Biotech-Branchentreff schafft neuen Besucherrekord

Biotech-Branchentreff schafft neuen Besucherrekord

Das jährliche Familientreffen im ersten Halbjahr des Jahres ist fest im Kalender der Biotech-Branche etabliert: Trotz Bahnstreik haben 860 Besucher den Weg zu den diesjährigen "Deutschen Biotechnologietagen" in Köln gefunden - ein neuer Rekord.

Die Gastgeber konnten zufrieden sein: Wieder haben die Biotechnologietage einen Teilnehmerrekord geknackt.
Die Gastgeber konnten zufrieden sein: Wieder haben die Biotechnologietage einen Teilnehmerrekord geknackt.

Das jährliche Familientreffen ist fest im Kalender der Biotech-Branche etabliert: Trotz Bahnstreik haben 860 Besucher den Weg zu den diesjährigen „Deutschen Biotechnologietagen“ in Köln gefunden – ein neuer Rekord. Die Veranstalter um BIO Deutschland, dem Arbeitskreis der BioRegionen und Gastgeber BIO.NRW zeigten sich rundum zufrieden mit der zweitägigen Konferenz, die vom 22. bis 23. April im Congress Zentrum der Messe Köln stattfand. Ob Finanzierung, Big Data oder Bioökonomie – an Gesprächsstoff mangelte es nicht.

„Wir haben hier das richtige Format für die deutsche „Biotechnologie-Community“ geschaffen“, bilanzierte Peter Heinrich, Vorstandsvorsitzender von BIO Deutschland. Mit zwanzig parallelen Foren war das Themenspektrum wieder breit aufgesetzt. Und auch Gastgeber BIO.NRW zeigte sich zufrieden.  „Wir wollen die 800-Marke bei den Teilnehmern knacken“, hatte Clustermanager Bernward Garthoff noch im Vorjahr angekündigt. Nun konnte er Vollzug melden. „Dabei war uns dieses Mal die Bioökonomie ein besonderes Anliegen“, betonte er. „Das Konzept der Bioökonomie feiert dieses Jahr zehnjähriges Jubiläum und das wichtige „Cologne-Paper“ dazu wurde 2007 hier in Köln vorgestellt.“

Definition der Bioökonomie erweitern 

Als einer der Keynote-Redner des ersten Tages warb der Vorsitzende des Bioökonomierates, Joachim von Braun, denn auch für eine möglichst umfassende Definition der Bioökonomie. So gehöre auch die medizinische Biotechnologie zur Bioökonomie, sagte er. Im vergangenen Jahrzehnt hätten sich die Voraussetzungen für den Ausbau der Bioökonomie erheblich verändert. Als vor acht Jahren unter deutscher Ratspräsidentschaft das Cologne-Paper „En Route to the Knowledge-Based Bio-Economy“ veröffentlicht wurde, seien die Erwartungen vor allem durch das vermeintliche Ende des Ölzeitalters und einen entsprechenden Preisanstieg geprägt gewesen. Angesichts der mittelfristigen Verfügbarkeit und der gesunkenen Preise für fossile Ressourcen stünden heute Innovation und Nachhaltigkeit stärker im Fokus als die bloße Substitution fossiler Ressourcen.

Gerade die Pharmaindustrie habe gezeigt, wie biologische Veränderungen einen Wirtschaftsbereich transformieren könnten. Therapeutische Proteine wie etwa Antikörper hätten neue Innovations- und Kooperationsmodelle hervorgebracht, wie sie für die Bioökonomie auch in anderen Branchen exemplarisch sein könnten. In Europa und Deutschland gehöre die medizinische Biotechnologie lediglich im Hinblick auf die Produktion zur Bioökonomie. Weite Bereiche blieben ausgeblendet – im Gegensatz zu Ländern wie den USA, Kanada, China oder Indien, die auch die medizinische Forschung und Therapien selbstverständlich in die Bioökonomie einbezögen. Die deutsche Position gelte es daher zu überdenken, forderte von Braun. Vor diesem Hintergrund betonte er auch die Bedeutung einer übergeordneten politischen Ebene, um die verschiedenen Bioökonomie-Ansätze auf globaler Ebene zu vernetzen. "Wir müssen die Basis für einen globalen Agendaprozess schaffen", sagte er mit Verweis auf den Global Bioeconomy Summit, zu dem der Bioökonomierat im November in Berlin einlädt.

