Namentlicher Aufruf im Saustall: „Mahlzeit Auguste!“
Auch im Schweinestall kann es stressfrei zugehen: Den Beweis liefern Leibniz-Forscher mit einer Fütterungstechnik, bei der Sauen nach namentlichem Aufruf zum Futtertrog gerufen werden.
Haustiere haben in der Regel einen Namen. Dass die Namensgebung auch in der Nutztierhaltung funktioniert, haben Forscher vom Leibniz-Institut für Nutztierhaltung jetzt bei Schweinen bewiesen. In der Experimentieranlage in Dummersdorf wurden Sauen mit jeweils eigenen Namen vertraut gemacht und marschierten erst nach namentlichem Aufruf zum Futtertrog. Diese Art der Fütterung vermeidet Stress und soll bald schon in bundesdeutschen Schweineställen Alltag sein. Die Weiterentwicklung des erfolgreich getesteten Aufrufsystems wird mit 253.000 Euro vom Bundeslandwirtschaftsministerium gefördert.
Massentierhaltung bedeutet in der Regel Stress für das Tier. Vor allem das Drängeln am Futtertrog sorgt buchstäblich für Chaos im Schweinestall. Aber es geht auch anders. Im Experimentierstall der Nutztierbiologen vom Dummersdorfer Leibniz-Institut geht es durchaus geordnet und stressfrei zu. Der Grund: Ein Aufrufsystem managt das Leben im Schweinestall. Das heisst: jedes Tier hat einen Namen und hört auf ihn. Nach zwei bis drei Wochen Dressur trotteten die Säue Beate, Susi und Auguste gemächlich nach einander zum Trog, sobald ihr Name aufgerufen wurde. Nun soll das Projekt „Füttern nach Plan“ auch in anderen Ställen Schule machen. „Die bisherigen Ergebnisse zeigen eindrucksvoll, dass Technik einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung des Tierwohls in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung leisten kann“, so Clemens Neumann vom Bundesminsterium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bei der Übergabe des Förderbescheids. Mit 253.000 Euro wird die Weiterentwicklung des vielversprechenden Aufrufsystems von der Deutschen Innovationspartnerschaft Agrar (DIP) gefördert.
Weniger Stress am Futtertrog
Zwölf Jahre forschten und testeten die Dummersdorfer Wissenschaftler das neue Verfahren. Sie sind überzeugt: Der namentliche Aufruf von Schweinen zur Fütterung kann erheblich dazu betragen, unerwünschte Stresssituationen am Futtertrog zu verhindern, Krankheiten frühzeitig zu erkennen und das Tierwohl insgesamt zu verbessern. Bei der Aufruffütterung handelt es sich um die Weiterentwicklung der elektronischen Futterstationen, die zur Versorgung von in Gruppen gehaltener trächtiger Sauen zum Einsatz kommt. Hier werden bis zu 60 Tiere zentral nacheinander versorgt. Über Ohrmarkentransponder können sich die trächtigen Tiere Futteranteil „abholen“.
Tiere auf Namen dressiert
„Unsere Weiterentwicklung setzt im Gegensatz dazu auf ein Futtermanagement per Aufruf, das heißt, die Sauen werden mit ihrem Namen zur Futteraufnahme aufgerufen. Das Verfahren der Aufruffütterung basiert auf einer automatisierten Konditionierung der trächtigen Sauen, also dem Training auf einen Namen, das ca. zwei bis drei Wochen dauert“, erläutert der Leiter des Instituts für Verhaltensphysiologie am FBN, Birger Puppe. Hier lernen die Tiere, auf ein individuelles Signal zu reagieren und sich der Futterstation zu nähern. „Der wesentliche Effekt des Aufrufverfahrens ist die Vermeidung von Futterkämpfen in der Sauengruppe sowie das Setzen von Beschäftigungsanreizen“, erklärt der FBN-Projektleiter Christian Manteuffel.
Erste Tests auch im Kuhstall
Vor allem vom Einsatz des Verfahrens bei der Haltung von großen Tierbeständen rechnen die Forscher mit einem echten Mehrwert für den Halter. „Bei der Aufruffütterung wird dieser Mehrwert durch die Möglichkeit geschaffen, mit gesünderen Tieren länger arbeiten zu können. Die Langlebigkeit der Sauen wird dadurch für die Halter zu einem Faktor von direktem wirtschaftlichem Interesse“, so Manteuffel. Die Rostocker pironex GmbH wird im Rahmen des Projektes das Aufrufsystem zu einem kostengünstigen Seriengerät fertigen. Das System wird auch bei der Haltung von Kühen erprobt.