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Mit der „Halbzeitkonferenz Bioökonomie“, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung am 5. Juni im ewerk in Berlin veranstaltet hat, zog die Regierung eine erste Bilanz der Ende 2010 gestarteten „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“. Bundesforschungsministerin Johanna Wanka nutzte die Gelegenheit, den  Aktionsplan „Wegweiser Bioökonomie“ vorzustellen, der die künftigen Förderleitlinien der nächsten drei Jahre darlegt. In der Ausstellung „Bioökonomie im Alltag“ wurden mehr als 40 Produkte gezeigt, die schon heute biobasiert hergestellt werden.

Es ist die größte Konferenz zur Bioökonomie in Deutschland, die Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zusammenbringt, um über die aktuellen Herausforderungen und künftigen Perspektiven einer biobasierten Wirtschaft zu diskutieren. Welche wirtschaftliche Perspektive bietet die Bioökonomie für Unternehmen unterschiedlicher Branchen? Was bringt die Bioökonomie mit Blick auf den Klima- und Umweltschutz? Was können technologische Innovationen leisten? Kurzum: Wie lassen sich Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit verbinden? Und wie ist Deutschland – auch im internationalen Vergleich – positioniert?

Wanka: "Bioökonomie muss an Fahrt gewinnen"

Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Podiumsdiskusionen, Projektpräsentationen und Workshops. Die anwesenden Regierungsvertreter zogen zu Beginn eine positive Bilanz des bisher Erreichten. „Mit unserer Forschungsstrategie haben wir gezeigt, dass es möglich ist, viele Produkte mit erneuerbaren Ressourcen herzustellen“, sagte Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung (BMBF), auch mit Blick auf die Ausstellung „Bioökonomie im Alltag“, die begleitend zur Konferenz die Bandbreite der schon heute im Markt verfügbaren biobasierten Produkte aufzeigt. Forschungs- und Entwicklungsarbeiten hätten hierbei vielfach die Basis geschaffen, betonte Wanka. Mit der ressortübergreifenden "Nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie 2030", die nach drei Jahren Laufzeit die Hälfte ihrer Laufzeit hinter sicher hat, sieht sie zwar den richtigen Rahmen gesetzt. Dennoch müsse die Bioökonomie noch mehr an Fahrt gewinnen. „Die Bioökonomie geht uns alle an. Für die nächsten Jahre gilt es, den bereits begonnenen Wandel in Richtung nachhaltige Wirtschaftsweise zu beschleunigen und in der Breite zu verankern.“ Hierfür legte das BMBF neue Förderleitlinien in einem „Wegweiser Bioökonomie“ vor (Mehr Informationen: ). Sozioökonomie, gesellschaftlicher Dialog und neue Rahmenbedingungen für Innovationsbündnisse sollen künftig mehr Gewicht erhalten.

Prämierung fünfter Allianz "Innovationsinitiative Industrielle Biotechnologie"

Gleichzeitig wurde mit der Allianz unter Federführung von Sartorius ein weiteres Konsortium vorgestellt, das mit Unterstützung des BMBF im Rahmen der "Innovationsinitiative industrielle Biotechnologie" den Ausbau der biobasierten Wirtschaft vorantreiben soll. BMBF-Staatssekretär Thomas Rachel prämierte Sartorius-Forschungschef Oscar-Werner Reif auf der Konferenz stellvertretend für alle rund 20 beteiligten Partner der Allianz.

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt betonte in diesem Zusammenhang auch die Nationale Politikstrategie Bioökonomie, die sein Haus federführend im Sommer 2013 veröffentlicht hatte. „Die Bioökonomie verknüpft wie kein anderes Thema die ländlichen Räume und die Land- und Forstwirtschaft mit den Schwerpunkten der politischen Agenda der Bundesregierung“, so Schmidt. „Die erfolgreiche Fortführung der Energiewende, die Sicherung der Rohstoffversorgung unserer Wirtschaft, der Klima- und Naturschutz und nicht zuletzt die Verantwortung, eine wachsende Bevölkerung mit ausreichender und gesunder Nahrung zu versorgen – die Bewältigung dieser Schlüsselaufgaben ist ohne die biobasierte Wirtschaft nicht denkbar.“

Bioökonomierat begrüßt Wegweiser Bioökonomie 

Der Bioökonomierat begrüßte die Pläne der Bundesregierung für die weitere Ausgestaltung der Nationalen Forschungsstrategie, mahnte jedoch in einem Strategiepapier an, eine Balance zwischen Klima- und Umweltzielen sowie Ausbauzielen der Wirtschaft zu wahren. Hierfür sei eine „richtige dosierte“, langfristig orientierte und koordinierte Politik nötig, welche die Bereiche Bildung, Forschung, Wirtschaft, Konsum, internationale Zusammenarbeit, Infrastruktur und Umwelt einbezieht, so das Expertengremium. „Im Wegweiser werden wichtige Instrumente auf dem „richtigen“ Weg in die Bioökonomie formuliert. Sie decken sich mit Empfehlungen des Bioökonomierates“, kommentierte Christine Lang, Vorsitzende des Rates. Nun müssten auch entsprechende Taten folgen. „Investition in bioökonomische Innovation bleibt zentral in der Umsetzung. Dazu bedarf es jedoch vermehrter ressortübergreifend abgestimmter Maßnahmen und auch Koordination mit den Ländern“, so Joachim von Braun, Vorsitzender des Rates. 

