Neue Nanofasern für die Biomedizin

Neue Nanofasern für die Biomedizin

Kieler Zoologen haben in der schleimigen Schutzschicht von Pflanzensamen stark haftende Nanofasern aus Cellulose entdeckt, die beispielsweise in der Biomedizin zum Einsatz kommen könnten.

Durch den Kontakt mit Wasser bildet das Samenkorn von Neopallasia pectinata aus der Familie der Korbblütler eine schleimige Hülle aus. Die weißen Zellulosefasern verankern sie an der Samenoberfläche.

Viele Pflanzen sind darauf angewiesen, dass ihre Samen von Tieren als Teil der Nahrung aufgenommen werden. Meist werden sie danach unverdauert ausgeschieden, so dass sich die Samen auf diese Weise wieder verbreiten. Damit die Samen während der Verdauung im Körper der Tiere nicht zerstört werden, bilden viele von ihnen eine schleimige Schutzhülle. Diese Hülle bildet sich unabhängig von der Verdauung, sobald die Samenkörner mit Wasser in Berührung kommen. Ein Kieler Forscherteam hat nun herausgefunden, dass die Stabilität der Schleimhülle vor allem von winzigen Fasern abhängt, die den Schleim mit dem Samenkorn verbinden. Die Forscher berichten im Fachjournal „Applied Materials & Interfaces“ über diese stark haftenden Nanofasern, die künftig unter anderem in der Biomedizin Anwendung finden könnten.

Schonende Trocknungsmethode ermöglicht Blick auf Cellulosefasern

Die Samenschutzhülle besteht vor allem aus Cellulose, dem Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände, und quellenden Pektinen, pflanzlichen Zuckermolekülen. Die Pektine in der Schale der Samenkörner können in kurzer Zeit eine große Menge Wasser aufnehmen, so entsteht innerhalb weniger Minuten eine gelartige Kapsel. Durch feine Cellulosefasern mit einem Durchmesser von bis zu 100 Nanometern ist diese fest an der Oberfläche des Samens verankert.

„Um mehr über die Funktion des Schleims zu erfahren, untersuchten wir zunächst den Aufbau und die physikalischen Eigenschaften der Schleimhülle“, so Stanislav Gorb, Zoologie-Professor an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Dazu nutzte das Team um Gorb eine spezielle Trocknungsmethode, die der Schleimhülle schonend das Wasser entzieht. Der Trick: Mithilfe der sogenannten kritischen Punkttrocknung wurden die Schleimhüllen schrittweise mit flüssigem Kohlenstoffdioxid entwässert. Dieses lässt sich bei bestimmten Druck- und Temperaturbedingungen kontrolliert verdampfen, ohne dass sich eine Oberflächenspannung in der Hülle bildet. Dadurch blieben die ursprüngliche Zellstruktur und einzelne Cellulosefasern erhalten.

Cellulosefasern haben hervorragende Reibungs- und Haftkräfte

Anschließend wurden die Reibungs- und Adhäsionseigenschaften der Fasern untersucht. „Unsere Tests zeigen, dass die Reibungs- und Haftkräfte der Cellulosefasern fast genauso hoch sind wie bei vertikal stehenden Kohlenstoffnanoröhrchen“, sagt Clemens Schaber, Erstautor der Studie. Kohlenstoffnanoröhren sind mikroskopisch kleine Gebilde und aufgrund ihrer herausragenden elektrischen Leitfähigkeit, Reißfestigkeit und Reibungseigenschaften in Industrie und Forschung beliebt.

Durch die spezielle Punkttrocknung konnte die Forschergruppe die Haftstärke der Cellulosefasern sogar gezielt variieren. „Als natürlicher Rohstoff hätten die Cellulosefasern deutliche Vorteile gegenüber Kohlenstoffnanoröhren, deren gesundheitliche Auswirkungen noch nicht vollständig untersucht sind“, so Schaber. Nanocellulose wird vor allem in biologisch abbaubaren Kunststoffverbundmaterialien verarbeitet, die wiederum in der Biomedizin, der Kosmetik oder der Ernährungsindustrie eingesetzt werden. 

jmr