Appell zum Schutz der Artenvielfalt auf Äckern
Die Wissenschaftsakademien sehen akuten Handlungsbedarf zum Schutz der Biodiversität in der Agrarlandschaft. In einer Stellungnahme geben sie Empfehlungen, wie das gelingen kann.
Ob fliegende Insekten oder Wildpflanzen: Die Artenvielfalt ist bedroht und nimmt immer mehr ab – nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit, wie der Weltbiodiversitätsrat in seinem ersten globalen Bericht 2019 resümiert. Sollte der Mensch seine Lebensweise nicht ändern, könnten den Experten zufolge etwa 1 Million der derzeit bekannten acht Millionen Tier- und Pflanzenarten im Laufe der nächsten Jahre aussterben. Vor allem die Landwirtschaft, die als Mitverursacher des Biodiversitätsverlustes seit langem in der Kritik steht, ist vom Artenrückganges stark betroffen. In einer aktuellen Stellungnahme nehmen daher die deutschen Wissenschaftsakademien die biologische Vielfalt in der Agrarlandschaft ins Visier. Daran beteiligt waren die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften sowie die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften.
Acht Vorschläge zur Förderung der Artenvielfalt
Das 80 Seiten umfassende Papier „Biodiversität und Management von Agrarlandschaften“ gibt einen Überblick über den aktuellen Stand des Wissens zum Biodiversitätsverlust sowie seinen Ursachen und Folgen. Die Autoren lassen keinen Zweifel daran, dass akuter Handlungsbedarf besteht. Der Artenrückgang werde zukünftig die Funktionsfähigkeit der Agrarökosysteme einschränken und spürbare Folgen für Mensch und Umwelt haben, heißt es. Der Zustand der Biodiversität in der Agrarlandschaft erfordere rasches Handeln von allen Beteiligten und insbesondere von der Politik mutige Entscheidungen, arumentieren die Forschenden.
Die Autoren stellen aber auch klar, dass sich der Wert der Biodiversität nicht nach „rein ökonomischen Kriterien" bemessen lässt, sondern durch ein „Zusammenspiel vieler Faktoren" wie intensivierte Landnutzung und biologisch-technische Innovationen zur Produktionssteigerung bestimmt wird. In ihrer Stellungnahme zeigen die deutschen Wissenschaftsakademien daher acht konkrete Maßnahmen auf, mit denen sich der Rückgang der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft aufhalten oder sogar umkehren lassen würde.
Kurswechsel in der Agrarpolitik
Dazu gehört vor allem eine veränderte Agrarpolitik auf nationaler und Europäischer Ebene. Es müssten Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Landwirte aktiv unterstützen, biodiversitätsfreundlich zu wirtschaften, heißt es. Eine besondere Rolle spielen hier die Subventionszahlungen der Europäischen Union. Nach Ansicht der Forschenden sollten diese zukünftig stärker an „tatsächlich erbrachte und messbare Ökosystemleistungen geknüpft werden”.
Darüber hinaus empfehlen die Autoren die Weiterentwicklung der Umweltpolitik, eine Anpassung des Agrar- und Umweltrechts, die Entwicklung von planungsbasierten, regional differenzierten und gemeinschaftlichen Ansätzen bei der Landschaftsplanung sowie den Ausbau von Monitoring und Forschung. Auch Kommunen, Handel und Märkte sollten demnach stärker in die Pflicht genommen sowie das Bewusstsein in der Bevölkerung gestärkt werden, damit die Nachfrage nach biodiversitätsfreundlicher Produkten steigt und der Fleischkonsum reduziert wird.
Gesamtgesellschaftlicher Wandel dringend nötig
Der Schutz der Artenvielfalt sei eine „dringende und komplexe Herausforderung”, schreiben die Autoren. Es bedürfe eines gesamtgesellschaftlichen Wandels hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft. Vor allem die ökonomischen, politischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft müssten dabei berücksichtigt werden.
Die Wissenschaftsakademien verweisen auch auf Zielkonflikte, die die Nutzung der Agrarlandschaft mit sich bringt. Doch die Erhaltung der biologischen Vielfalt in Agrarlandschaften steht nicht per se im Widerspruch zu einer zukunftsgerichteten landwirtschaftlichen Produktion. Eine Förderung der biologischen Vielfalt wie etwa durch den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit nutze auch der Landwirtschaft, argumentieren die Autoren.
bb