Den Biorhythmus der Kühe erforschen
Ein Team vom Leibniz-Institut für Nutztierbiologie untersucht die innere Uhr von Kühen und Schweinen, um die Tierhaltung zu verbessern.
Früher Vogel oder Nachteule? Die meisten von uns identifizieren sich mit einer der beiden Kategorien, sind also lieber morgens oder abends aktiv. Diese innere Steuerung oder innere Uhr tickt bei jedem von uns ein bisschen anders, und wird im Rahmen der Chronobiologie erforscht. Auch Pflanzen und Nutztiere besitzen so eine innere Uhr, die durch äußere Einflüsse aus dem Takt geraten kann. Ein Forscherteam am Leibniz-Institut für Nutztierbiologie (FBN) unter der Leitung des schwedischen Wissenschaftlers Pål Westermark untersucht deshalb, welche Auswirkungen bestimmte Lebensabläufe und Rahmenbedingungen auf das Tierwohl haben.
Körperfunktionen werden von innerem Rhythmus getaktet
Im Alltag bemerken wir sie kaum, und doch steuert sie viele körperliche Funktionen nach einem ganz bestimmten Rhythmus. Die Hormonproduktion, der Stoffwechsel, das Schlafen und selbst die Gehirnleistung folgen einer inneren Uhr. Diesen Rhythmus bemerken wir meist erst, wenn er aus dem Takt kommt, wie zum Beispiel bei der Zeitumstellung im Frühjahr und Herbst, oder bei einem Jetlag. Dann kann es zu Schlafstörungen, schlechteren schulische Leistungen und allgemeinem Unwohlsein kommen.
Die Chronobiologie befasst sich mit der zeitlichen Organisation von biologischen Systemen. Bei Mäusen und Menschen sind die Regelmäßigkeiten und rhythmisch wiederkehrende Faktoren in der Lebensweise bereits sehr gut untersucht. Doch wie es mit der inneren Uhr bei Nutztieren aussieht, ist noch weitgehend unbekannt. Der schwedische Wissenschaftler Pål Westermark ist ein Experte auf dem Gebiet und beschäftigt sich schon seit Langem mit dem Zusammenspiel zwischen innerer Uhr und Stoffwechselwegen. Im Dezember 2016 hat er seine neuesten Ergebnisse zu dem Thema im Fachjournal "PNAS" publiziert.
Äußere Umstände beeinflussen die innere Uhr
Westermark bezeichnet sich selbst als eine „leichte Eule“, ist also eher später am Tage aktiv. In der Chronobiologie wird zwischen Früh- und Spättypen unterschieden. Diese Grundausrichtung beeinflusst die Menschen bei der Uhrenumstellung, wobei die Spättypen eher unter dem künstlichen Eingriff in unseren Tagesablauf leiden. Seit zwölf Jahren erforscht er typische Verhaltensmuster und physiologische Prozesse an Mäusen, deren Lebensrhythmus unterschiedlich beeinflusst wird, seit November 2016 forscht er am FBN. „Die innere Uhr hat eine weitaus größere Bedeutung als bisher angenommen, ständig werden neue Erkenntnisse gewonnen“, sagte Westermark. „Äußere Umstände haben eine enorme Auswirkung auf unsere innere Uhr, die wiederum das eigene Immunsystem und praktisch fast alle Lebensfunktionen mehr oder weniger stark beeinflusst. Klar ist, in jedem Säugetier und vermutlich in jedem Lebewesen tickt eine innere Uhr.“ Das haben auch Forschungen unter anderem an Fruchtfliegen und Pflanzen ergeben, deren innere Uhren mittlerweile gut verstanden werden.
Innerer Rhythmus von Nutztieren bestimmt deren Leistung
Nach zwölf Jahren Grundlagenforschung in der Chronobiologie will der Biophysiker nun den nächsten Schritt gehen. „Wir bereiten aktuell am FBN die Erforschung von Biorhythmen an Kühen vor“, erläutert Westermark. Später sollen auch Schweine einbezogen werden. Weltweit sind nur wenige Forschergruppen bekannt, die chronobiologische Prozesse an Nutztieren erforschen. Westermark und sein Team wollen vor allem untersuchen, wie unterschiedliche Lebensrhythmen bei der Kuh körperliche Funktionen, Leistung und Wohlbefinden beeinflussen. Dabei kommt es vor allem auf das Licht, das Essverhalten, Stress- und Ruhezustände, die Regeneration im Schlaf, den Lärm sowie das Stalldesign an. Außerdem ginge es ihm auch darum, die individuellen genetischen und erblichen Ursachen zu identifizieren. „Unsere Vision ist zu lernen, was die innere Uhr für das grundlegende Wohlbefinden der Tiere bedeutet. In der Folge hat das auch eine immense Bedeutung für die Humanbiologie.“
jmr