Brücken aus Bioverbundwerkstoffen

Brücken aus Bioverbundwerkstoffen

Ein EU-Projekt erprobt nachhaltige Bauwerke aus Flachsfasern und Bioharz. Eine der drei Brücken soll in Ulm entstehen.

Brücke über einen Kanal
Die erste Brücke aus dem flachsbasierten Bioverbundwerkstoff steht in den Niederlanden in Almere.

Eine Brücke in die Zukunft schlagen – das haben die Projektbeteiligten im EU-Forschungsvorhaben „Smart Circular Bridge“ wörtlich genommen. Um das Nachhaltigkeitsdefizit vieler etablierter Baustoffe anzugehen, haben die Fachleute eine Geh- und Radwegbrücke aus einem Bioverbundwerkstoff entwickelt. Daran beteiligt ist auch die Universität Stuttgart.

Regenerativ, recyclingfähig und klimafreundlich

Baustoffe wie Stahl und Beton basieren auf nichtregenerativen Rohstoffen, sind in ihrer Herstellung mit hohen Treibhausgasemissionen verbunden und oftmals schlecht wiederzuverwerten. Der Bioverbundwerkstoff bei Smart Circular Bridge hingegen besteht vor allem aus Flachsfasern. Hinzu kommt ein Harz, das beim ersten Prototyp der Brücke noch zu einem Viertel biobasiert war, aber schon beim zweiten Exemplar 60% betragen soll. Diese Brücke soll voraussichtlich noch in diesem Jahr in Ulm errichtet werden. In Almere (Niederlande) steht das erste Exemplar, ein drittes soll im kommenden Jahr in Bergen op Zoom (Niederlande) entstehen.

Die Brücken sind jedoch mehr als nur eine Demonstration dessen, was mit Bioverbundwerkstoffen bereits heute möglich ist. Sie sind auch Forschungsprojekte. Denn jede Brücke weist rund 100 Sensoren auf. Diese messen das Materialverhalten in Echtzeit. Eine KI-basierte Software sucht in den Messdaten nach Mustern, die der menschlichen Auswertung vielleicht verborgen blieben. So wollen die Forschenden herausfinden, wie sich die Brücke verhält, wenn beispielsweise 200 Menschen gleichzeitig hinübergehen, und das Material den Jahreszeiten mit deren Wetterextremen ausgesetzt ist.

Auch das Lebensende im Blick

Die Erkenntnisse daraus sollen genutzt werden, um Material und künftige Brücken weiter zu optimieren. Außerdem untersuchen die Projektbeteiligten, wie sich das Baumaterial nach Jahrzehnten am Lebensende der Brücke wiederverwerten lässt. Drei Optionen finden dabei Betrachtung: mechanisches, chemisches oder sogar biologisches Recycling. Bei letzterem würde das Baumaterial durch einen Pilz zersetzt.

In Europa müssen in den kommenden Jahren Zehntausende Brücken ersetzt werden. „Das gesamte Projekt gibt einen wichtigen Impuls, wie alternative, auf Biomasse basierende und jährlich erneuerbare Ressourcen in der Bauindustrie eingesetzt werden können“, resümiert Hanaa Dahy von der Universität Stuttgart. „Mithilfe dieser Ressourcen wollen wir die großen Herausforderungen wie hohe CO2-Emissionen und einen hohen Energieverbrauch bei der Herstellung von Baumaterialien bewältigen.“

bl