Regenwurm inspiriert zu neuem Material

Regenwurm inspiriert zu neuem Material

Materialforscher des INM-Leibniz-Instituts in Saarbrücken haben ein neues raues Material entwickelt, das sich bei Druck selbst mit Schmiermittel versorgt und so Reibungskräfte minimiert.

Saarbrückener Materialforscher haben sich einen Regenwurm zum Vorbild genommen und ein neues Material entwickelt, das sich ähnlich wie der Regenwurm bei Druck selbst mit Schmiermittel versorgen kann.

Egal ob künstliche Gelenke, Türscharniere oder andere Anwendungen, bei denen mehrere Oberflächen mechanisch aufeinander treffen – ein Tropfen Öl oder Fett als Schmiermittel verbessert oft die jeweilige Funktion. Doch so eine Zugabe ist beispielsweise in der Biomedizin kaum oder gar nicht realisierbar. Deshalb sind Forschende und Ingenieure schon lange auf der Suche nach „selbst-schmierenden“ Materialien. Basierend auf dem Vorbild des Regenwurms haben Wissenschaftler des INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien in Saarbrücken nun ein Material entwickelt, das sich druckabhängig selbst mit Schmiermittel versorgen kann.

Material versorgt sich selbst mit Schmiermittel

Das Faszinierende am Regenwurm: An seiner Haut bleibt selbst feuchte Erde nicht haften, sondern wird abgewiesen. Diese schmutzabweisende, gleitfördernde Schmierschicht haben die Materialforscher nun im Labor nachgebaut. Wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Advanced Materials“ berichten, kann ihr neuentwickeltes Material sich selbst immer dann mit Schmiermittel versorgen, wenn Druck ausgeübt wird.

Das Material besteht aus einem weichen Kunststoff, in dessen Inneren sich Tröpfchen aus Silikonöl als Schmiermittel befinden. „Wenn wir Druck auf das Material geben, verändern die Tröpfchen ihre Form und wandern an die Oberfläche. Das Silikonöl verteilt sich dann gleichmäßig auf der Oberfläche zu einer wasser- und schmutzabweisenden Gleitschicht“, erklärt Jiaxi Cui, Leiter der Forschungsgruppe Schaltbare Mikrofluidik am INM. Verringert sich der Druck, bilden sich auch die Tröpfchen zurück. Diese gelangen dann wieder in das Innere des Kunststoffes, von wo aus sie bei erneutem Druck abermals an die Oberfläche gelangen.

Raue Oberfläche verbessert Schmiermittelhaftung

Der Clou: die besondes raue Oberflächenstruktur des Materials. „Auch hierbei haben wir uns vom Regenwurm inspirieren lassen. Seine Hautoberfläche ist nicht glatt, sondern rau. Das haben wir bei unserem Material berücksichtigt und die Oberfläche aufgeraut“, erläutert Cui. Dadurch kann sich der Schmierfilm besser und gleichmäßiger ausbreiten und bleibt länger auf der Oberfläche haften. Bei einem Vergleich der Schmiermittelhaftung auf einer glatten Oberfläche und der nachgeahmten rauen Regenwurmstruktur, meisterte der Gleitfilm auf der rauen Struktur 10.000 Reibungszyklen, während der Gleitfilm auf glatten Strukturen nur 300 Reibungszyklen überstand.

Das Besondere des neuen Materials liegt daher in der Kombination der rauen Oberfläche mit den Schmiermitteltröpfchen aus dem Inneren. Zudem ist es das erste Mal, dass die reibungsverringernden Eigenschaften in fester und nicht ausschließlich in flüssiger Umgebung wirken. Daher kann das geschmierte Material auch das Anwachsen von Mikroben verhindern. Auf Grund dieser Eigenschaften können sich die Wissenschaftler zahlreiche Anwendungen in der Industrie und Biomedizin für das neue Material vorstellen.

jmr