Frankfurter Turbohefen vergären Abfälle zu Biosprit

Frankfurter Turbohefen vergären Abfälle zu Biosprit

Frankfurter Biotechnologen haben Hefen entwickelt, die erstmals zwei spezielle Zuckermoleküle gleichzeitig vergären können. Die Produktion von Bioethanol aus Pflanzenabfall lässt sich so beschleunigen.

Die Turbohefen aus Frankfurt können erstmals gleichzeitig zwei Arten von Zuckermolekülen, nämlich Glucose und Xylose,  zu Ethanol verwandeln. Damit ließe sich die industrielle Produktion von Biotreibstoffen der zweiten Generation beschleunigen und kosteng
Die Turbohefen aus Frankfurt können erstmals gleichzeitig zwei Arten von Zuckermolekülen, nämlich Glucose und Xylose, zu Ethanol

Hefen sind Leistungsträger der Biotechnologie: Da sie Zucker aus Biomasse zu Ethanol vergären können, sind sie nicht nur bei Biokraftstoffherstellern gefragt. Das Dilemma: Hefen schmeckt der Zucker Glucose besser als die aus Pflanzenresten gewonnene Xylose. Deshalb vergären sie den Abfallzucker erst dann zu Bioethanol, wenn es keine Glucose mehr gibt. Dieses mehrstufige Vorgehen verlängert die Produktionszeiten und verursacht höhere Kosten. Im Fachjournal PNAS (2014, Online-Vorabveröffentlichung) berichten Frankfurter Forscher um Eckhard Boles, wie sie den Hefen beigebracht haben, die beiden Zucker gleichzeitig zu verwerten. Auf dem Weg zum Biosprit der zweiten Generation wären die Turbohefen ein wichtiger Fortschritt. Die Studie wurde unter anderem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft unterstützt.

In Biokraftstoffe der zweiten Generation werden große Hoffnungen gesetzt, weil sie aus Abfallstoffen gewonnen werden können und somit nicht die ethischen Probleme der „Teller-Tank-Debatte“ aufwerfen. Zudem spart ihre Herstellung deutlich mehr Treibhausgase ein. Der Clou: In Pflanzenabfällen schlummern noch jede Menge Zuckermoleküle wie Cellulose, Hemicellulose und Xylose, die für die Biosprit-Produktion genutzt werden. Die Produktion von sogenanntem Cellulose-Ethanol ist inzwischen marktfähig geworden. Ende 2013 hat die Firma Beta Renewables in Norditalien die weltweit erste kommerzielle Produktion von jährlich etwa 75 Millionen Liter Bioethanol aus landwirtschaftlichen Reststoffen in Betrieb genommen. Weitere Großanlagen in den USA sollen im Laufe dieses Jahres folgen. In Deutschland betreibt das Unternehmen Clariant im bayerischen . Der Aufbau der Demonstrationsanlage wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit fünf Millionen Euro unterstützt.

Herkömmliche Hefen bevorzugen Glucose

Alle diese Technologien setzen auf genetisch veränderte Hefen, die in riesigen Tanks mit Zuckermolekülen wie Glucose und Xylose gefüttert werden und diese zu Ethanol vergären. Ein Knackpunkt: Die Hefen sind bei ihrer Kost äußerst wählerisch. „Das Problem liegt in der Zuckeraufnahme in die Hefezelle“, sagt Eckhard Boles vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. „Das Zuckertransportsystem bevorzugt die Aufnahme von Glucose. Erst wenn diese verbraucht ist, kann auch die Xylose aufgenommen und in Bioethanol umgewandelt werden“, erläutert Boles im Gespräch mit biotechnologie.de. Dieses mehrstufige Vorgehen wird zum Hemmschuh in der Produktion. Denn so dauert es wesentlich länger, bis die Zuckerbrühe in den Fermentern vergoren ist. Das macht die Verfahren unter dem Strich aufwendiger und verursacht höhere Kosten.

Transporter umfunktioniert, Blockade gelöst

Mikrobiologen wollen aus dem Vergärungs-Hintereinander ein Nebeneinander machen und sind schon seit mehr als 15 Jahren auf der Suche nach Transportsystemen, die bevorzugt Xylose aufnehmen und Glucose ignorieren. Bisher vergeblich: „In der Natur werden sämtliche Xylosetransporter von Glucose blockiert“, sagt Boles. Mithilfe molekularer Tricks hat das Team um Boles nun aber doch ein rein auf Xylose ausgerichtetes Aufnahmesystem in der Zellhülle von Hefen entdeckt. „Wir haben nach Mutanten gefahndet, bei denen ein ursprünglicher Glucose-Transporter so umgewandelt ist, dass er fortan nur noch Xylose, aber keine Glucose mehr transportieren kann“, erläutert Boles. 

Nach mehrjähriger Suche wurden die Frankfurter Forscher fündig. Den molekularen Aufbau ihres umfunktionierten Xylose-Transportsystems haben sie auch mit strukturbiologischen Daten aus anderen Labors abgeglichen und so weitere Erkenntnisse über die Funktionsweise gewonnen.

Kostengünstigere Produktion

Neben grundlegender Erkenntnisse eröffnen sich mit dem Fund neue Möglichkeiten für die Biosprit-Produktion. Verändert man nun die Hefen so, dass sie beide Transportsysteme besitzen, dann können sie in Zukunft die beiden Zucker Glucose und Xylose gleichzeitig und damit deutlich schneller zu Bioethanol umsetzen. Erste solche Versuche mit den Turbohefen sind bereits unterwegs. „Wir haben die neuen Xylose-Transporter bereits in unsere Industriehefen eingebracht“, sagt Boles. Allerdings gebe es in Hefezellen noch eine große Zahl alternativer Glucosetransporter, die die messbaren Effekte schmälerten. Das wollen die Forscher nun optimieren. Vor fünf Jahren sorgte Boles Team bereits für Schlagzeilen, weil es den Frankfurtern gelungen war, Hefen gentechnisch so . Über die in der Schweiz ansässige Firma Butalco, die Boles mitgegründet hat, wurde das Patent für die Xylose vergärenden Hefen im Jahr 2012 für mehrere Millionen Euro an das französische Unternehmen Lesaffre auslizensiert. Auch Weiterentwicklungen des nun veröffentlichten Xylose-Transportersystems will der Frankfurter Universitätsforscher patentieren lassen.

bb