Angesichts eines weltweit steigenden Bedarfs an biobasierten Rohstoffen für Ernährung und technische Nutzung müssen die Produktivität und Effizienz im Anbau pflanzlicher Biomasse gesteigert werden. Zu diesem Schluss kommt der Bioökonomierat, ein beratendes Expertengremium für die Bundesregierung, in einer am 3. Juli erschienen Empfehlung zur Förderpolitik im Bereich Pflanzenforschung. Um zu Pflanzensorten mit höheren Erträgen und besserer Anpassungsfähigkeit zu gelangen, sind den Autoren zufolge unter anderem biotechnologische Methoden und Präzisionszüchtung, aber auch ein besseres Verständnis der existierenden genetischen Vielfalt der Pflanzen unverzichtbar.  

Die Pflanzenzüchtung ist ein wichtiger Bestandteil auf dem Weg in die biobasierte Wirtschaft. Neue Pflanzen müssen mit weniger Wasser, Nährstoffen sowie chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln oder Dünger auskommen. Darüber hinaus muss die Optimierung pflanzlicher Inhaltsstoffe für die Ernährung von Mensch und Tier, die Verarbeitung in der Industrie für technische Zwecke und die energetische Verwertung ein Kernthema der Pflanzenforschung sein. Damit folgt die Pflanzenzüchtung ambitionierten Zielen. Fortschritte in den Lebenswissenschaften, insbesondere in der Physiologie und Genetik, eröffnen jedoch – auch jenseits der Gentechnik – Chancen, Züchtungsabläufe zu beschleunigen und Pflanzen zu entwickeln, so dass Ernteverluste durch Krankheitserreger und Schädlinge auf dem Feld, im Lager und beim Transport verringert werden.

Food first als Leitmotiv

„Im Rahmen einer nachhaltigen Bereitstellung und Nutzung von biobasierten Rohstoffen geht die Ernährung vor. Ertragssteigerungen dürfen darüber hinaus nicht dazu führen, dass der ökologische Fußabdruck der Landwirtschaft wächst“, betont der Pflanzenzüchtungsexperte Léon Broers, Leiter der Arbeitsgruppe „Rohstoffe, Umwelt und Natur“ des Bioökonomierates. Broers ist einer von insgesamt fünf Bioökonomieratsmitgliedern, die für das Papier verantwortlich zeichnen.

Es komme darauf an, die Produktions- und Nutzungseffizienz in der Landwirtschaft nachhaltig zu erhöhen, heißt es in dem Papier. Es gelte daher, Pflanzen mit höheren Erträgen, besserer Anpassungsfähigkeit und vermindertem Ressourcenbedarf zu entwickeln. Dazu gehörten etwa Pflanzen, die phosphateffizienter gedeihen oder mit Hilfe mikrobiologischer Systeme und Symbiosen Nährstoffe besser erschließen können.

Biotechnische Züchtungsmethoden gefragt

Um solche Züchtungsziele zu erreichen, erachten die Bioökonomieratsexperten die „Entwicklung und Anwendung neuer biotechnologischer Methoden zur gezielten Einbringung spezifischer Pflanzenmerkmale für (...) unverzichtbar“. Die Präzisionszüchtung auf der Basis molekularbiologischer Analysen zählt genauso in diese Reihe wie auch die Erforschung der genetischen Vielfalt in der Natur und der Aufbau von Genbanken und Samenarchiven. Als kritisch erachtet der Bioökonomierat, dass die modernen Kenntnisse und Werkzeuge noch nicht ausreichend in den Züchtungsprozess integriert sind. Public-Private-Partnerships und eine langfristige sowie zuverlässige Orientierung der Förderung sind nötig. „Eine Förderstrategie sollte sowohl die Chancen für den deutschen Standort, als auch die internationalen Erfordernisse für einen bestmöglichen Beitrag zur Deckung des Bedarfs an biobasierten Rohstoffen und Nahrungsmitteln im Blick haben“, sagt Joachim von Braun, Vorsitzender des Bioökonomierates. Eine Studie der Welternährungsorganisation FAO geht davon aus, dass die Nahrungsmittelproduktion bis zum Jahr 2050 um 60 Prozent steigen muss, um eine von den Vereinten Nationen prognostizierte Weltbevölkerung von 9 Milliarden Menschen ernähren zu können.

Für ihren ersten Zukunftsreport haben sich die Experten der Nationalen Akademie der Wissenschaften, Leopoldina, die Lebenswissenschaften und ihre aktuellen Herausforderungen vorgenommen. Auf 40 Seiten werfen sie insbesondere  einen Blick auf Omics-Technologien und Bioinformatik. Ihr Fazit ist ernüchternd: Dank langjähriger Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sei zwar vielerorts Kompetenz geschaffen worden, doch es mangelt an Nachhaltigkeit, um Themen wie Big Data adäquat zu begegnen. „Wir drohen den Anschluss an die Weltspitze zu verlieren“, so die Autoren.

