iGEM Jamboree 2023: Vier deutsche Teams unter den Top 10
Beim großen Finale des iGEM-Wettbewerbs für Synthetische Biologie in Paris haben besonders die Hochschulteams aus Braunschweig, Dresden, Freiburg und Heidelberg gepunktet. Auch die anderen deutschen Teams kommen mit Spezialpreisen und Medaillen nach Hause.
Für den Grand Prize hat es zwar nicht gereicht, aber vier der 19 deutschen Teams hatten beim diesjährigen Finale des iGEM-Jamboree in Paris in der vergangenen Woche besonderen Grund zu jubeln: Beim wichtigsten weltweiten Wettbewerb für Schul- und Hochschulteams im Bereich der Synthetischen Biologie schafften es die Teams der TU Braunschweig, der TU Dresden sowie der Universitäten Freiburg und Heidelberg unter die Top 10 in der Kategorie Overgraduate, in der sämtliche deutschen Hochschulteams an den Start gehen. Insgesamt gab es für die deutschen Teams zahlreiche Spezialpreise und elf Gold-, sieben Silbermedaillen sowie eine Bronzemedaille.
Vom 2. bis 5. November 2023 hatten rund 400 Teams an der 20. Auflage des Wettbewerbs international genetically engineered machine (iGEM) teilgenommen. Auf der bisher größten Auflage des jährlichen Wettbewerbs für Schülerinnen und Schüler sowie Studentinnen und Studenten, die innerhalb eines Jahres ein eigenes Forschungsprojekt der Synthetischen Biologie konzipieren und verfolgen, kamen rund 5.000 Teilnehmende auf dem Messegelände der Pariser Expo zusammen. Vier Tage lang präsentierten sie ihre Projekte und tauschten sich über die aktuellen Trends und Entwicklungen der internationalen Szene angewandter Lebenswissenschaften aus.
Große Opening-Show am Mittwochmorgen
Das Jamboree wurde am Mittwochmorgen mit einer großen Opening-Show eröffnet. Während die am Wettbewerb teilnehmenden Teams über die ersten drei Tage ihre Arbeit an individuell gestalteten Ständen, den „Team-Booths“, vorstellten, konnten sich Besucherinnen und Besucher parallel auch an einer Vielzahl von Ständen von Unternehmen der internationalen Bioindustrie, Start-ups, Institutionen und Organisationen informieren.
Die Projekte der Teams wurden in diesem Jahr in insgesamt elf Forschungsbereiche, sogenannte „Villages“, eingeteilt, die sich auf die Bereiche „Planet“, „People“ und „Technology“ verteilten. Jedes Team stellte sein Projekt sowohl vor einer ausgewählten Fachjury als auch auf einer der sieben über das 27.000 Quadratmeter große Gelände verteilten öffentlichen Plaza-Bühnen vor allen Interessierten vor.
Vielzahl an Präsentationen, Workshops und Vorträgen
Neben dieser Vielzahl an Team-Präsentationen konnten Besucherinnen und Besucher außerdem an einer Vielzahl an weiteren Veranstaltungen und Angeboten teilnehmen, darunter gesonderte Workshops und Impulsvorträge von geladenen Gästen der akademischen und industriellen Forschung, ein separat organisierter Hackathon für Technologieinteressierte und diverse Networking Spaces. Eine Ausstellung illustrierte zudem eindrucksvoll die 20-jährige Geschichte und Entwicklung des größten Wettbewerbs der Synthetischen Biologie.
Zum zweiten Mal organisierte iGEM darüber hinaus – in diesem Jahr in Zusammenarbeit mit der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) – die „Responsibility Conference“, auf der Vertreterinnen und Vertreter der internationalen Forschung, Wissenschaftspolitik und weiterer Interessengruppen zusammenkamen. Die Teilnehmenden diskutierten die Zukunft verantwortungsbewusster Forschung mit den anwesenden Nachwuchsforschern. Weiterhin fand mit der „Bioinnovation Fair“ ein großes Event mit Workshops, Talks, und Start-up-Showcases statt. Deren Themen waren die Zukunft der Bioökonomie sowie die Bedeutung, Chancen und Weiterentwicklung innovativer Forschungsprojekte wie solcher innerhalb des iGEM-Wettbewerbs.
Am finalen Tag des Jamboree durften die besten Teams aus den Kategorien High School, Undergraduate und Overgraduate erneut ihre Projekte auf der ganz großen Bühne präsentieren, bevor in einer eindrucksvollen Award-Zeremonie die Preise des diesjährigen Wettbewerbs in den verschiedenen Bereichen vergeben wurden.
Spezialpreise für die deutschen Teams
Neben den Platzierungen der Teams aus Braunschweig, Dresden, Freiburg und Heidelberg unter den Top 10 gab es für die deutschen Teams einige weitere Auszeichnungen in der Kategorie Overgraduate: Das Team aus Heidelberg gewann den Preis für das beste Projekt aus dem Bereich Bioremediation. Das Team der TU Braunschweig wurde als bestes Diagnostikprojekt gekürt.
Außerdem wurden erneut Sonderpreise vergeben, welche besondere Leistungen in einzelnen Wettbewerbskategorien belohnen. Das Team aus Heidelberg räumt gleich zweimal ab: es gab den Special Award für den besten neuen Composite Part sowie den Preis für den größten Impakt für nachhaltige Entwicklung (Best Sustainable Development Impact). Das Team aus Marburg erhielt den Preis für das beste Projekt pflanzlicher Synthetischer Biologie. Das Hamburger Team wurde mit dem Preis für die beste Präsentation der Overgraduate-Teams ausgezeichnet, und das Team aus Münster erhielt den Inclusivity-Award.
