Industrieforschung stärken
Ralf-Uwe BauerBeruf:
promovierter Ingenieur für chemische Verfahrenstechnik
Position:
Präsident der Deutschen Industrieforschungsgemeinschaft Konrad Zuse e.V.
Beruf:
promovierter Ingenieur für chemische Verfahrenstechnik
Position:
Präsident der Deutschen Industrieforschungsgemeinschaft Konrad Zuse e.V.
Als Präsident der Zuse-Gemeinschaft kämpft Ralf-Uwe Bauer für eine stärkere Förderung der Industrieforschung und mehr Aufmerksamkeit für die Bioökonomie.
Neben den großen Forschungseinrichtungen gibt es bundesweit zahlreiche private Institute, die gemeinsam eine anwendungsnahe Forschung auf dem breiten Feld der Bioökonomie in enger Kooperation mit mittelständischen Firmen betreiben. Mit der Gründung der Deutschen Industrieforschungsgemeinschaft Konrad Zuse e.V. im Jahr 2015 haben die Einrichtungen erstmals ein gemeinsames Sprachrohr. Präsident Ralf-Uwe Bauer macht sich dafür stark, den Instituten der Zuse-Gemeinschaft bei der Forschungsförderung eine Stimme zu geben und damit auch der Bioökonomie mehr Geltung zu verschaffen.
Welche Rolle spielt die Bioökonomie nach Ihrer Einschätzung künftig für Wirtschaft und Gesellschaft?
Trotz Anstrengungen in Unternehmen und Gesellschaft für mehr Umwelt- und Klimaschutz steigt der globale Ressourcenverbrauch – bedingt durch Konsummuster und Bevölkerungswachstum. Dabei denke ich nicht nur an Erdöl, sondern auch an andere knappe Ressourcen wie Holz, Phosphor und bestimmte Metalle. Eine Trendumkehr ist nötig. Dafür brauchen wir die Bioökonomie. Sie ist aus meiner Sicht als eine Art des Wirtschaftens zu verstehen, die natürliche Ressourcen unter möglichst geringem Rohstoffeinsatz nutzt. Dort, wo wir diese natürlichen Rohstoffe nicht für die Ernährung nutzen, sollen Einsatz und Forschung darauf gerichtet sein, die natürlichen Ressourcen möglichst lange im Wirtschaftskreislauf zu verwerten. Für die Zuse-Gemeinschaft bedeutet Bioökonomie ein nachhaltiges, an natürlichen Kreisläufen und Funktionsmechanismen orientiertes Wirtschaften.
Welche Rolle spielt die Bioökonomie in der Zuse-Gemeinschaft?
Die Institute der Zuse-Gemeinschaft besitzen ein breit gefächertes Know-how zu Schlüsselthemen der Bioökonomie wie nachwachsende Rohstoffe, Recycling, Fasern oder erneuerbare Energien. Gleichzeitig sind die Institute durch Verbundvorhaben und bilaterale Projekte in der Forschung oder auch durch Vernetzung aktiv, so etwa unsere Mitglieder Papiertechnische Stiftung (PTS) und das Institut für Holztechnologie IHD Dresden im BioEconomy Cluster. Durch erfolgreiche Kooperationsprojekte mit Unternehmen wissen wir, was am Markt Chancen hat. Gleichzeitig denken unsere Institute als Forschungseinrichtungen über den Tag und das heute schon Vermarktbare hinaus. Mit dieser Expertise können wir anknüpfen an Bestrebungen in Politik und Gesellschaft, der Bioökonomie mehr Geltung zu verschaffen. Gespannt darf man vor diesem Hintergrund auch auf die noch in diesem Jahr erwartete neue Bioökonomie-Strategie der Bundesregierung sein.
In welchen Branchen sehen Sie künftig besonders gute Chancen für die Bioökonomie?
Da wir unter Bioökonomie nicht nur den Rohstoffeinsatz, sondern auch eine Orientierung an natürlichen Funktionsmechanismen verstehen, sehen wir die Bioökonomie als interdisziplinäres Feld, das Branchengrenzen überschreitet. Beispiel Carbonfasern: Unser Mitglied Hohenstein arbeitet derzeit in einem Projekt an der biotechnologischen Rückgewinnung von Carbonfasern aus schwer recycelbaren Faserverbundwerkstoffen. Ebenfalls auf diesem Forschungsfeld aktiv sind das Sächsische Textilforschungsinstitut (STFI) und mein Institut, das Thüringische Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung (TITK). Solche Faserverbundstoffe kommen unter anderen in der Autoindustrie, aber auch in anderen Branchen zum Einsatz. Die „klassische“ Textilwirtschaft ist ebenfalls ein wichtiges Anwendungsfeld der Bioökonomie. So haben wir am TITK mit Lyohemp eine neue Faser auf Hanfbasis als heimische Alternative zu Baumwolltextilien entwickelt. Die Projektpartner kommen aus der gesamten Wertschöpfungskette vom Hanf auf dem Acker über die Verarbeitung mit Chemiezellstoff bis zum fertigen Kleid.
Warum konzentriert sich die Arbeit des Verbandes ausschließlich auf privatwirtschaftlich organisierte Forschungseinrichtungen?
Mit mehr als 70 Mitgliedern vereint die Zuse-Gemeinschaft gemeinnützige, privatwirtschaftlich organisierte Forschungsinstitute, die es mit etwa 6.000 Mitarbeitenden auf einen Jahresumsatz von rund 500 Millionen Euro bringen. Gemeinsam ist den Instituten, dass sie anders als Helmholtz, Fraunhofer und Co. ohne institutionelle Förderung des Bundes auskommen müssen. Diese Gemengelage bringt Nachteile auch bei der Bewerbung um staatlich geförderte Forschungsprojekte mit sich. Benachteiligungen, u.a. bei Investitionen in neue Geräte, die für unsere Forschenden notwendig sind, gehören beendet. Dafür setzen wir uns ein. Vor dem Hintergrund dieser Benachteiligungen fordern wir vom Bund auch einen eigenen Haushaltstitel für die gemeinnützigen Forschungsinstitute.
Welche Vorteile bietet eine Mitgliedschaft in der Zuse-Gemeinschaft?
Die Mitglieder der Zuse-Gemeinschaft sind Teil eines starken Verbundes, der sich geschlossen für unsere gemeinsamen Interessen einsetzt. Wir sind das politische Sprachrohr der Industrieforschung und verschaffen den Anliegen der praxisnahen, anwendungsorientierten Forschung Gehör. Wir arbeiten daran, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorteile dieser Forschung stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Das können wir aufgrund der lebendigen Praxiserfahrung unserer Forscherinnen und Forscher, die sich aus Erkenntnissen der Wissenschaft und der Wirtschaft speist.
Was steht als nächste Aufgabe an?
Bei stark steigenden Forschungsausgaben ist der Anteil der Unternehmen, die in Deutschland Innovationen hervorbringen, deutlich rückläufig. Wir wollen erreichen, dass wieder mehr Unternehmen an Innovationen teilhaben. Wir werden verstärkt darauf aufmerksam machen, dass sich Forschungserfolg, wenn er anwendungsorientiert ist, auch am gelungenen Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft messen lassen muss. Die Steigerung der Forschungsausgaben darf nicht weiter an Mittelstand und unabhängiger Forschung vorbeigehen. In diesem Sinne wollen wir an Verbesserungen der Förderlandschaft und konkreter Programme arbeiten. So soll die Beschränkung auf strukturelle Aspekte beim Industrie-Forschungsförderprogramm INNO-KOM nach unserem Dafürhalten wegfallen.
Interview: Beatrix Boldt