Bioökonomie im Supermarkt

Dass Bioökonomie längst mit Alltagsprodukten aufwarten kann, darüber berichtete unter anderem die Firma Prolupin aus Mecklenburg-Vorpommern. Ihr auf der Basis von Lupinen hergestelltes Eis soll ab Mitte Mai in noch mehr deutschen Supermärkten erhältlich sein. Erst im November 2014 hatten die Macher für ihre Technologie Wie wichtig der konkrete Nutzen eines biobasierten Produktes ist und dass mitunter verschiedene Nachhaltigskeitsansprüche in Konkurrenz zueinander stehen, darüber wurde ebenfalls diskutiert. Umweltaktivistin und Greenpeace-Mitbegründerin Monika Griefahn unterstrich jedoch, dass die Bioökonomie in die internationalen Agenden zur Nachhaltigkeit und Klima aufgenommen werden sollte.  

Digitalisierung als Treiber der Biotechnologie

Großen Zuspruch erfuhr in diesem Jahr auch das Thema Big Data. „Die Digitalisierung ist derzeit der entscheidende Treiber der Biotech-Branche“, sagte Peer Schatz, Vorstandsvorsitzender von Qiagen, in seinem Keynote-Vortrag am ersten Tag. Der Chef des größten deutschen Biotech-Unternehmens betonte, dass man schon jetzt 50 Mio. Euro Umsatz mit der Bioinformatik erwirtschafte und jede zweite Neueinstellung damit verbunden sei. Der Beruf des "Data Scientist" könnte nicht bedeutend genug eingeschätzt werden, so Schatz. Vor allem mit Blick auf neue Therapieoptionen müssten die Datenmengen schließlich passgenau gefiltert werden. „Ärzte wollen Handlungsempfehlungen, diese müssen wir liefern“, sagte Schatz. Dass die Digitalisierung von hoher Relevanz für Pharmafirmen ist, unterstrich auch Monika Lessl von der Leverkusener Bayer AG. Die Expertin für Open Innovation stellte unter anderem den Grant4Apps-Wettbewerb vor, in dem der Pharmakonzern erfolgsversprechende eHealth-Startups auf den Weg bringen will und der in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal ausgelobt wird. Wie Pharma-,Biotech- und Medtechbranche immer mehr zusammenwachsen wurde erst jüngst in Berlin deutlich, als sich die Health-IT-Branche auf der Messe conhIT versammelte, um die neuesten

Finanzierungssituation in der Diskussion

Den größten Gesprächsstoff bot jedoch – wie auch schon in den Jahren zuvor – die aktuelle Finanzierungssituation der Branche. So fielen die jüngsten, von biotechnologie.de veröffentlichten Kennzahlen Noch nie wurde soviel Umsatz erwirtschaftet. Für Aufwind sorgten zudem der Einstieg von Bill Gates bei der und der Millionendeal von Viele Besucher nutzten auf den Biotechnologietagen die Gelegenheit, sich diese Erfolgsgeschichten von den Protagnosten noch einmal selbst erzählen zu lassen: Entsprechend groß war der Andrang bei den Vorträgen von Ingmar Hoerr  und Claus Kremoser. Mit Blick auf die allgemeine Finanzierungslage zog Michael Brandkamp vom High-Tech-Gründerfonds eine positive Bilanz: „Wir sehen für unsere Life-Sciences Firmen eine hohe Zahl an Anschlussfinanzierungen aus allen Kapitalquellen.“ So seien Business Angels, Corporate Venture Fonds und Wagniskapitalgeber zu gleichen Teilen bei Serie-A-Finanzierungen vertreten. Vor allem ausländische Investoren seien in Deutschland zunehmend aktiv.

