Pflanzenschädlinge mit dem eigenen Immunsystem schlagen
Forschende haben einen bereits gegen Viruserkrankungen erfolgreichen Ansatz auf Schadinsekten und Schadpilze übertragen.
Mit den eigenen Waffen schlagen, so stellen sich Forschende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) die Abwehr von Pflanzenschädlingen in der nahen Zukunft vor. Das Konzept, das das Team bereits gegen Viren erprobt hat, die Pflanzenkrankheiten verursachen, soll nun leicht abgewandelt auch auf Schadinsekten und Schadpilze ausgeweitet werden.
Umweltfreundliche Alternative zu chemischen Pflanzenschutzmitteln
Sowohl Pflanzenkrankheiten als auch Schadinsekten verursachen jedes Jahr große Ernteausfälle. In der Geschichte haben sich immer wieder sogar regionale Hungersnöte infolge dieser natürlichen Prozesse ereignet. Pflanzenschutzmaßnahmen sind daher wichtiger Bestandteil einer modernen Landwirtschaft. Doch chemische Pflanzenschutzmittel stehen in der Kritik, weil sie oft unspezifisch gegen viele Insekten wirken, sich in der Umwelt anreichern und dort Schäden anrichten oder als Rückstände auf der Ernte im Verdacht stehen, beim Menschen Krebserkrankungen zu fördern. Die Beteiligten des Forschungsprojekts „RNA PROTECT, RNA-basierte Wirkstoffe für den Einsatz im Pflanzenschutz“ setzen daher auf einen anderen Ansatz.
RNA-Moleküle, auch bekannt als Ribonukleinsäuren, haben in allen lebenden Zellen vielfältige Aufgaben. In der Forschung werden sie unter anderem genutzt, um gezielt die Aktivität von Genen zu unterdrücken. RNA-Silencing heißt diese Methode. Mit diesem Verfahren ist es den Forschenden bereits gelungen, Pflanzen gewissermaßen zu impfen, sodass deren Immunsystem Viren erfolgreicher abwehren kann. Jetzt stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) rund 1,2 Mio. Euro zur Verfügung, um RNA-Silencing auch gegen Schadinsekten und Schadpilze zu entwickeln.
Schnelle Anpassung an neue Pflanzenschädlinge und -krankheiten
Anders als bei Viruserkrankungen wollen die Projektbeteiligten mit der Methode jedoch das Immunsystem der Pflanzenschädlinge gegen den eigenen Organismus richten. Dazu sollen Verfahren entwickelt werden, die geeigneten RNA-Moleküle herzustellen und so zu verpacken, dass sie in der Zelle des Schädlings präzise an den richtigen Wirkort gelenkt und erst dort aktiv werden. „Unser Ansatz hat viele Vorteile: Wir erreichen eine hohe Spezifizität, die Wirkstoffe lassen sich schnell entwickeln und an neue Pathogene anpassen“, schildert Biochemiker Erik Behrens von der MLU. Außerdem werde RNA als Biomolekül in natürlichen Prozessen abgebaut, entsprechend sei die Umweltbelastung gering.
Preislich ist es inzwischen so günstig möglich, RNA in industriellem Maßstab zu produzieren, dass die Methode nach Einschätzung der Forschenden mit chemischen Pflanzenschutzmitteln am Markt konkurrieren könnte. Bei Erfolg des Ansatzes soll deshalb zum Ende der Projektphase ein Unternehmen für die Vermarktung der neuen Pflanzenschutzmethode gegründet werden.
bl