Kohlendioxid nachhaltig nutzen

Kohlendioxid nachhaltig nutzen

Bioökonomie und Lösungen für die Klimakrise sind eng verbunden. Auf der Konferenz CO2-WIN diskutierten Fachleute die Rolle von Kohlendioxid als Rohstoff.

Sybolisches CO2-Molekül in der Atmosphäre
Statt es in die Luft abzusondern, zielen die Forschungsprojekte im Programm CO2-WIN darauf ab, das Klimagas Kohlendioxid als Rohstoff nutzbar zu machen.

Kohlendioxid (CO2) hat als Treibhausgas einen schlechten Ruf. Der darin enthaltene Kohlenstoff ist jedoch zugleich die Basis für große Teile unserer Wirtschaft. Nachhaltige und innovative Wege der CO2-Nutzung könnten also das Klima entlasten und zugleich der Industrie nutzen. Genau das ist das Ziel der Fördermaßnahme „CO2 as a sustainable source of carbon – Pathways to industrial applications – CO2-WIN“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Auf einer ersten Statuskonferenz am 8. und 9. Juni 2021 gab es nun einen Überblick über Anwendungen und Forschungsprojekte im Bereich der CO2-Nutzung.

15 geförderte Forschungsprojekte

In ihrem Grußwort betonte Vera Grimm vom BMBF, der Kampf gegen den Klimawandel sei die größte Herausforderung unserer Zeit. Das Ziel Deutschlands sei es daher, bis 2045 klimaneutral zu werden. Als wichtige Maßnahmen benannte sie unter anderem die Nationale Wasserstoffstrategie und die Nutzung von CO2 als Ressource, die die Bundesregierung vorantreibe, indem sie aktuell 15 Forschungsprojekte dazu fördere.

Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung gab in ihrer Keynote einen Überblick über den Stand der Dinge. Darin stellte sie heraus, dass die aktuellen Ziele Deutschlands nicht im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel seien, sondern voraussichtlich zu einer Erwärmung von 2,1 Grad im Jahr 2100 führen würden. Die Industrie müsse daher noch schneller defossilisiert werden, CO2 dürfe nicht mehr in die Atmosphäre gelangen, sondern müsse als Rohstoff genutzt werden. Letzteres sei auch deshalb wichtig, weil andere Optionen zu „negativen Emissionen“ zwar ebenfalls wichtig seien, aber oft überschätzt würden. So müsse man beispielsweise bei der Pflanzung von Wäldern diese auch schützen und erhalten. Bioenergie und Kohlenstoffspeicherung (CCS) hätten den Nachteil, kostenintensiv zu sein oder im Konflikt mit der Nahrungsproduktion zu stehen. Die effizienteste Lösung zum Klimaschutz in allen Sektoren seien zweifellos erneuerbare Energien. Nicht zuletzt attestierte Kemfert der deutschen Industrie im Vergleich mit anderen europäischen Ländern eine Investitionslücke und einen Rückstand beim Wissenskapital.

Besser CO2 nutzen als vergraben

Sophia Hamblin Wang von der australischen Firma Mineral Carbonation International betonte den Unterschied zwischen Kohlenstoffspeicherung (CCS) und Kohlenstoffnutzung (CCU). Zwar sei heute die Größenordnung von CCS der von CCU weit voraus. Doch CCS sei ein lineares Verfahren, bei dem das CO2 vergraben würde und auf ewig bewacht werden müsse – also ein Prozess, der lediglich Kosten erzeuge. CCU hingegen sei ein zirkulärer Ansatz, der aus einem Abfallstoff Wert schöpfe. „CO2 kann aufgewertet und zu Materialien recycelt werden, die mit Gewinn verkauft werden können“, warb Wang. Besondere Unterstützung, CO2-neutral zu werden, bräuchten dabei Branchen wie Stahl, Zement, Chemie und Bergbau.