„Die Bundesregierung hat seit Mitte der 90er Jahre rund 1,5 Milliarden Euro in Genomforschung und Systembiologie investiert. Wenn das nicht verpuffen soll, müssen wir handeln“, sagte Regine Kahmann, Direktorin am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg und eine der sechs Hauptautoren des Reports bei der öffentlichen Vorstellung der Publikation am 9. September in Berlin. Auf Basis von Fachgesprächen und Experteninterviews wurde hier der aktuelle Stand der Omics-Technologien und ihrer Förderung in Deutschland zusammengefasst. Demnach wird insbesondere die Bedeutung der Bioinformatik innerhalb der lebenswissenschaftlichen Forschung in den kommenden Jahren um bis zu 30% steigen.

Zukunftskonzepte für Big Data gefragt

Ob Medizin, Chemie oder Landwirtschaft – überall spielen Omics-Technologien eine zentrale Rolle, doch Deutschlands Forschungsinfrastruktur sei beim Thema Big Data nicht ausreichend auf künftige Herausforderungen eingestellt. Roland Eils vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg erläuterte dies am Beispiel Krebs: „Die Genomsequenz eines Tumors braucht in etwa soviel Speicherkapazität wie einhundert iPhones. Schon Forschungseinrichtungen haben Mühe, diese Mengen zu analysieren oder mehreren Forschern an verschiedenen Standorten zugänglich zu machen.“ Wenn eine Sequenzierung für alle Krebspatienten standardmäßig eingeführt würde, dann hätte man hierzulande ein Problem. „Wir wüssten gar nicht, wie wir mit diesen Datenmengen umgehen sollen, geschweige denn wie und wo wir sie speichern sollen“, mahnt der Krebsforscher und Bioinformatik-Experte. Es gelte also, Zukunftskonzepte für diese schon jetzt absehbaren Entwicklungen auszuarbeiten. Dies jedoch sei nur im Rahmen einer bundesweiten Initiative und idealerweise unter dem Dach einer zentralen Nationalen Infrakstruktur zu bewältigen.

Langfristige Finanzierungsmodelle gefordert

Am Ende des 40seitigen Reports kommen die Experten zu einem ernüchternden Fazit: Die bisherige Förderung – vor allem die vielen Initiativen des BMBF – haben eine Reihe von Zentren und Kompetenzen in Genomforschung, Proteomics, Bioinformatik und Systembiologie in Deutschland hervorgebracht, doch ohne langfristige Finanzierungsmodelle, die über 5 bis 10-Jahres-Räume hinaus gehen, seien die meisten Standorte nicht zu halten und eine Forschung auf Weltniveau langfristig nicht denkbar. Vor allem die Universitäten drohen zum Verlierer zu werden. „Die Haushalte der Bundesländer geben die nötigen Investitionen für den weiteren laufenden Betrieb nicht her und aktuelle Förderinitiativen greifen zu kurz “, betonte Michael Hecker, Direktor des Instituts für Mikrobiologie an der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald. So soll zwar ein vom BMBF mit 22 Millionen Euro ausgestattetes und von der Universität Bielefeld koordiniertes Deutsches Netzwerk für Bioinformatik-Infrastruktur Anfang 2015 seine Arbeit aufnehmen, doch für die aktuellen Probleme, die die gesamten Lebenswissenschaften inklusive der Omic-Technologien betreffen, sei dieser Zusammenschluss zu eng gefasst.

Experten plädieren für Nationale Omics- und IT-Infrastruktur

Im Zukunftsreport wird der Aufbau einer Nationalen Omics- und IT-Infrastruktur gefordert, durch die universitäre und außeruniversitäre Einrichtungen nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Ausbildung zusammenarbeiten können. Hierfür veranschlagen sie ein langfristiges Budget in mindestens dreistelliger Millionenhöhe, das idealerweise über die Deutsche Forschungsgemeinschaft bereitgestellt und durch ein zu berufendes Gremium gesteuert wird. „Bei physikalischen Großgeräten oder den Forschungsschiffen funktioniert das auch“, betonte Kahmann. Aus Sicht der Leopoldina-Experten müssten die Lebenswissenschaften ebenfalls einen solchen Status erhalten. Angesichts einer absehbaren Änderung des Grundgesetzes, das eine leichtere Zusammenarbeit zwischen länderfinanzierten Universitäten und bundesfinanzierten außeruniversitären Einrichtungen vorsieht, sei zudem die strukturelle Basis geschaffen, um die nötige Infrastruktur auf die Beine zu stellen. „Schon heute gibt es mit dem Norddeutschen Zentrum für Mikrobielle Genomforschung in Göttingen ein gutes Beispiel für eine solche Zusammenarbeit“, so der Greifwalder Professor Hecker. „Deutschland bräuchte aber mindestens acht bis zehn Zentren dieser Art.“

Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen hat weltweit zu einem Rückgang an eingesetzten Pflanzenschutzmitteln und zu höheren Erträgen geführt. Am deutlichsten profitierten dabei die Landwirte in Entwicklungsländern. Zu diesem Schluss kommt die bisher umfassendste Metaanalyse von Agrarökonomen der Universität Göttingen. Die Wissenschaftler werteten weltweit 147 Originalstudien zum Thema aus. Die Ergebnisse sind im Fachjournal PLOS ONE (2014, Online-Veröffentlichung) erschienen.