Medaillen der deutschen Teams
Gold: Bielefeld, Braunschweig, Dresden, Freiburg, Frankfurt, Hamburg, Heidelberg, Kaiserslautern, Marburg, München (2x),
Silber: Aachen, Bonn-Rheinbach, Düsseldorf, Erlangen, Münster, Stuttgart, Tübingen
Bronze: Bochum
bioökonomie.de hat einige iGEM-Teams gebeten, ihre Eindrücke vom Grand Jamboree 2023 zu beschreiben. Hier kommen die erfolgreichen Teams aus Braunschweig und Heidelberg zu Wort:
Team Braunschweig – Lithiumtest für die Medizin
Mit dem Projekt Li+onSwitch entwickelte iGEM-Team der TU Braunschweig ein Riboswitch-basiertes System für die Detektion und Quantifizierung von Lithiumionen. Dieses System ist als Grundlage für ein Testsystem bestimmt, mit welchem Patientinnen und Patienten, die Lithiummedikation einnehmen, ihren Lithiumspiegel im Blut einfach und schnell bestimmen können. Die guten Ergebnisse des Braunschweiger Teams wurden auch von der Jury auf dem Grand Jamboree gewürdigt: Das Projekt wurde mit einer Goldmedaille sowie als bestes Projekt in der Kategorie „Best Diagnostic Project“ ausgezeichnet und platzierte sich in der Gesamtwertung unter den Top 10. Außerdem wurde das genetische Konstrukt aus Riboswitch und Reporter als „Best Composite Part“ nominiert. „Wir sind total überwältigt von dem Erfolg und freuen uns, dass sich unsere harte Arbeit ausgezahlt hat“, jubelte Teammitglied Ronja Friedhoff nach der Preisverleihung.
Smartes Kunststoffrecycling – Team Heidelberg
Ein erheblicher Teil des momentanen Plastikabfalls besteht aus gemischten Kunststoffen, die durch die heutigen Recyclingmethoden nur schwer oder gar nicht recycelt werden können. Das Team iGEM Heidelberg 2023 wollte genau dieses Problem lösen. Die von den Forschenden entwickelte Plattform ReMixHD besteht aus einer Co-Kultur von zwei Stämmen eines Bakteriums, das unterschiedliche Schritte des Recyclingvorgangs übernehmen und somit den Abbau von PE und PET und gleichzeitiges Upcycling ermöglichen (Herstellung des Biokunstoffs PHA). Um die Leistungen der Plattform in ihrer realen Anwendung abzuschätzen, hat das Team einen digitalen Zwilling von ReMixHD programmiert.
„Schon bei der Ankunft auf dem Gelände wussten wir, dass sich all die Mühe gelohnt hatte“, erzählt Alewtina Towara. „Wir waren uns bewusst, dass wir, unabhängig davon, wie wir abschneiden würden, sehr viele neue Eindrücke sammeln, viel Wissen dazugewinnen und mit ebenso für Synthetische Biologie begeisterten Menschen aus aller Welt in Austausch treten würden.“ Unbeschreiblich sei die Abschlussshow gewesen. Wie riesig die Freude des Teams über die Nominierung zum besten Projekt in der Kategorie Bioremediation in der Altersklasse Overgrade war, so unvorstellbar seien die Gefühle gewesen, als das Team als Gewinner verkündet wurde. „Gleiches galt für unsere Nominierungen für ‚Best Model’ und ‚Best Wiki‘ sowie als wir als Gewinner der Special Prizes ‚Best New Composite Part’ und ‚Best Sustainable Development Impact‘ bekannt gegeben wurden“ freut sich Towara. Krönender Abschluss sei natürlich der Moment gewesen, als Heidelberg bei „TOP 10 Teams Overgrade“ auf dem Bildschirm angezeigt wurde.
Team aus Estland räumt den Grand Prize ab
Als Grand Prize Sieger des diesjährigen Wettbewerbs wurden die Teams von Japan-United (Highschool-Kategorie), Estonia-TUIT (Overgraduate-Kategorie) und McGill (Undergraduate-Kategorie) ausgezeichnet. Das Team Japan-United arbeitet darauf hin, mittels Synthetischer Biologie das Bakterium Escherichia coli zu befähigen, drei Inhaltsstoffe der Safranpflanze herzustellen, die antidepressive Wirkung haben. Dabei haben sie zugleich ein Verfahren entwickelt, das es gentechnischen Verfahren erleichtern könnte, regulatorische Hürden zu nehmen: Es stoppt verlässlich das Wachstum von E. coli.
Das Team McGill hat ein personalisierte Behandlungsprinzip gegen Krebs entwickelt, das auf dem CRISPR-System Craspase beruht. Das zunächst gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs entwickelte Verfahren ist modular und soll sich auf andere Krebsarten übertragen lassen. Das Team Estonia-TUIT nutzt gentechnisch veränderte Hefezellen, um Bienen vor bestimmten Virusinfektionen zu schützen. Die Hefen produzieren ein RNA-Molekül, das mittels RNA-Interferenz die Vermehrung der Viren in den Bienenzellen verhindert.
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