Bioethanol für die Hygiene-Industrie

Bioethanol für die Hygiene-Industrie

In der Corona-Krise sind Desinfektionsmittel ein knappes Gut. Deutsche Bioethanolhersteller steuern um und produzieren nun den Alkohol verstärkt für Hygienemittel statt für Benzin.

Am Unternehmenssitz in Zörbig stellt die Verbio AG Bioethanol zur Beimischung in Benzin her. Nun wird auch Desinfektionsmittel produziert.
Am Unternehmenssitz in Zörbig stellt die Verbio AG Bioethanol zur Beimischung in Benzin her. Nun wird auch Desinfektionsmittel produziert.

Bioethanol ist ein Alkohol, der entweder aus Getreide oder Zuckerrüben sowie aus Agrarresten gewonnen wird. In einer Bioethanol-Fabrik gibt es große Tanks, in denen Hefen die zuckerhaltige Biomasse zu Ethanol vergären. Bioethanol wird Benzin beigemischt und ist als Super-E10 an den Tankstellen erhältlich. 

Doch in der Corona-Krise ist Bioethanol plötzlich zum enorm nachgefragten Grundstoff für die Hersteller von Desinfektionsmitteln geworden. Vor dem Hintergrund der Versorgungsengpässe für Neutralalkohol haben die deutschen Behörden, wie in Frankreich und Österreich, unter der Voraussetzung bestimmter Qualitätsanforderungen auch technischen Alkohol - zu dem Bioethanol zählt - für die Nutzung in Desinfektionsmitteln freigegeben. Zahlreiche Bioethanolproduzenten haben deshalb ihre Produktion in kürzester Zeit umgestellt. 

Produktionsstrecke umgerüstet

So hat der Biokraftstoffhersteller Verbio eine Teilstrecke seiner Bioethanol-Anlage am Unternehmenssitz in Zörbig in Sachsen-Anhalt binnen weniger Tage auf die Herstellung eines eigenen Handdesinfektionsmittels umgestellt. Dafür hat sich Verbio eine Sondergenehmigung von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin eingeholt. Die Umstellung der Produktionsstrecke aber auch die Abfüllung der Desinfektionsmittel waren eine Herausforderung, wie der Geschäftsführer des Zörbiger Werks, Wolfram Klein, einräumt: „Bioethanol, der als Biokraftstoff verwendet wird, ist nicht geschmacks- und geruchsneutral. Der gesamte Herstellungsprozess musste umgestellt werden, um diese wichtige Anforderung zu erfüllen.“

Neben einer neuen 24-Stunden-Abfüllung musste zudem die Verpackungslogistik völlig neu eingerichtet werden. „Normalerweise liefern wir unser Bioethanol in Tankzügen oder Tank-LKW an unsere Kunden, die Mineralölunternehmen. Jetzt bieten wir Desinfektionsmittel in 10-Liter und 20-Liter Kanistern und 220-Liter Fässern an“, so Klein. Derzeit werden 40.000 Liter pro Woche hergestellt, wie das Unternehmen mitteilt. Die Produktionsmengen sollen jedoch schrittweise hochgefahren werden, um die Anfragen von Krankenhäusern und Apotheken bedienen zu können. Nach Einschätzung des Unternehmens stehen bis auf Weiteres Bioethanol in ausreichenden Mengen für die Desinfektionsmittelproduktion zur Verfügung. Das neue Desinfektionsmittel können Krankenhäuser und Apotheken ab sofort bestellen.

Bioethanol-basiertes Desinfektionsmittel von Verbio im Labortest.

Desinfektionsmittel Verbio

Clariant liefert Bioethanol aus Stroh

Der Spezialchemiekonzern Clariant lieferte kürzlich auf Anfrage der bayerischen Regierung 40.000 Liter Bioethanol aus seiner Straubinger Bioraffinerie, in der Ethanol aus Stroh gewonnen wird. Im Chemiepark Gendorf wurde die Lösung zu gebrauchsfertigem Desinfektionsmittel gemischt.

Der Mannheimer Bioethanolhersteller CropEnergies AG hat ebenfalls seine Produktion teilweise von Kraftstoffalkohol auf Neutralalkohol umgestellt. CropEnergies ist nach eigenen Angaben nicht nur der größte europäische Hersteller von nachhaltig erzeugtem technischem Ethanol, sondern auch Hersteller von besonders aufgereinigtem, trinkbarem Neutralalkohol für pharmazeutische Anwendungen, Kosmetik oder Getränke. Allein am Standort Zeitz stellt die CropEnergies derzeit täglich rund eine Million Liter Alkohol her.

bb, pg