In der bisher umfassendsten Analyse zu den wirtschaftlichen Auswirkungen des Anbaus gentechnisch veränderter Nutzpflanzen haben die Göttinger Agrarökonomen Matin Qaim und Wilhelm Klümper Studien ausgewertet, die zwischen 1995 und März 2014 erschienen sind. Damit bietet die Metastudie nahezu einen Überblick über die gesamte Geschichte des Gentechnik-Pflanzenanbaus. Die Autoren haben sich dabei auf eine möglichst breitgefächerte Datenbasis gestützt: Berücksichtigt wurden öffentlich finanzierten Studien, weitere von Unternehmen oder industrienahen Verbänden, aber auch solche von eher gentechnikkritisch eingestellten NGOs.

Weniger Spritzmittel, höherer Ertrag

Das Fazit fällt bemerkenswert positiv aus: Dort, wo gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut wurden, ging der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel im Durchschnitt um 37 Prozent zurück. Gleichzeitig stiegen die Erträge durchschnittlich um 22 Prozent. Trotz des teureren Saatguts konnten die Landwirte mit gentechnisch veränderten Pflanzen ihren Gewinn um durchschnittlich 68 Prozent steigern. Darüber hinaus untersuchten die Forscher auch die Unterschiede zwischen verschiedenen Pflanzenmerkmalen und Anbauregionen. „Die positiven Auswirkungen auf den Ertrag und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sind bei insektenresistenten Pflanzen höher als bei herbizidtoleranten Pflanzen“, so die Autoren.

Kleinbauern in Entwicklungsländern profitieren

Gentechnisch veränderte Pflanzen werden seit rund 20 Jahren in verschiedenen Ländern und auf mittlerweile mehr als zehn Prozent der Weltackerfläche angebaut. Vor allem in Nord- und Südamerika kommen insektenresistente und herbizidtolerante Mais- und Sojapflanzen in großem Umfang zum Einsatz. Aber auch viele Kleinbauern in Indien, China und anderen Ländern Asiens und Afrikas sind auf gentechnisch verändertes Saatgut umgestiegen. Ein weiteres Ergebnis der Metaanalyse: Landwirte in Entwicklungsländern konnten ihren Gewinn deutlicher steigern als Landwirte in Industrieländern (ein Plus von 14 Prozentpunkten).

Fakten für die Debatte

In der öffentlichen Debatte wird die Bedeutung gentechnisch veränderter Nutzpflanzen für die Landwirtschaft kontrovers diskutiert. Die vorgelegte Metaanalyse solle zur Versachlichung der Diskussion beitragen, schreiben die Autoren. In Studien ohne wissenschaftliche Begutachtung und NGO-Reports fallen die wirtschaftlichen Auswirkungen deutlich schlechter aus und würden eher „nach unten geschätzt“, so die Beobachtung von Qaim und Klümper. Selbst wenn diese Ergebnisse in die Meta-Analyse eingerechnet würden, verändere sich das Gesamtergebnis nicht wesentlich: „Die positiven wirtschaftlichen Effekte bleiben erheblich“, schreiben die Göttinger Forscher.

Die Debatte um den Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen bekommt neuen Schwung. Bundesforschungsministerin Johanna Wanka hat sich in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung klar gegen ein Verbot ausgesprochen. Als rohstoffarmes Land sei Deutschland auf den wissenschaftlichen Fortschritt angewiesen, argumentiert die CDU-Politikerin. Sie stellt sich damit gegen Landwirtschaftsminister Christian Schmidt, der einen Gesetzesentwurf für ein nationales Anbauverbot bereits auf den Weg gebracht hat.

Seit Jahren wird in Deutschland über den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen gestritten. Zu den Kritikern der Grünen Gentechnik zählen u.a. Grüne und SPD.  Beide Parteien hatte sich im vergangenen Jahr klar gegen die In der fortwährenden Debatte hat Bundesforschungsministerin Johanna Wanka nun erstemals offensiv Stellung bezogen und in einem Zeitungsinterview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung eine Lanze für die Grüne Gentechnik gebrochen. “Es ist doch absurd: In der Medizin ist Gentechnik völlig akzeptiert. Bei Pflanzen und Nahrungsmitteln gilt sie plötzlich als verpönt”, betonte die Bundesministerin für Bildung und Forschung.

