Mit Spiralmustern zu hohen Pflanzen
Erstmals konnte ein Forschungsteam durch einen Trick die Entstehung des Xylems beobachten, das Wasser transportiert und Stabilität verleiht.
Mehr als 100 Meter können manche Bäume in die Höhe wachsen. Wesentlichen Anteil daran hat das Xylem, das im Laufe seiner Entwicklung verholzt und der Pflanze Stabilität verleiht. Nicht nur Bäume, auch andere Pflanzen verdanken ihre Stabilität dem Xylem, das außerdem dem Transport von Wasser und Nährsalzen dient. Zwar ist dieses Leitsystem inzwischen gut untersucht, doch seine Entstehung konnte jetzt erstmals ein deutsch-niederländisches Forschungsteam beobachten, das dazu einen gentechnischen Trick angewandt hat, wie die Fachleute im Journal „Nature Communications“ berichten.
Ein gentechnischer Kniff macht’s möglich
„Ein Problem bei der Aufklärung dieser Mechanismen war bisher, dass das Xylemgewebe von vielen Zellschichten überdeckt ist und nicht direkt beobachtet werden kann“, erklärt René Schneider vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Golm. Um das zu lösen, habe man die Modellpflanze Ackerschmalwand mit einem „Genschalter“ ausgestattet. „Dieser macht es möglich, den Mechanismus der Xylementwicklung von außen gezielt auszulösen und führt dazu, dass alle Zellen in der Pflanze zu Xylemzellen werden“, schildert Schneider. „Insbesondere die Zellen der Epidermis – die äußere Zellschicht – können ausgezeichnet mit Hilfe von hochauflösender Mikroskopie beobachtet werden.“
Synchroner Prozess bestimmt das Cellulose-Muster
Die Grundlage für die Ausbildung des Xylems legen die sogenannten Mikrotubuli. Sie dienen an der Außenseite der Zelle als Gerüst für den Enzymapparat, der dort Cellulosemoleküle anbringt und so die für Xylemzellen typische sekundäre Zellwand bildet. Auf Enzymseite kommt dabei dem Komplex KATANIN zentrale Bedeutung zu, wie die Fachleute nachweisen konnten. In einem eigens entwickelten automatisierten Bildgebungsverfahren konnte das Forschungsteam außerdem dokumentieren, dass sich die Bänder und Spiralen aus Mikrotubuli synchron rund um die Zelle herum anordnen und in den Zwischenräumen abgebaut werden. Ein bis zwei Stunden dauert dieser Prozess, die gesamte Entwicklung hin zu einer voll funktionsfähigen Wasser leitenden Zelle vollzieht sich dann über mehrere Tage.
Chancen für die Pflanzenzüchtung
Die neuen Details sind nicht nur für die Pflanzenforschung spannend, sondern auch für die Pflanzenzüchtung: Durch den Klimawandel sind Pflanzen zunehmend gezwungen, ihren Umgang mit Nährstoffen und Wasser anzupassen und dazu auch ihr Xylem zu verändern. Die nun vorliegende Studie könnte daher helfen, Sorten zu entwickeln, die resilienter gegen die Folgen des Klimawandels sind.
René Schneider will mit einer Forschungsgruppe an der Universität Potsdam in den kommenden Jahren die Entstehung der sekundären Zellwand noch genauer verstehen. Dazu steht eine Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Höhe von 1,3 Mio. Euro zur Verfügung.
bl