Mehr Privatkapital mobilisieren

Einig waren sich die meisten Diskutanten, dass künftig noch mehr Privatkapital mobilisiert werden muss. „Das Interesse ist da“, sagte zum Beispiel Roland Oetker, allerdings hapere es an der breiten Aktzeptanz solcher Investitionen. „Sie müssen ihre Geldanlage abends ihrer Frau erklären können“, erläuterte er. Leider sei die Biotechnologie aber noch kein gutes Partygespräch, kritisierte Oetker. Jedoch könne der Einstieg von Gates eine Trendwende sein. Als zusätzliches Finanzierungsinstrument wurde auch Crowdinvesting diskutiert. Erst im April hatte die  Biotech-Firma Metabolomic Discoveries über die Crowdfunding-Plattform Indiegogo 50.000 Euro eingeworben. Damit wollen die Potsdamer mit Massenspektrometrie-Analysen  Seit September 2014 suchen die Rostocker Forscher der Firma Neuroproof auf der Crowdfunding-Plattform Es ist das zweite Mal, dass  die Rostocker mittels Crowdfunding Geld einsammeln wollen. Bereits im Herbst 2013 hatten die Neurospezialisten dieses Finanzierungsformat ausprobiert - damals mit Erfolg, wie Firmenchef Olaf Schröder in Köln berichtete. Bei der Plattform Deutsche Mikroinvest können sich Interessierte in Form eines Nachrangdarlehens am Erfolg des Unternehmens beteiligen. Der minimale Investionsbetrag sind 250 Euro. Bei einer Mindestlaufzeit von fünf Jahren erhalten Investoren einen Basiszins von 8,5 Prozent. "Wir sind regelmäßig mit unseren 300 Anlegern in Kontakt, berichten im Blog über unsere Fortschritte und laden sie auch immer wieder zu uns in die Firma ein", so Schröder. Auch neue Kunden seien über die Plattform bereits auf ihn aufmerksam geworden.

BMWi: Verlustvorträge in Angriff nehmen

Erstmals war auch das Thema Börse wieder konkret auf der Veranstaltung präsent: Stefan Höfer von der Deutschen Börse berichtete Details zur geplanten vorbörslichen Plattform, die im Sommer starten soll und wachstumsstarken Firmen mit Kapitalbedarf den Zugang zu Investoren erleichtern soll. Bei der Podiumsdiskussion am zweiten Tag stellte Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, eine Änderung bei den gesetzlichen Regelungen zu Verlustvorträgen in Aussicht. Denn nur mit Neuregelungen wie diesen, so die weit verbreitete Meinung der Branchenvertreter, könnte der aktuelle Aufwärtstrend auch nachhaltig wirksam werden. „Die Bundesregierung will hierzu Gespräche mit der EU-Kommission in Brüssel aufnehmen“, sagte Machnig. Zudem kündigte er ein neues  Venture-Capital Gesetz noch in dieser Legislaturperiode an.  All zu große Hoffnungen in schnelle Schritte hatte jedoch kaum jemand. Vielmehr setzen die meisten darauf, trotz der aktuellen Rahmenbedingungen zu wachsen. Karsten Henco, erfahrener Biotech-Seriengründer und Investore, lobte die deutschen Gründer, dass sie inzwischen gelernt hätten, die richtigen Dinge zu tun und die Dinge richtig zu tun.

Fördergelder und Preise

Dass es an vielfältigen Ideen nicht mangelt, wurde in den Symposien  der Bundesregierung deutlich. Hier präsentierten rund 30 Projektleiter die Ergebnisse von Biotech-Projekten aus der Bioökonomie und Gesundheitswirtschaft, die durch das Bundesforschungs- oder Bundeswirtschaftsministerium gefördert wurden.  Verteilt über vier Sessions berichteten sie über Ergebnisse aus der Pflanzenzüchtung, der Verfahrenstechnik, von neuen Plattformtechnologien  und therapeutischen sowie diagnostischen Ansätzen. Darüber hinaus gab es Details zu aktuellen Fördermaßnahmen des BMBF - wie die siebte Runde des GO-Bio-Wettbewerbs und die zweite Runde des Wettbewerbs "Neue Produkte in der Bioökonomie". Auch die neue Richtlinie der BMWi-Fördermaßnahme Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) wurde vorgestellt. Nicht fehlen durfte auch die Auszeichnung der Gewinner des diesjährigen Innovationspreises der Bioregionen. Die drei Preisträger wurden bei der Abendveranstaltung in der Flora Köln offiziell vorgestellt: Unter den 34 Einreichungen konnten sich ein Team um Professor Mack vom Universitätsklinikum Regensburg (Autoimmunerkrankungen), das Team um Dr. Schwarz von der Technischen Universität München (Biomasse) sowie ein Team um Prof. Hörauf vom Universitätsklinikum Bonn (Neues Antibiotikum gegen Wurm-Erkrankungen) durchsetzen.

Biotechnologietage 2016 in Leipzig

Die Messlatte für die Deutschen Biotechnologietage 2016 ist damit gesetzt, als nächster Gastgeber präsentierte sich das sächsische Biotech-Netzwerk biosaxony. Geschäftsführer André Hofmann gab sich hoffnungsvoll, auch im nächsten Jahr wieder ein attraktives Programm auf die Beine zu stellen. Es gilt, sich schon jetzt den 10. bis 11. Mai für einen Besuch in der traditionsreichen Messestadt Leipzig im Kalender zu markieren.