Biologisch abbaubare Muskeln für Roboter
Für mehr Nachhaltigkeit in der Soft-Robotik hat ein Max-Planck-Forschungsteam künstliche Muskeln aus Gelatine, Öl und Biokunststoff entwickelt.
Wer an einen Roboter denkt, hat im ersten Moment vielleicht eine Maschine aus Metall vor Augen. Doch selbst wer an moderne Roboter im Kunststoffgehäuse oder sogar mit einer Verkleidung aus künstlicher Haut denkt, assoziiert mit der Maschine vermutlich keine Muskeln. Das könnte jedoch ein Fehler sein: Ein internationales Forschungsteam hat künstliche Muskeln entwickelt, die Robotern Bewegungen ermöglichen sollen. Der besondere Clou: Die Muskeln sind biobasiert und biologisch abbaubar.
Roboter für den Kompost
„Wir sehen einen dringenden Bedarf an nachhaltigen Materialien im Bereich der Soft-Robotik“, erläutert Ellen Rumley, Gastwissenschaftlerin der University of Colorado am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme (MPI-IS) in Stuttgart. „Biologisch abbaubare Komponenten bieten eine nachhaltige Lösung, insbesondere für Einweganwendungen bei medizinischen Behandlungen, für Such- und Rettungseinsätze und beim Umgang mit gefährlichen Substanzen. Anstatt am Ende der Produktlebensdauer auf Mülldeponien zu landen, enden die Roboter der Zukunft auf dem Kompost.“
Gemeinsam mit einem Team der Johannes-Kepler-Universität Linz (JKU) haben die Fachleute der beiden Forschungseinrichtungen einen Muskel aus Gelatine, Öl und Biokunststoff entwickelt. Der Muskel namens „HASEL“ (Hydraulically Amplified Selfhealing Elektrostatic Artifical Muscel) ist im Prinzip ein mit Pflanzenöl gefüllter Kunststoffbeutel mit Elektroden an beiden Seiten. Wird daran eine Hochspannung angelegt, verschiebt sich das Öl im Inneren und der Beutel zieht sich wie ein echter Muskel zusammen.
Funktional gleichauf mit nicht-biobasierten Pendants
Der erste Entwicklungsschritt war die Elektrode: „Für uns war es wichtig, Elektroden zu entwickeln, die einer Hochspannung standhalten und gleichzeitig aus natürlichen Komponenten bestehen. Da unsere biologisch abbaubaren Muskeln leicht in verschiedene Systeme integriert werden können, sind sie ein idealer Baustein für zukünftige biologisch abbaubare Roboter“, erklärt David Preninger von der JKU. Am Ende wurde es eine Mischung aus Gelatine und Salzen, aus der die Elektroden bestehen. Anschließend suchte das Team geeignete Biokunststoffe und fand gleich mehrere Kandidaten, die eine hohe Leitfähigkeit besaßen und mit den Elektroden harmonierten.
In den Tests bewies der Muskel dann, dass er sich bis zu 100.000 Mal bei mehreren Tausend Volt Spannung zusammenziehen und wieder entfalten kann, ohne an Funktion zu verlieren. Damit ist der biologisch abbaubare künstliche Muskel mit nicht-biologischen Pendants gleichauf. Rumley stimmt das optimistisch: „Die Tatsache, dass wir mit Biokunststoffen so gute Ergebnisse erzielt haben, motiviert hoffentlich auch andere Materialwissenschaftler:innen, nachhaltig zu denken.“ Weitere Details hat das Forschungsteam dazu im Fachjournal „Science Advances“ publiziert.
bl