Pflanzen-Invasionen mit Infrarot erkennen
Deutsche Forscher entwickeln ein Frühwarnsystem für Ökosystemveränderungen. Infrarotsensoren machen sichtbar, wie die eingeschleppte Akazie in Portugal die Dünenlandschaft verändert.
Die Globalisierung hat viele Vorteile für Mensch und Technik. Doch für Flora und Fauna kann die Vermischung einheimischer mit eingeschleppten Lebewesen gefährlich werden. Denn ortsfremde Tier- und Pflanzenarten haben oftmals keine natürlichen Feinde. Sie verbreiten sich deshalb ungehindert und dezimieren die Ressourcen für einheimische Arten.
Akazie verdrängt einheimische Pflanzen
Ein Paradebeispiel für eine eingeschleppte Pflanze, die das einheimische Ökosystem gefährdet, sind die Akazien in Portugal. Im 20. Jahrhundert wurde die aus Australien stammende Langblättrige Akazie zur Befestigung von Sanddünen eingeführt. Doch ohne natürlich Feinde oder ebenbürtige Konkurrenz breitet sich der gelb blühende Strauch massiv aus und beeinflusst den Wasser- und Nährstoffhaushalt zu Ungunsten einheimischer Pflanzen.
„Die Langblättrige Akazie verändert sehr sensible und artenreiche Dünen-Ökosysteme im Südwesten Portugals grundlegend“, erklärt Landschaftsökologe und Erstautor André Große-Stoltenberg von der Universität Münster. Die Akazie bedroht demnach die einheimische Pflanzenvielfalt gleich mehrfach: Sie reichert das nährstoffarme Dünen-Ökosystem mit Stickstoff an, entzieht dem Boden viel Wasser und verdichtet zudem die eigentlich lichte Vegetationsstruktur.
Akazienbestand in Portugal kartiert
Wissenschaftler der Universitäten Münster, Hamburg, Freiburg und Bielefeld haben nun erstmals den gesamten Akazienbestand in einem elf Quadratkilometer großen Dünen-Ökosystem an Portugals Westküste und dessen Auswirkungen auf den Nährstoffgehalt mit hoch aufgelösten Flugzeug-Sensordaten kartiert. Ihre Ergebnisse haben sie in der Fachzeitschrift „Remote Sensing of Environment“ veröffentlicht. Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der European Facility for Airborne Research und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst gefördert.
Für ihre Untersuchungen kombinierten die Forscher eine GPS-gestützte Geländekartierung mit Fernerkundungsdaten, verwendeten also sowohl „normale“ Luftbilder als auch Laserscanning- und Hyperspektral-Daten. Durch die Hyperspektral-Sensoren, die auch Infrarotwellen detektieren, gelang es, die gesamte pflanzliche Biomasse sichtbar zu machen. „Die Akazie hinterlässt ein deutliches Produktivitätssignal im Ökosystem. Es wird erst durch den Einsatz von Infrarotsensoren sichtbar – so ähnlich wie bei ‚Geheimtinte‘“, erklärt Große-Stoltenberg.
Frühwarnsystem für Ökosystemveränderungen
Die pflanzliche Biomasse, auch Brutto-Primärproduktion genannt, lässt den Grad der Akazien-Invasion erkennen: Je mehr Akazien in den Dünen wachsen und je älter die Sträucher werden, desto größer ist die Brutto-Primärproduktion. „Vor allem mithilfe der Sensordaten aus dem Infrarot-Bereich konnten wir räumlich explizit zeigen, dass die Akazie das Dünenökosystem bezogen auf die Primärproduktion Schritt für Schritt in ein waldähnliches Ökosystem verwandelt“, so Große-Stoltenberg.
Mit dieser Methode lassen sich durch die Akazie verursachte Veränderungen des Ökosystems bereits in einem sehr frühen Stadium der Invasion und bei einer Bedeckung von weniger als zehn Prozent der Fläche erkennen. Laut den Forschern könnte so zukünftig frühzeitig einer Akazien- oder ähnlichen Pflanzen-Invasion entgegengewirkt werden. Die Analyse der Daten erfolgte mit einem Algorithmus, der anhand der Referenzdaten aus der GPS-gestützten Geländekartierung „lernt“, Akazien in den Luftbildern sicher zu erkennen.
jmr