Bioökonomieforum glänzt mit Politprominenz
Gleich drei Bundesminister waren auf dem Bioökonomieforum in Berlin präsent. Vor mehr als 200 Teilnehmenden betonten sie das Potenzial eines nachhaltigen, biobasierten Wirtschaftens und machten klar, worauf es nun ankommt.
Nach einer digitalen Ausgabe im Vorjahr fand das vom Bioökonomierat der Bundesregierung ausgerichtete Bioökonomieforum diesmal in Präsenz statt, und die Organisatoren durften sich über ein volles Haus freuen: mehr als 200 Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung waren vom 4. und 5. Dezember ins Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) am Kapelle-Ufer in Berlin gekommen, um sich über die neuesten Entwicklungen in Sachen biobasiertes Wirtschaften auszutauschen.
Inhaltlich orientierte sich das Forum an den Handlungsempfehlungen des Bioökonomierates zur Umsetzung der Nationalen Bioökonomiestrategie, die das unabhängige Gremium in diesem Jahr an die Bundesregierung übergeben hatte. Die Co-Vorsitzenden des Bioökonomierats, Daniela Thrän und Iris Lewandowski, begrüßten die Teilnehmenden und spannten mit eigenen Impulsbeiträgen den inhaltlichen Rahmen auf. Moderiert wurde die Veranstaltung von Désirée Duray.
Biotechnologie in allen Anwendungsfeldern voranbringen
Die Veranstaltung wartete mit einer bemerkenswert hohen Dichte an Mitgliedern der Bundesregierung auf: Die Präsenz von gleich drei Bundesministern zeigte, welchen Stellenwert das Thema Bioökonomie hierzulande mittlerweile hat. Den Auftakt machte Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger, die als Gastgeberin die Teilnehmenden begrüßte. „Die Bioökonomie ist keine Zukunftsmusik, sondern sie ist real und viele Innovationen sind bereits greifbar“, sagte sie. Auf dem Weg in ein nachhaltiges, biobasiertes Wirtschaften brauche es Entschlossenheit, diesen Raum zu gestalten. „Eine wichtige Voraussetzung ist die Technologieoffenheit im Wettbewerb um die besten Lösungen“, sagte Stark-Watzinger. Innovative Ansätze für nachhaltige Agrar- und Ernährungssysteme zählten genauso dazu wie die Herstellung von Chemikalien aus CO2.
„Wir setzen auf die Biotechnologie und wollen sie in allen Anwendungsfeldern voranbringen.“ Das gelte auch für die Neuen Züchtungstechniken. Biolandbau und Biotechnologie seien hier kein Gegensatz, sondern könnten zusammen funktionieren. „Hier kann man Wege gemeinsam gestalten“, sagte sie. Es sei im Sinne der Zukunftsstrategie Forschung und Innovation, Bioökonomie wirksam zu machen und den Forschungstransfer hin zu biobasierten Innovationen voranzutreiben. „Dafür brauchen wir starke Partner – sowohl auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene“, so Stark-Watzinger und dankte dem Bioökonomierat für seine Arbeit in den vergangenen Jahren.
Hochskalieren der Möglichkeiten
Auch Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck war für ein Grußwort ins BMBF gekommen. Auf dem Weg in eine dekarbonisierte Lebensweise liege der Hauptfokus auf der Energieerzeugung und den Sektoren Verkehr und Bau. „Doch auch in zahlreichen Produkten des Alltags stecken immer noch fossile Rohstoffe. Überall da, wo Erdöl durch bioökonomische Lösungen ersetzt werden kann, hat man einen Fortschritt“, sagte Habeck. Die Erzeugung und Nutzung von Biomasse bewege sich in mehreren Spannungsfeldern, etwa bei der Biodiversität und der Nutzungskonkurrenz. „Bioökonomische Lösungen dürften andere Probleme nicht verschärfen.“
In der Forschung zur Bioökonomie sei bisher schon Beachtliches geleistet worden. Jetzt gelte es, Innovationen mit Nachdruck in die Marktreife zu überführen. Einen wichtigen Schlüssel sieht Habeck im „Hochskalieren der Möglichkeiten“, also darin, verstärkt Produktionsanlagen in den Industriemaßstab zu bringen. Solche Subventionen seien gut angelegtes Geld. Auch das Konzept der Kaskadennutzung müsse stärker ausgebaut werden, um Kreisläufe zu schließen. „Zudem müssen wir über verschiedene Instrumente die Nachfrage stimulieren, damit bioökonomische Produkte in der Gesellschaft auch angenommen werden“, sagte Habeck.
