Per Genschere zu nikotinfreiem Tabak

Per Genschere zu nikotinfreiem Tabak

Biochemiker der TU Dortmund haben mittels Genome Editing Tabakpflanzen gezüchtet, die kaum mehr nachweisbare Spuren von Nikotin enthalten.

Tabak
Die nikotinfreien Tabakpflanzen der Dortmunder Forscher wachsen bisher nur im Gewächshaus. Sie produzieren um den Faktor 400 weniger Nikotin als Tabak auf dem Acker.

Nikotin ist entscheidend dafür, dass Zigaretten süchtig machen. Darüber hinaus ist das natürlicherweise in Tabakpflanzen vorkommende Nervengift auch gesundheitsschädlich. Zwei Biochemiker der TU Dortmund haben nun gezeigt, dass es möglich ist, Tabakpflanzen zu erzeugen, deren Nikotingehalt auf die Nachweisgrenze reduziert ist. Das würde es Betroffenen erleichtern, von ihrer Sucht loszukommen.

400 Mal weniger Nikotin

Statt 16 Milligramm enthält ein Gramm des neuen Tabaks nur noch 0,04 Milligramm Nikotin, berichten die TU-Forscher Felix Stehle und Julia Schachsiek im Fachjournal „Plant Biotechnology“. „Mit nikotinfreien Zigaretten können sich die Unternehmen einen zusätzlichen Markt erschließen“, erläutert Stehle, „nämlich den Markt der Raucher, die aufhören wollen, und der Menschen, die ihre Raucherrituale beibehalten, aber gleichzeitig schädliches Nikotin vermeiden wollen.“ Wie recht er damit zu haben scheint, zeigt die Einladung zur internationalen Leitmesse der Branche „Intertabac“ in Dortmund, wo der Biochemiker am vergangenen Wochenende die Forschungsergebnisse präsentiert hat.

Nikotingene mit CRISPR-Cas9 stillgelegt

Die Biochemiker identifizierten zunächst eine Gensequenz, die in sechs wesentlichen Genen der Nikotinerzeugung der Tabaksorte „Virginia Smoking Tobacco“, nicht aber in anderen Genen vorkommt. Mit der Genschere CRISPR-Cas9 zielten die Forscher auf diese Gensequenz und sorgten so dafür, dass diese Gene ihre Funktion verlieren. In der Studie fanden sich keine Hinweise darauf, dass der Eingriff andere Stoffwechselfunktionen der Tabakpflanze beeinträchtigt. Und – anders als bei bisherigen Versuchen, die Nikotingene auszuschalten – erzeugten die Pflanzen keine erhöhten Mengen anderer Alkaloide.

Diesmal wirklich „light“

Wer sich nun fragt, ob es mit „Light“-Zigaretten nicht schon einmal einen ähnlichen Ansatz gegeben habe, der irrt, wie die Forscher erklären: Sogenannte Light-Zigaretten hatten lediglich einen speziellen Filter, der mehr Luft beimischte und so die Nikotinkonzentration je Zug verringerte. Die tatsächliche Menge Nikotin in der Zigarette unterschied sich nicht, weshalb Light-Zigaretten nach juristischen Auseinandersetzungen vom Markt genommen wurden.

Anbau in der EU nicht möglich

„Nach unserem Verständnis ist die Pflanze nach der Behandlung gentechnikfrei“, betont Stehle, allerdings sieht das die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) anders. Ein Anbau der nikotinfreien Pflanzen wäre daher innerhalb der EU nicht möglich. Möglich hingegen wäre es, die Methode nun auf weitere Sorten der Tabakhersteller anzuwenden, um diese ebenfalls an der Nikotinbildung zu hindern. Statt der drei Jahre Entwicklungszeit wären künftig nur noch 18 Monate erforderlich, schätzt Stehle.

bl