Mit Fliegengiften zu Biopestiziden
Eine deutsche Forschungskooperation hat die Toxine der Großen Wolfsfliege analysiert und ein unterschätztes Potenzial für Landwirtschaft und Pharmaforschung angetroffen.
Weltweit produzieren geschätzt 100.000 Tierarten Giftstoffe. Manche dienen dem Schutz vor Fressfeinden, andere der Jagd auf Beute. Vielen Giften ist gemein, dass sie in geringer Dosierung das Gegenteil sein können: Wichtige Blutdrucksenker, Gerinnungshemmer und Schmerzmittel basieren auf tierischen Toxinen, und ein Toxin des Bakterium Bacillus thuringiensis sorgt als biologisches Insektizid für Aufsehen. Anders als bei Schlangen oder Spinnen ist über die Giftstoffe von Raubfliegen bislang wenig bekannt. Forscher der Justus-Liebig-Universität Gießen und des LOEWE-Zentrums haben das nun für die auch in Hessen beheimatete Große Wolfsfliege geändert.
Bislang unbekannte Toxine entdeckt
Wie andere Raubinsekten auch, nutzt die Große Wolfsfliege Giftstoffe, um ihre Beute zu jagen. Viele dieser Toxine waren bislang gänzlich unbekannt, wie die Evolutionsbiologen im Fachjournal „GigaScience“ berichten. Genetische Analysen bestätigten, das ein großer Teil der Gifte sich nur in Raubfliegen und nicht in anderen Arten entwickelt hat. „Durch den Vergleich mit den Genomen verwandter Fliegenarten und anderer Insekten konnten wir zeigen, dass neben Toxinfamilien, die auch von anderen giftigen Tieren bekannt sind, in Raubfliegen Toxin kodierende Gene im Laufe der Evolution entstanden sind, die offenbar nur in dieser Gruppe vorkommen“, resümiert Stephan Drukewitz vom Fraunhofer Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie, das am LOEWE-Zentrum beteiligt ist.
Toxine mit artspezifischer Wirkung
Über Millionen Jahre hat die Evolution das Wirkspektrum des Giftcocktails der Großen Wolfsfliege demnach auf deren Beuteinsekten zugeschnitten. Denkbar wäre daher, einzelne der Toxine in der Landwirtschaft als Bioinsektizid einzusetzen, weil die Gifte oft sehr spezifisch nur gegen eine Insektenart wirken. „In Zeiten eines bisher ungesehenen Rückgangs von Insekten ist eine nachhaltige Nutzung von Insektiziden von größter Wichtigkeit“, betont der Forschungsleiter Björn von Reumont.
Protein mit neurotoxischer Wirkung
Jetzt arbeiten die Forscher daran, die Wirkmechanismen der Giftstoffe aus der Großen Wolfsfliege aufzuklären. „Die Aktivität der meisten raubfliegenspezifischen Toxine ist noch unbekannt“, berichtet von Reumont. „Wir testen diese in Bezug auf Einsatzmöglichkeiten gerade aufwändig im Labor in unserer Arbeitsgruppe Tiergifte.“ Ein erstes Toxin mit medizinischem Potenzial hat das Team jedoch bereits identifiziert: Asilidin1, ein kurzes Protein mit neurotoxischer Wirkung.
„Unsere Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, nicht nur Schlangen, Spinnen und Skorpione, sondern auch weniger bekannte giftige Tiergruppen besser zu untersuchen“, hebt Drukewitz hervor. Die Studie sei die größte vergleichende Genomanalyse, die am Beispiel von Raubfliegen die evolutionären Prozesse untersucht, die der Entstehung der vielfältigen Toxingene zugrunde liegen.
bl