Nationale Biomassestrategie mit Instrumenten-Mix
Als drittes Regierungsmitglied war Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir gekommen. Zum Start des zweiten Forumtages betonte er, Bioökonomie müsse immer auch ein Wirtschaften im Rahmen der planetaren Grenzen sein. „Das Food-first-Prinzip steht dabei im Vordergrund“, sagte er. Die Nutzung nachwachsender Rohstoffe müsse mit sozialökologischen Verbesserungen einhergehen. Erst am Ende dürfe die energetische Nutzung stehen. Klar sei auch, dass der Schutz der Artenvielfalt und der Ökosysteme stets mitgedacht werden müsse. „Bioökonomie muss auf glaubwürdige Weise nachhaltig sein, und Greenwashing muss ausgeschlossen sein.“
Özdemir ging auf die Nationale Biomassestrategie ein, die derzeit gemeinsam von den Ministerien BMEL, BMWK und BMUV erarbeitet und voraussichtlich im ersten Halbjahr 2024 veröffentlicht werden soll. Hier plane man einen Instrumenten-Mix, mit dem eine ressourceneffiziente Erzeugung und Nutzung von Biomasse etabliert werden soll. „Vorrang hat, wenn die Biomasse-Nutzung auch einen nennenswerten Beitrag zum Klimaschutz leisten kann“, so Özdemir. Großes Potenzial sieht er in der smarten Vernetzung von Biomasse-Nutzungsstrategien mit anderen erneuerbaren Energien, wie etwa der Agri-Photovoltaik. Den Gedanken der Bioökonomie so mit Leben zu füllen, dass es Landwirten, Umwelt und Klima gut gehe, bedeute einen Gewinn für künftige Generationen. Auch Özdemir bedankte sich beim Bioökonomierat für die Arbeit in der vergangenen Ratsperiode.
Potenziale entlang der Wertschöpfungskette heben
Das umfangreiche Programm des Bioökonomieforums widmete sich am ersten Tag den Themen Rohstoffwende und Kreislaufwirtschaft. In Impulsvorträgen und Podiumsdiskussionen ging es unter anderem um Themen wie energetische und stoffliche Nutzungsstrategien von Biomasse, CO2 als Ressource und biologisches Kunststoffrecycling. Am Nachmittag wurden biotechnologische Innovationen in den Blickpunkt genommen und die Frage diskutiert, wie sie zu einer nachhaltigen Ernährung und zum Klimaschutz beitragen können. Mehrfach wurde betont, wie wichtig die Skalierung gut erforschter Technologieansätze ist, um zu einer schnelleren Umsetzung biobasierter Innovationen zu kommen.
Ein Schwerpunkt am zweiten Tag lag auf der nachhaltigen Land- und Flächennutzung. Zum Beispiel gaben Landwirte interessante Einblicke, wie sie Agroforstsysteme und Agri-Photovoltaik-Ansätze erprobt und mittlerweile erfolgreich in ihren Betrieben integriert haben. Am Nachmittag loteten die Akteure aus, welche Rolle suffizienzorientierte Ansätze und ressourceneffiziente Technologien für die Transformation in Richtung nachhaltiges, biobasiertes Wirtschaften spielen können. Ein wichtiges Fazit: Einen Königsweg für eine nachhaltige Land- und Flächennutzung gibt es nicht, sondern eine Vielfalt der Ansätze. Für biobasierte Innovationen bedürfe es klarer Regeln für die Ökobilanzierung, um eine Vergleichbarkeit zu erreichen. An vielen Stellen der oft langen biobasierten Wertschöpfungsketten und -kreisläufe schlummere noch reichlich Potenzial, das auf dem Weg in eine Bioökonomie gehoben werden kann.
Philipp Graf