Erster Muschelkatalog zeigt Artensterben in Europa

Erster Muschelkatalog zeigt Artensterben in Europa

Muscheln sind die natürlichen Kläranlagen der Gewässer. Doch vielerorts sterben Arten aus. Deutsche und portugiesische Forscher haben nun erstmals den Bestand der Süßwassermuscheln in Europa erfasst.

Dass die Flussperlmuschel  noch nicht ausgestorben ist, hat sie ihrem hohen Alter zu verdanken. Sie wird über 100 Jahre alt.
Dass die Flussperlmuschel noch nicht ausgestorben ist, hat sie ihrem hohen Alter zu verdanken. Sie wird über 100 Jahre alt.

Muscheln sind die natürlichen Kläranlagen der Gewässer. Doch vielerorts sterben Arten aus. Deutsche und portugiesische Forscher haben nun den Bestand  der Süßwassermuscheln in Europa erstmals katalogisiert und auch deren Bedeutung für das aquatische Ökosystem herausgestellt. In der im Fachjournal Biological Reviews (2016, Online-Vorabveröffentlichung) erschienenen Studie berichten sie, wo welche der insgesamt 16 Muschelarten zu finden sind, welche Gefahren  das Überleben der Schalentiere bedrohen und wie die winzigen Wasserlebewesen vorm Aussterben geschützt werden können. Das Projekt, an dem Forscher aus 26 europäischen Ländern beteiligt waren, wurde von Wissenschaftlern der Technischen Universität München und vom Zentrum für Meeres- und Umweltforschung (CIMAR) in Porto koordiniert.

Die Flußperlmuschel Margaritifera margaritifera ist mit zehn Zentimetern eine der größten Süßwasser-Muscheln. Doch in Europas Gewässern sind sie immer seltener zu finden, obwohl sie über 100 Jahre werden kann. Wie viele ihrer Artgenossen ist auch die Flußperlmuschel vom Aussterben bedroht. Die eher unscheinbaren Lebewesen haben jedoch eine enorme Bedeutung für das Ökosystem. Sie machen 90 Prozent der Biomasse am Boden eines Gewässers aus und halten es sauber. Muscheln sind sozusagen die natürlichen Kläranlagen der Gewässer. „Da eine Muschel allein täglich bis zu 40 Liter Wasser filtert, profitiert auch der Mensch von den Ökosystemdienstleistungen der Muscheln“, erklärt Jürgen Geist vom Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie der TU München.

16 Muschelarten katalogisiert

Gemeinsam mit Manuel Lopes-Lima und Ronaldo Sousa vom Zentrum für Meeres- und Umweltforschung (CIMAR) in Porto hat der Münchner Biologe in den vergangenen Jahren ein Projekt koordiniert, in dem Wissenschaftler aus 26 europäischen Länder die Muschelfauna in Süßwassern analysierten. Im Ergebnis entstand ein Katalog, der erstmals den tatsächlichen Bestand von 16 Muschelarten und deren Lebensräume abbildet. „Ein Ergebnis der europaweiten Untersuchung ist der große Unterschied zwischen Nord und Süd. Es existieren im Norden Europas wie etwa in Skandinavien, weniger Arten, dafür aber größere Populationen“, erläutert Geist.

Viele Spezies bedroht

Die im Fachjournal "Biological Reviews" veröffentlichte Studie zeigt damit erstmals deutlich auf,  wo welche Spezies tatsächlich bedroht ist und welche Auswirkungen das Artensterben auf das gesamt Ökosystem der Gewässer hat. „Stirbt dann im Süden an nur einem Standort eine Muschelpopulation aus, kann dies bereits die Hälfte des weltweiten Bestands sein“, erläutert der Münchner Forscher.

Die großen Gefahren der Muschelwelt

In ihrer Studie listen die Autoren zugleich die größten Bedrohungen für die Muschelwelt auf. Danach werden die Unterwasserlebewesen vor allem durch Staudämme, Wehre und Talsperren, durch Perlfischerei und den Verlust der Wirtsfische aber auch durch Verschmutzung und Überdüngung sowie  Wasserentnahme und Klimawandel in ihrer Existenz gefährdet. Die Forscher kommen daher zu dem Schluss: Um das aquatischen Ökosystem zu erhalten, müssen Süßwassermuscheln und Gewässer mit hoher Population besonders geschützt werden. Die Autoren schlagen vor, dafür wissenschaftlich fundierte Pläne mit einem klar definierten Ziel aufzustellen. „Da eine Muschel sehr abhängig von ihrem Wirtsfisch ist und diese zunehmend weniger werden, sollte ein weiteres Augenmerk auf den Fischbeständen liegen, selbst wenn so manche Fischart keinen hohen ökonomischem Wert hat “, rät Jürgen Geist vor.