Mit Jan Skocek von HeidelbergCement stellte ein Vertreter einer dieser Branchen Herausforderungen und Ansätze vor. Calciumoxid (CaO) sei essenziell für die Betonherstellung und liege in stabiler Form in der Natur als Calciumcarbonat (CaCO3) vor. Damit entstehe im Prozess automatisch in großer Menge CO2 – etwa eine halbe Tonne je verarbeiteter Tonne Schlacke. Zum einen binde Beton im Laufe seines Lebens aber auch wieder etwas CO2, insbesondere nach dem Abriss. Skocek erläuterte, wie während des anschließenden Recyclings weiteres CO2 gebunden werden kann. Das Ziel müsse ein geschlossener Kreislauf von Calciumcarbonat, Kohlendioxid und Sand sein, der auch finanziell wettbewerbsfähig ist. Noch seien die nötigen Technologien jedoch nicht alle verfügbar und auch die so erzeugten Stoffe müssten erst noch Sicherheitstests und Zulassungen durchlaufen. Das Forschungsprojekt C2inCO2 verfolge diese Ziele.

Recycling in unterirdischen Reservoirs

Weitere vorgestellte Forschungsprojekte waren NuKos mit dem Ziel der Nutzung von CO2 aus Hochofenschlacke in der Metallherstellung, CO2LiPriSek mit dem Ziel der Karbonisierung lithiumhaltiger Rohstoffe durch CO2 sowie eine Reihe von Ansätzen, um CO2 als Ausgangsstoff in der chemischen Synthese zu nutzen.

Die Bioökonomie stand dann wieder im Vordergrund, als es um biotechnologische Ansätze ging, Kohlendioxid zu nutzen. Ungewöhnlich mutete dabei der Ansatz der DBI Gas- und Umwelttechnik an, die Hagen Bültemeier vorstellte. Das Unternehmen möchte Kohlendioxid und Wasserstoff in porösen unterirdischen Speichern zusammenführen und dort durch mikrobielle Reaktionen zu Methan verwandeln, das dann extrahiert und genutzt werden kann. Auf diese Weise ließe sich ein Recycling von CO2 mit der Nutzung von Wasserstoff als Energiespeicher verbinden, so Bültemeier. Wie geologische, lithologische und mikrobielle Faktoren dort hineinspielen, untersucht das Projekt Bio-UGS ebenso wie mögliche Korrosion an den technischen Vorrichtungen und die unterschiedlichen Löslichkeiten der Gase. Ziel ist schließlich die praktische Anwendung. Ein erstes Zwischenfazit: Je tiefer das Reservoir, desto homogener die Bedingungen.

Elektrosynthese und Biotechnologie

Elektrochemie und Biotechnologie verbindet das Projekt TRANSFORMATE, das Frank Kensy von b.fab präsentierte. Aus Wasser, CO2 und Strom aus erneuerbaren Quellen soll elektrochemisch Ameisensäure entstehen. „Ameisensäure ist der energetisch günstigste Weg, um CO2 und Wasserstoff in einer Flüssigkeit zu speichern, die vollständig wasserlöslich ist“, erläuterte Kensy. Die Ameisensäure dient dann mittels der synthetischen Biologie optimierten Mikroorganismen als Nahrung, um daraus Polyhydroxybuttersäure für Biopolymere und Crotonsäure für Polymethylmethacrylat herzustellen. Am Ende des Projekts sollen die Prozesse von Elektrolyseur und Bioreaktor in einer Anlage im Labormaßstab kombiniert werden.

Dirk Holtmann von der TH Mittelhessen erläuterte dazu passend den Stand der mikrobiellen Elektrosynthese. Der seit mehr als zehn Jahren untersuchte Ansatz ist vielversprechend, doch bislang sehr ineffizient. „Da der Elektronentransport lange nicht verstanden wurde, konnte er jedoch nicht optimiert werden“, erklärte Holtmann. Im Projekt GAMES soll sich das nun ändern. Darin sollen auch der Prozess optimiert und weitere Mikroorganismen identifiziert werden, die diese Fähigkeit auch bei höheren Salzkonzentrationen besitzen. Am Ende soll ein vollständig modellierter Herstellungsprozess stehen.

Den abschließenden Schwerpunkt der Konferenz bildeten die künstliche Photosynthese und andere photokatalytische Ansätze, um aus Sonnenlicht und CO2 nachhaltige Chemikalien und Treibstoffe herzustellen.

bl