Wanka warnt vor Stimmungsmache

Aus ihrer Sicht könne sich Deutschland eine Ablehnung der Gentechnik in der Landwirtschaft nicht leisten. Als rohstoffarmes Land sei man auf den wissenschaftlichen Fortschritt angewiesen. Daher dürfe die Politik den geschürten Ängsten in der Bevölkerung nicht ohne weiteres nachgeben. “Stimmungsmache, um die Freiheit von Forschung einzuschränken, ist sehr gefährlich und eine Bedrohung für den Wirtschaftsstandort Deutschland”, so Wanka.  Auch Politiker müssten standhaft bleiben und für ihre Überzeugungen einstehen – auch dann, wenn die eigene Einschätzung gerade nicht populär sei. “Wir dürfen nicht gleich die Fahne einrollen, wenn es schwieriger wird”, sagte die Ministerin im Zeitungsinterview.

Deutschland auf dem Weg zum Anbauverbot

Seit Jahren wird in Europa um die Grüne Gentechnik gerungen. Erst Anfang des Jahres hatte die EU den Weg für nationale Entscheidungen über den Bereits ab April gilt die neue Regelung, die den Mitgliedsstaaten erstmals die Möglichkeit des „Opt-out“ eröffnet, also des nationalen Anbauverbots auf der Basis von sozioökonomischen oder raumordnerischen Erwägungen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf zur Änderung der bestehenden EU-Rechtsvorschriften hinsichtlich der nationalen Ausstiegsklauseln wurde Mitte April vom EU-Parlament angenommen. Nun kann diese Regelung von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Die europäische Neuregelung stellt einen Kompromiss dar, auf den sich Europäische Kommission und Parlament nach rund vier Jahren Verhandlung geeinigt haben. Er zielt darauf ab, die bisherigen Blockaden beim europäischen Zulassungsverfahren zu lösen. Wie bisher soll dabei die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA die Sicherheit der neuen Pflanzen prüfen. Beim Anbau aber wird die Entscheidung von Brüssel zu den nationalen Behörden verlagert. Die Mitgliedstaaten entscheiden unabhängig, ob sie eine Anbauzulassung vergeben. In Deutschland stehen die Zeichen derzeit auf Ablehnung der Grünen Gentechnik. Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hat bereits einen Gesetzentwurf für ein nationales Anbauverbot auf den Weg gebracht. Dieser wird von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD)unterstützt. „Die grüne Gentechnik hat sich als Holzweg erwiesen“, sagte sie im Januar diesen Jahres.

Die industrielle Landwirtschaft wird für den Planeten zunehmend zur Belastung: Flächenverbrauch, Überdüngung und Folgeschäden durch Pflanzenschutzmittel sind nur einige der Probleme. Eine besonders nachhaltige Form der Nahrungsmittelproduktion ist die Zucht von Speisefisch und der Anbau von Gemüse in einem kombinierten Stoffkreislauf. Ein neues sechs Millionen Euro umfassendes EU-Projekt, an dem Forscher des Berliner Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) federführend beteiligt sind, soll der sogenannten Aquaponik nun zum Durchbruch verhelfen.

 

Seit Mitte der achtziger Jahre wird versucht, die Fisch- und Gemüsezucht in einem System zu vereinen. Damals stellten US-amerikanische Forscher zum ersten Mal ein Gewächshaus vor, in welchem gleichzeitig Barsche und Tomaten gezüchtet wurden (Journal of the World Aquaculture Society, Band 28, Ausgabe 4, Seiten 420-428). Heute – rund dreißig Jahre später – arbeiten Forscher noch immer an einer Optimierung des Systems. Auch wenn inzwischen große Fortschritte gemacht wurden: Den kommerziellen Durchbruch haben die Aquaponik-Systeme bisher nicht geschafft.

Aquaponik: Kombination aus Fisch- und Pflanzenzucht

Das Kofferwort Aquaponik setzt sich aus den Begriffen Aquakultur (Fischzucht) und Hydroponik (erdfreie Pflanzenzucht) zusammen. In einem Aquaponiksystem wird also die Zucht von Fischen mit der Kultur von Nutzpflanzen kombiniert. Man macht sich dabei die Tatsache zunutze, dass die Fische und Pflanzen ganz ähnliche Umweltbedürfnisse für ihr Wachstum haben. So werden Synergieeffekte genutzt und Wertschöpfungsketten verlängert. Im Idealfall lassen sich Nahrungsmittel auf diese Weise fast emissionsfrei erzeugen.

INAPRO-Projekt soll Weg zum Markt ebnen

Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) beteiligt sich nun an einem neuen EU-Projekt namens INAPRO (“Innovative model & demonstration based water management for resource efficiency in integrated multitrophic agriculture and aquaculture systems”). In dem auf vier Jahre angelegten Forschungsvorhaben werden in Deutschland, Spanien, Belgien und China vier große Aquaponik-Demonstrationsanlagen auf jeweils rund 500 Quadratmeter zunächst modelliert, dann gebaut und evaluiert. „Gemeinsam mit unseren 18 Partnern aus acht Nationen können wir die Aquaponik nun den entscheidenden Schritt voranbringen“, erklärt Projektkoordinator Georg Staaks. INAPRO soll dazu dienen, die technische und wirtschaftliche Machbarkeit in größerem Maßstab des Systems zu demonstrieren und die Implementierung in die Nahrungsmittelproduktion voranzutreiben. Dafür stehen in den kommenden vier Jahren rund sechs Millionen Euro zur Verfügung. „INAPRO eröffnet neue Marktchancen für Hersteller und Anwender von Aquaponiksystemen innerhalb und außerhalb von Europa. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen ist das ein äußerst attraktives Segment“, unterstreicht Staaks.

