenn wir diese dsRNA so auswählen, dass sie auf ein lebenswichtiges Gen des Insekts passt, dann kann man den Organismus dahin bringen, sich durch sein eigenes RNAi-System wirksam zu kontrollieren.“
Pflanzenschutz durch RNAi
In dem seit Oktober 2021 laufenden dreijährigen Vorhaben musste zunächst ein Gen identifiziert werden, dass sich mit dem RNAi-Mechanismus ausschalten lässt und somit der Blattlaus den Garaus macht. Nachdem diese Hürde genommen wurde, musste wiederum eine Formulierung gefunden werden, die das dsRNA-Molekül vor äußeren Einflüssen wie Temperatur, Feuchtigkeit, UV und RNA-abbauenden Enzymen beschützt, bis es im Darm der Blattlaus angekommen und dort von der Zelle aufgenommen werden kann. „Auch da haben wir gute Ergebnisse erlangt. Das heißt unsere dsRNA ist geschützt von einer Formulierung, die den Effekt verbessert und lange haltbar ist“, so Pierry.
Mortalität bei 70%
Diese speziellen RNA-Moleküle wurden schließlich im Gewächshaus auf Zuckerrüben gesprüht. „Bei unseren Sprühversuchen kommen wir bisher auf 70 % Mortalität sowie einer Minderung der Populationsgröße. Das ist ein sehr guter Wert“, berichtet Pierry. „Das Besondere daran ist also, dass die spezifisch angepasste dsRNA eine Wirkung auf den Ziel-Organismus hat, in unserem Fall die Grüne Pfirsichblattlaus, und nicht auf andere Organismen wie uns Menschen oder Nützlingen wie z. B. der Biene.“
Ersatz für chemisch-synthetische Insektizide
Im Sommer dieses Jahres soll die neue Methode der Schädlingsbekämpfung nun in Feldversuchen an Zuckerrüben erprobt werden. Mit dem RNA-Spray hat das ViVe_Beet-Team den Weg zur Entwicklung vollkommen neuer, umweltverträglicher und selektiver Pflanzenschutzmittel geebnet, um künftig chemisch-synthetische Pestizide und Insektizide zu ersetzen. Den Forschenden zufolge haben die spezifischen natürlichen Moleküle das Potenzial, nicht nur Schadinsekten, sondern auch Viren oder Pilzerreger wirksam zu bekämpfen. Das Projekt ViVe_Beet wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert.
bb