Wie das Leitgewebe von Pflanzen entsteht

Wie das Leitgewebe von Pflanzen entsteht

Münchner Entwicklungsbiologen haben entdeckt, wie Pflanzenzellen sich zu Leitgewebe differenzieren. Dabei spielt das Hormon Auxin und ein Regulator namens PAX eine Schlüsselrolle.

Solche Blattadern durchziehen den gesamten Pflanzenkörper und versorgen diese mit Wasser und Nährstoffen. Münchner Forscher haben nun einen neuen Regulationsprozess für die pflanzliche Entwicklung entschlüsselt.

Pflanzen wachsen – genau wie Menschen – mittels Zellteilung. Der schwierigste Schritt erfolgt erst danach: die Zelldifferenzierung. Beim Menschen können diese unter anderem zu Haut-, Herz- oder Blutgefäßzellen werden. Bei Pflanzen gibt es analog dazu das Leitgewebe, das sich durch den gesamten Pflanzenkörper zieht und in Form von Blattadern sichtbar wird. Ein Forscherteam unter der Leitung von Claus Schwechheimer, Professor am Lehrstuhl für die Systembiologie der Pflanzen an der Technischen Universität München (TUM), hat in Kooperation mit Wissenschaftlern der Universität in Lausanne nun einen wichtigen Regulationsprozess dieser Pflanzenzelldifferenzierung entschlüsselt.

Woher weiß eine Zelle, was sie werden soll?

Das Leitgewebe in Pflanzen versorgt diese mit Wasser und Nährstoffen, dabei ist das Xylem für die Wasserversorgung und das Phloem für die Nährstoffversorgung verantwortlich. „Woher aber weiß eine neu entstandene Zelle, dass sie beispielsweise eine Phloemzelle werden soll?" fragt Schwechheimer. Im renommierten Fachjournal „Nature“ beantworten die Forscher nun diese Frage und beschreiben, wie der Differenzierungsmechanismus in Pflanzen funktioniert.

Bereits im Jahr 2009 hatte das Team in Lausanne gezeigt, dass Pflanzen, denen ein bestimmtes Protein (BRX) fehlt, Probleme haben, Phloemzellen zu bilden. „Zugleich konnten sie beobachten, dass es sehr empfindlich auf das Pflanzenhormon Auxin reagiert", sagt Lanassa Bassukas von der TUM. Denn je nachdem, ob der Auxinwert niedrig oder hoch war, befand sich BRX an der Zellmembran oder wurde im Zellinneren abgebaut.

Regulator PAX und Auxinwert regulieren sich gegenseitig

Nun fanden die Wissenschaftler noch einen weiteren Beteiligten: den Regulator PAX. Dieser kann das Auxin mittels Transporterproteinen aus der Zelle schleusen, und so auch indirekt das Protein BRX regulieren. Und genau wie Pflanzen mit einem Defekt im BRX-Protein haben auch Pflanzen ohne PAX weniger Phloemzellen. Doch es besteht auch eine umgekehrte Abhängigkeit: Der PAX-Regulator kann durch das BRX-Protein gebremst werden. Und je höher der Auxinwert, um so aktiver ist der PAX-Regulator.

Kreislaufregulation bestimmt Zellschicksal

Die Ergebnisse der Forscher zeigen: In einer neu entstandenen Zelle staut sich zunächst das Auxin an. Das über die Zeit angehäufte Auxin führt dazu, dass BRX abgebaut wird. Ist weniger BRX vorhanden, wird der PAX-Regulator wieder aktiv und transportiert das Auxin aus der Zelle. Mit sinkendem Auxinwert steigt wiederum die BRX-Konzentration. Die Folge: Auxin sammelt sich wieder in der Zelle an. Durch diesen Regelkreislauf stellt sich die Zusammensetzung in der Zelle immer wieder von selbst neu ein.

Viele Prozesse in der pflanzlichen Entwicklung sind vom Auxintransport und PAX-ähnlichen Regulatoren abhängig. Mit der Entdeckung der negativen Regulation mittels PAX-Protein ist laut den Forschern jedoch eine neue Kontrollebene aufgedeckt worden, die in Zukunft auch für die Pflanzenzüchtung relevant werden könnte.

jmr