BMBF hat Anlagenentwicklung gefördert

Das IGB geht mit einem Projekt an den Start, in dem Tilapia-Buntbarsche (Oreochromis niloticus) und Tomaten gezüchtet werden. Die beiden Lebewesen ergänzen sich optimal – so teilen sie zum Beispiel die Vorliebe für Temperaturen um 27 Grad. Die Entwicklung des im Projekt eingesetzten technischen Systems „ASTAF-PRO“ (Aquaponik-System zur emissionsfreien Tomaten- und Fisch- Produktion) hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in den vergangenen Jahren gefördert. „Das spezielle System reguliert die Flüssigkeitsströme zwischen den beiden Teilbereichen der Anlage. So können in beiden Teilsystemen die jeweils optimalen Wachstumsbedingungen hergestellt werden. Diese besondere Effizienz bieten die bisherigen traditionellen Aquaponiksysteme nicht“, erläutert Werner Kloas, Leiter der Abteilung Ökophysiologie und Aquakultur am IGB. Bevor das Wasser aus der Aquakultur zu den Pflanzen kommt, werden Feststoffe ausgesiebt. Sie dienen als hochwertiger Gemüsedünger. Weiterhin im Wasser enthalten ist jedoch Ammonium  – ein Stoffwechselprodukt der Fische, das über die Kiemen ausgeschieden wird und in zu hoher Konzentration für die Fische schädlich ist. In die Kreislaufanlage ist ein Biofilter integriert, der von Bakterien besiedelt ist. Dort wird das Ammonium zu Nitrat abgebaut. Das Molekül ist Grundbestandteil von Düngemitteln und beschleunigt das Pflanzenwachstum. Auch das Kohlendioxid, das die Fische ausatmen, kann von den Pflanzen aufgenommen, für ihr Wachstum genutzt und in Sauerstoff umgewandelt werden. Wird die nötige Betriebsenergie für die Gesamtanlage aus regenerativen Quellen wie Wind, Sonne oder Biomasse gespeist, arbeitet das ASTAF-PRO-System dann nahezu ohne klimaschädliche Emissionen.

Weichmacher sind in zahlreichen Plastikprodukten enthalten. Der deutsche Spezialchemiekonzern Oxea GmbH bringt jetzt erstmals biobasierte Weichmacher auf den Markt. Grundbaustein für die Oxblue DOSX und Oxblue ATBC genannten Chemikalien ist Bernsteinsäure aus Maisstärke. Später einmal werden die phthalatfreien Weichmacher vor allem für Spielzeug, Bodenbeläge oder Frischhaltefolie genutzt.

Bereits seit einiger Zeit ist die Plastikbranche auf der Suche nach neuen Weichmachern. Der Grund: Die bisher besonders häufig eingesetzten Phthalate sind wegen ihrer gesundheitschädigenden Wirkung in Verruf geraten. „ Einige Vertreter dieser Stoffgruppe werden als endokrine Disruptoren bezeichnet, die durch Veränderung des Hormonsystems die Gesundheit schädigen können“, warnt das Bundesinstitut für Risikobewertung. Andere schädigen die Leber oder beeinträchtigen die Fortpflanzungsfähigkeit.

Gestiegenes Gesundheitsbewusstsein bei Verbrauchern

Das in Oberhausen ansässige Unternehmen Oxea setzt nun auf phthalatfreie Weichmacher wie Dioctylsuccinat (DOSX) und Acetyltributylcitrat (ATBC). „Angesichts des steigenden Gesundheits- und Imagebewusstseins auf Seiten der Verbraucher bieten wir Herstellern nachhaltige Lösungen an, mit denen sie Produkte wirtschaftlich produzieren können, ohne dabei Kompromisse bei der Qualität machen zu müssen“, sagte Jacco de Haas, Global Marketing Manager Specialty Esters bei Oxea.

Biobasierter Rohstoff aus den USA

Den für die Produktion nötigen Grundstoff, die Bernsteinsäure, bezieht Oxea aus den USA. Dort hat die Firma Myriant Anfang 2013 die landesweit erste Produktionsanlage für Bio-Bernsteinsäure in Betrieb genommen. Der Betrieb in Lake Providence kann davon in großen Fermentern jährlich rund 13.000 Tonnen herstellen. Bis 2015 ist der Ausbau auf eine Jahreskapazität von 63.000 Tonnen geplant. In Europa ging bereits Jahre zuvor eine kommerzielle Anlage für die mikrobielle Herstellung von Bernsteinsäure in Betrieb. Ein Joint-Venture zwischen dem niederländischen Unternehmen DSM NV und dem französischen Konzern Roquettte Frères produziert seit 2012 in Cassano Spinola, Italien, bis zu 10.000 Jahrestonnen Bernsteinsäure.

