Mit Biotensiden Ölkatastrophen bekämpfen

Mit Biotensiden Ölkatastrophen bekämpfen

Biotenside können auf umweltschonende Weise den mikrobiellen Ölabbau im Meer ankurbeln. Das zeigt eine internationale Studie unter Beteiligung der Universitäten Stuttgart und Tübingen.

Ölabbau-Forschung der Uni Tübingen in der Nordsee
Mit schwimmenden Ölbarrieren wird versucht, Inseln und Küsten vor Ölverschmutzungen zu beschützen.

Derzeit droht durch den brennenden Autofrachter "Fremantle Highway" in der Nordsee eine Umweltkatastrophe, sollte das Schiff auseinanderbrechen und Öl ins Meer gelangen. Experten schätzen, dass jährlich bis zu 1.500 Millionen Liter Öl in die Meere fließen. Die Explosion auf der Bohrinsel Deepwater Horizon im Jahr 2010 und die daraus resultierende Ölpest im Golf von Mexiko ist bis heute eine der schlimmsten Umweltkatastrophen in der Geschichte. Tagelang strömten damals bis zu 800 Millionen Liter Rohöl ins Meer, verschmutzten das Ökosystem und wurden unzähligen Tieren zum Verhängnis.

Ein internationales Forschungsteam der Universitäten Stuttgart und Tübingen sowie der China West Normal University und der University of Georgia hat nun untersucht, inwiefern sich solche Ölkatastrophen umweltschonend bekämpfen lassen. Die Forschenden berichten im Fachjournal "ACS EST Water".

Bisher kommen nach Ölunfällen in der Regel chemische Dispersionsmittel zum Einsatz. Die Substanzen lösen zwar größere Ölklumpen auf, spalten sie in kleinere Tröpfchen und sorgen dafür, dass sich die Ölmenge nicht an der Meeresoberfläche ansammelt.

Frühere Studien haben jedoch gezeigt, dass dabei auch ölabbauende Mikroorganismen verdrängt werden, die auf natürliche Weise ölverseuchte Gebiete reinigen können. „In einer im Jahr 2015 veröffentlichten Studie aus den USA haben wir jedoch gezeigt, dass – anders als erhofft – chemische Dispersionsmittel im Tiefseewasser aus dem Golf von Mexiko den mikrobiellen Ölabbau verlangsamen können“, sagt Sara Kleindienst, die bis Juni 2022 an der Universität Tübingen forschte und jetzt an der Universität Stuttgart arbeitet. Die Studie zeigte damals auch, dass sich natürliche Ölverwerter der Gattung Marinobacter ohne chemische Dispersionsmittel sogar vermehrten.

Biotenside als Alternative zu chemischen Dispersionsmitteln

Doch was ist die umweltfreundlichste Methode, um solche Ölkatastrophen zu bekämpfen? Ein Team um die Umweltmikrobiologin Sara Kleindienst ist überzeugt, dass Biotensiden eine vielversprechende Alternative zu chemischen Dispersionsmitteln sein können. Der Grund: Biotenside werden durch Mikroorganismen gebildet und können so bewirken, dass Ölkomponenten leichter für den Abbau zugänglich werden. Der mikrobielle Ölabbau, der maßgeblich für die Aufreinigung verantwortlich ist, kann dadurch gesteigert werden, wie die Forschenden berichten.

Für ihre Versuche nutzte das Team Oberflächenwasser aus der Nordsee. Im Labor wurde das Meerwasser dann entweder mit einem Biotensid Rhamnolipid oder einem Dispersionsmittel jeweils mit und ohne Öl behandelt. Mithilfe radioaktiver Markierungen konnte das Team verfolgen, wie die Mikroorganismen das Öl abbauen. „Unsere Untersuchungen mit radioaktiv markierten Kohlenwasserstoffen oder einer radioaktiv markierten Aminosäure zeigten, dass die höchsten mikrobiellen Raten der Kohlenwasserstoffoxidation und der Proteinbiosynthese in den mit Rhamnolipid behandelten Öl-Mikrokosmen auftraten“, sagt Lu Lu, die ehemals an der Universität Tübingen und jetzt an der China West Normal University forscht.

Biotenside stimulieren mikrobiellen Ölabbau

Der Studie zufolge wirkten Biotenside und Dispersionsmittel auch sehr verschieden auf die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaften. „Dieses Ergebnis weist darauf hin, dass der Einsatz von Biotensiden gegenüber chemischen Dispersionsmitteln andere mikrobielle Ölabbauer stimulieren kann, sowohl im Wachstum als auch in den Aktivitäten – und dies kann sich wiederum auf den Reinigungsprozess nach Ölkatastrophen auswirken“, sagt Lu.

Die Forschenden sehen daher großes Potenzial für den Einsatz von Biotensiden bei zukünftigen Ölkatastrophen in der Nordsee oder in ähnlichen nährstoffreichen Habitaten im Ozean. „Eine visionäre Weiterführung unserer Arbeit wäre die Entwicklung von Produkten, die auf Biotensiden basieren und die eine effektive und umweltfreundliche Bekämpfung von Ölkatastrophen leisten können“, sagt Kleindienst.

bb