Preiswertes Bioethanol aus Reststoffen

Preiswertes Bioethanol aus Reststoffen

Forschende der TU München haben mit finnischen Kollegen ein Verfahren entwickelt, um aus Stroh oder Holzresten sowie Ökostrom nachhaltige Kraftstoffe zu produzieren.

Strohballen auf dem Feld
Agrarreststoffe wie Stroh werden zur Herstellung von Bio-Ethanol genutzt.

Die Energiekrise infolge des Ukraine-Krieges führt vielen Menschen vor Augen, wovor Fachleute schon lange warnen: Deutschland ist stark abhängig von Gas- und Ölimporten aus dem Ausland. Zwar gibt es mit Ethanol schon lange eine biobasierte Kraftstoffalternative, doch die ist vor allem in Ländern wie Brasilien verbreitet, wo es einen großflächigen Zuckerrohranbau gibt – denn Zucker ist der wichtigste Rohstoff, um durch Fermentation Ethanol zu produzieren. Auch in Deutschland produzieren landwirtschaftliche Betriebe auf großen Flächen Mais oder Raps, woraus später Biokraftstoffe werden. Aber aufgrund der Konkurrenz mit der Nahrungsproduktion gilt dieses Vorgehen als nicht nachhaltig. Eine Kooperation zwischen der TU München und der finnischen TU Lappeenranta-Lathi hat nun eine weitere Alternative entwickelt und im Fachjournal „Frontiers in Energy Research“ vorgestellt.

Essigsäure als Zwischenprodukt

Auch dieses Forschungsteam setzt auf Ethanol als Kraftstoff. Als Rohstoffe benötigt der Prozess jedoch lediglich lignozellulosehaltige Reststoffe aus der Forst- oder Agrarwirtschaft, beispielsweise Stroh, sowie Wasserstoff. Den Wasserstoff erzeugt das Team mittels Elektrolyse, bei der durch Strom Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird. Kommt dabei Ökostrom zum Einsatz, ist der Prozess klimafreundlich. Zunächst wird die Biomasse zu Synthesegas vergast. In einem nächsten Schritt entsteht daraus Methanol, das anschließend zu Essigsäure umgewandelt wird. „Der Gesamtprozess besteht überwiegend aus technisch ausgereiften Teilprozessen“, erläutert Daniel Klüh von der TU München. Die eigentliche Innovation sei „die Zusammensetzung der Prozessschritte und der finale Schritt, die Hydrierung von Essigsäure zur Ethanolgewinnung“.

Höherer Ertrag als durch Fermentation

Trotz des scheinbar geringen Innovationsanteils hat dieser Prozess erhebliche Vorteile gegenüber der Fermentation zu Ethanol. Während letztere aus einer Tonne Trockenbiomasse 200 bis 300 Liter Ethanol erzeugen kann, erzielt der neu entwickelte Prozess zwischen 1.350 und 1.410 Liter Ethanol. Das führt zusammen mit weiteren Prozessvorteilen dazu, dass die neue Herstellungsweise wirtschaftlich wettbewerbsfähig ist. Die niedrigsten Kosten für Ethanol errechnete das Team bei 0,65 Euro pro Liter, mit angenommenen Biomassekosten von 20 Euro pro Megawattstunde, Stromkosten von 45 Euro pro Megawattstunde und einer Produktionsmenge von rund 42.000 Tonnen Ethanol pro Jahr. Allerdings hängt die Wirtschaftlichkeit stark vom Strompreis ab.

Unzureichendes Restholzpotenzial in Deutschland

Gegenüber erdölbasiertem Benzin würde das so produzierte Ethanol 75 % der Treibhausgase vermeiden. Weil Ethanol bereits als Kraftstoff beziehungsweise Beimischung etabliert ist, ließe es sich auch problemlos vermarkten. Noch allerdings ist der neue Prozess nicht marktreif: „Zur Kommerzialisierung muss der Technologiereifegrad angehoben werden“, sagt Matthias Gaderer von der TUM. Nächste Schritte wären beispielsweise weitere Katalysatorentwicklungen, ein Reaktordesign sowie der Bau und Betrieb einer Pilotanlage. In der Praxis wäre dann denkbar, dass biomassereiche Länder wie Kanada oder Finnland zunächst den Prozess bis zur Essigsäure durchführen und Deutschland dann Ökostromüberschüsse nutzen könnte, um aus der Essigsäure Ethanol zu produzieren. Denn – das ist den Forschenden bewusst: „Deutschland hat nicht das Restholzpotenzial für eine großskalige Biomassevergasung zur Synthese von Essigsäure“, so Gaderer.

bl