Das deutsche Unternehmen Oxea GmbH hat sich auf die Herstellung von Oxo-Chemikalien spezialisiert. In der organischen Chemie werden so Stoffe bezeichnet, die eine zusätzliche Carbonylgruppe tragen. Mit mehr als 1.400 Mitarbeitern weltweit erwirtschaftete Oxea 2012 einen Umsatz von rund 1,5 Milliarden Euro. Eigentümerin von Oxea ist die staatliche Oman Oil Company S.A.O.C., die zum Sultanat Oman gehört.

Für die Produktion von Bioenergie ist der Maisanbau in Deutschland besonders wichtig. Derzeit liegt die Pflanze unangefochten an der Spitze, wenn es um die bestellte Fläche geht. Doch andere, weniger bekannte Sorten wie die Sorghum-Hirsen holen auf. Sie bieten eine sinnvolle Ergänzung der Fruchtfolge und geraten durch ihre längeren Wurzeln nicht so leicht in Trockenstress. Wie die künftigen Zuchtziele der beiden Pflanzen an den Klimawandel angepasst werden könnten, haben Forscher um Remy Manderscheid vom bundeseigenen Thünen-Institut untersucht. Sie berichten im Magazin Mais (2014, Ausgabe 1) über ihre Ergebnisse.

Die Prognosen des Weltklimarates IPCC sind bekannt: Die Temperatur auf der Erde wird langfristig ansteigen. Bis 2100 ist mit einer Zunahme der globalen Durchschnittstemperatur um 0,9 bis 5,4 Grad Celsius zu rechnen – abhängig von den Zuwachsraten aller Treibhausgase und dem angewandten Prognosemodell. Für die kommenden 50 Jahre sagt das Gremium einen Anstieg der Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid um 50 Prozent voraus, von 400 ppm auf 600 ppm. Das wiederum führe nicht nur zu einem Temperaturanstieg, sondern auch zu einer Abnahme der Sommerniederschläge.

Klima der Zukunft nachgestellt

Für Mais und Sorghum-Hirsen sind das keine guten Nachrichten. Bei ihnen droht bei geringen Niederschlägen und höheren Temperaturen Trockenstress. Wie sich die geänderten Bedingungen genau auf die Pflanzen auswirken, haben nun erstmals Forscher vom Johann Heinrich von Thünen-Institut untersucht, dem Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei. Die Wissenschaftler um Remy Manderscheid vom Institut für Biodiversität haben das geänderte Klima auf einem Freiland-Versuchsfeld nachgestellt. So sollte der Wasserbedarf von Mais und Sorghum in Abhängigkeit von Temperatur und Kohlendioxid-Gehalt in der Atmosphäre ermittelt werden.

Das Ergebnis: Obwohl Mais und Sorghum sich äußerlich ähneln und auch vergleichbare Stoffwechsel aufweisen, ist der Anbau von Mais zumindest unter den heutigen Klimabedingungen in Mitteleuropa ressourceneffizienter. Denn die untersuchten Sorghum-Hirsearten haben für ihre Blattentwicklung einen höhere Temperaturansprüche als Mais. Das wirkt sich insbesondere bei früher Aussaat oder kühler Frühsommerwitterung aus.

Tiefere Wurzeln für mehr Wasser

Da der Mais dadurch eine im Vergleich bessere Wüchsigkeit zeige, schneide er im Hinblick auf die Wassernutzungseffizienz unter heutigen Klimabedingungen besser ab, berichten die Forscher. Ein Vorteil der Sorghum-Hirsen sei hingegen die vergleichsweise tiefe Bodendurchwurzelung. So könnten die Pflanzen bei Trockenstress das Wasser aus tieferen Schichten besser erschließen.

Diese Ergebnisse haben auch eine wichtige Aussagekraft für die Zukunft. Sie erlauben es abzuschätzen, welche Eigenschaften bei künftigen Saatgutlinien zu einem möglichst guten Ernteergebnis beitragen können. So müssten die ursprünglich aus Afrika stammenden Sorghum-Hirsen beispielsweise stärker an die hierzulande – trotz Klimaerwärmung – vergleichsweise kühle Witterung angepasst werden, um bei mangelnder Wasserversorgung ein ähnliches oder besseres Wachstum als Mais zu erzielen.

Biobasierte Rohstoffe sind aus vielen Wirtschaftsbereichen nicht mehr wegzudenken: Nicht nur die Chemie- und Pharmaindustrie auch Papierhersteller oder Stromerzeuger sind auf sie angewiesen. Tatsächlich ist die Anbaufläche für nachwachsende Rohstoffe in den vergangenen Jahren immer weiter angestiegen. Wie weitverbreitet die grünen Zutaten in der deutschen Industrie inzwischen genau sind und wie sich die Situation bis 2020 entwickeln könnte, das zeigt die umfassende „Marktanalyse Nachwachsende Rohstoffe“, die am 19. März von der Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe (FNR) veröffentlicht wurde (zur Studie...).

