Forschung zur Nachhaltigkeit im Fokus

Forschung zur Nachhaltigkeit im Fokus

Wie steht es um die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele? Diese Frage und weitere standen im Fokus einer Konferenz der Leibniz-Gemeinschaft Mitte September in Berlin.

Klaus Töpfer, ehemaliger Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, hielt einen leidenschaftlichen Vortrag zum Stand der Realisierung der UN-Nachhaltigkeitsziele.

Im Jahr 2015 haben die Vereinten Nationen 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals - SDGs) formuliert. Die Ziele sollen helfen, die Armut zu beenden, den Planeten zu schützen und Wohlstand für alle zu erreichen. Die Leibniz-Gemeinschaft richtete deshalb am 14. September in Berlin eine eintägige Konferenz rund um dieses Thema aus. Experten aus Politik und Wissenschaft waren eingeladen, den aktuellen Stand der Forschung zu den SDGs und deren Umsetzung vorzustellen und zu diskutieren. Knapp 200 Teilnehmer waren ins Haus der Leibniz-Gemeinschaft gekommen. Zusätzlich zu den Plenar-Vorträgen und der anschließenden Podiumsdiskussion stellten mehr als 40 Wissenschaftler in insgesamt zehn parallelen Themenrunden ihre neuesten Forschungsergebnisse rund um die SDGs vor.

Die Zukunft der Menschheit steht auf dem Spiel

Matthias Kleiner, Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, begrüßte die Teilnehmer der Konferenz mit einem flammenden Appell: „Hier geht es um nichts geringeres, als die Zukunft der Menschheit!“ Umso mehr freue er sich, dass auf der Konferenz so viele verschiedene Forschungsdisziplinen aufeinandertreffen. Denn nur gemeinsam könne man die anstehenden Aufgaben lösen, so Kleiner. Auch Ottmar Edenhofer, designierter Co-Direktor des Potsdamer Leibniz-Instituts für Klimafolgenforschung, fand deutliche Worte: „Es ist wichtig, die Naturwissenschaften mit den Geistes- und Sozialwissenschaften zu einen und gemeinsam an einem Strang zu ziehen." Laut Edenhofer sei das sogenannte „Carbon Pricing“, also die zusätzliche Belegung von Kohlenstoffemissionen mit Kosten, ein wichtiger Schritt, um von der erdölbasierten zu einer nachhaltigeren Industrie zu kommen. Eine Ausweitung der Förderung von nachwachsenden Rohstoffen sei jedoch keine adäquate Lösung: Durch eine Investition in nachwachsende Rohstoffe sinke demnach zwar zunächst der Bedarf und das Interesse an kohlenstoffbasierten Erzeugnissen. Edenhofer zufolge reagiere der Markt darauf jedoch mit fallenden Preisen, wodurch der Verbrauch solcher Materialien wieder steigt. „Durch den Rebound effect hätte die Investition in die Verwendung nachwachsender Rohstoffe einen steigenden Verbrauch fossiler Energieträger zur Folge. Das können wir nur durch Carbon Pricing stoppen“, so Edenhofer.

Der Markt als treibende Kraft

Ganz anderer Meinung war hingegen Klaus Töpfer, ehemaliger Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen und Bundesminister für Umwelt und Reaktorsicherheit von 1987 bis 1994. Seiner Ansicht nach sind fiskale Ansätze fehl am Platz. Töpfer sieht vielmehr die Politik als Gesetzgeber und Vorreiter in der Pflicht. Gleichzeitig gab er zu bedenken: „Was kann die Politik heute noch ausrichten? Der Markt ist die treibende Kraft.“ Und auch die Wissenschaft habe trotz eindeutiger Forschungsergebnisse nur wenig Einfluss auf die Politik. „Forscher sammeln immer mehr Daten, die den Klimawandel und dessen gravierende Folgen belegen. Dennoch hat noch nicht eine Industrienation, die das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet hat, dessen Forderungen erfüllt“, mahnte Töpfer.

In der anschließenden Podiumsdiskussion lieferten sich Edenhofer und Töpfer einen munteren Schlagabtausch: „Ich bin mir sicher, dass Pariser Klimaabkommen wird ohne Carbon Pricing versagen“, so Edenhofer. Töpfer erwiderte: „Wenn die Politik es wirklich ernst meint mit dem Klimaschutz, muss sie entsprechende Gesetze erlassen. Alles andere ist nicht erfolgsversprechend.“

Katharina Helming vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) lenkte den Fokus der Diskussionsrunde auf aktuelle, greifbare Geschehnisse und deutete eine positive Veränderung an: „Die Dürre in diesem Sommer hat Politik und Wissenschaft definitiv zusammenrücken lassen.“ Politiker hätten die Türen ihres Instituts geradezu eingerannt auf der Suche nach neuen Lösungsansätzen.

Umdenken in der Gesellschaft nötig

Die nachmittäglichen Programmblöcke der Konferenz waren in zehn Themenrunden geteilt, im Rahmen derer sämtliche Nachhaltigkeitsziele behandelt wurden. Dabei wurde immer wieder deutlich, dass die einzelnen SDGs nur miteinander, als komplementäre Ziele erreicht werden können. Außerdem belegten die Vorträge abermals, dass in der Gesellschaft ein Umdenken hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft – von der Ernährung bis zur Kleidung – nötig ist.

Die größte Hürde zum Erreichen vom Nachhaltigkeitsziele ist demnach die Anwendung und die Umsetzung neuer Forschungsergebnisse. Denn während die Wissenschaft bereits Unmengen an Datensätzen beispielsweise für eine effizientere und zugleich nachhaltigere Landwirtschaft, Abfallvermeidung oder biobasierte Produktionsansätze erarbeitet hat, mangelt es fast überall an der Implementierung dieser Ergebnisse – in der Industrie ebenso wie im täglichen Leben.

Erfolgsgeschichten machen Mut

Wie könnte die Implementierung also vorangetrieben werden? Laut Stefan Sieber, Experte für die Nahrungsmittelsicherung in Entwicklungsländern am ZALF, kann dies nur über positive Beispiele und Erfolgsgeschichten sowie mit dem Willen der Gesellschaft gelingen. „Die Gesellschaft muss sich ändern wollen. Eine gute Bildung und positive Beispiele sind dabei der Schlüssel, um die Menschen zu überzeugen“, so Sieber. Gemeinsam mit Kollegen hatte Sieber Öfen für Hütten in Tansania entwickelt, die weniger Holz für die gleiche Kochleistung benötigen. Da weniger Holz benötigt wird, bleibt den Frauen, deren Aufgabe das Holzsammeln ist, nun mehr Zeit für andere Dinge. Siebers zufolge sind es solch positive Entwicklungen, die es ihm und seinen Kollegen in Zukunft erleichtern, Menschen vor Ort von neuen Ideen und Techniken zu überzeugen.

jmr