Die Studie wurde im Auftrag der FNR federführend von Meo Carbon Solutions durchgeführt. Projektpartner waren das Fraunhofer Institut für Grenzflächen und Verfahrenstechnik, IGB, das Fraunhofer Institut für angewandte Polymerforschung, IAP, das Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe (IfBB) an der Hochschule Hannover sowie das Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Aufbauend auf einer Erhebung des Ist-Zustandes 2011 und der bisherigen Marktentwicklung haben die Experten mögliche Szenarien für die Entwicklung bis 2020 erstellt und das Ergebnis mit den derzeitigen politischen Zielen abgeglichen. Die Analyse ist denkbar umfassend: Sieben stoffliche und drei Märkte zur energetischen Nutzung von Biomasse wurden mit einer einheitlichen Systematik im weltweiten Kontext untersucht.  

Die Studie zeigt auf, dass nachwachsende Rohstoffe in den vergangenen Jahren in vielfältigsten Märkten Einzug gehalten haben. Während beispielsweise in den Märkten für Baumaterialien sowie für Kunst- und Werkstoffe die Ziele voraussichtlich erfüllt werden, seien vor allem in der chemischen Industrie und bei Biokraftstoffen noch weitere Anstrengungen beim Einsatz nachwachsender Rohstoffe erforderlich. Von grundlegender Bedeutung für die weitere Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen ist laut Studie die Sicherstellung einer nachhaltigen Produktion. Dabei stelle die Ermittlung und Reduktion von Treibhausgasemissionen eine besondere Herausforderung dar.

Der zunehmenden Verbreitung der nachwachsenden Rohstoffe trägt inzwischen auch die Politik Rechnung.  Mit der im Sommer 2013 vorgestellten Politikstrategie Bioökonomie unterstützt die Bundesregierung den Wandel zu einer rohstoffeffizienten Wirtschaft, die nicht auf fossilen, sondern auf nachwachsenden Ressourcen basiert. Offenbar mit Erfolg:  "Wir sind mit der Strategie auf einem guten Weg", sagte  der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundeslandwirtschaftsminister, Peter Bleser, anlässlich der heutigen Veröffentlichung einer Marktanalyse zu nachwachsenden Rohstoffen. "Die Analyse stellt eine gute Basis insbesondere für die stoffliche Nutzung dar. Damit sind wir dem Ziel näher, unsere Wirtschaft unabhängiger von endlichen fossilen Rohstoffen zu machen und gleichzeitig das Klima zu schonen."

Die Analyseergebnisse für die einzelnen Märkte im Überblick:

Chemikalien: Der Einsatz von Chemikalien ist nach wie vor relativ gering. Rund 1,7 Millionen Tonnen nachwachsende Rohstoffe wurden in 2011 für die Produktion von Chemikalien, 530.000 Tonnen für Wasch- und Körperpflegemitte, weniger als 100.000 Tonnen jeweils für Kunst- und Werkstoffe sowie Schmierstoffe eingesetzt. Damit liegt der Anteil der nachwachsenden Rohstoffe am Gesamtrohstoffverbrauch meist im unteren einstelligen Prozentbereich. Für die Produktion werden vor allem Zucker, Fette und Proteine eingesetzt. Bis 2020 könnten sich die biobasierten Produkte technisch etablieren, erwarten die Studienautoren.

Wasch- und Pflegemittel: In 2011 wurden in Deutschland rund 2,7 Millionen Tonnen  Wasch- und Körperpflegemittel hergestellt. Für die Produktion wurden rund 260.000 Tonnen Tenside, 62.000 Kubikmeter Alkohol und 29.000 Tonnen Citrate aus nachwachsenden Rohstoffen eingesetzt. Für die nächsten Jahre werden ein geringes Marktwachstum und ein leichter Anstieg des Anteils nachwachsender Rohstoffe im Markt für Wasch- und Körperpflegemittel erwartet.

Biokunststoffe: In Deutschland wurden in 2011 knapp 80.000 Tonnen biobasierte Kunststoffe und 70.000 Tonnen naturfaserverstärkte Verbundwerkstoffe erzeugt. Dafür wurden insgesamt ungefähr 90.000 Tonnen nachwachsender Rohstoffe eingesetzt. In den kommenden Jahren soll sich das Marktwachstum der vergangenen Jahre weiter fortsetzen

Oleochemie: Der Gesamtmarkt für Schmierstoffe stagniert bei rund einer Millionen Tonnen, mit einem Bioschmierstoffanteil von weniger als drei Prozent. Die weitere Marktentwicklung wird im Wesentlichen von staatlichen Anreizen abhängen, heißt es in der Studie.

Bauen und Wohnen: Dieser Markt entwickelt sich positiv. Vor allem Holz, Leinöl und Faserpflanzen finden hier Verwendung. In 2011 wurden knapp 54 Millionen Kubikmeter Holz in der Säge- und Holzwerkstoffindustrie verbraucht. Insbesondere der Einsatz von Holz bei Neubauten und Sanierungen hat stark zugenommen. Rund zwei Drittel aller verkauften Möbel sind aus Holz. Die Studienautoren gehen davon aus, dass der Gesamtmarkt "Bauen und Wohnen" weiter wachsen wird.

Papier, Pappe und Kartonagen: Der Markt für Papier, Pappe und Kartonagen ist ein reifer Markt. In 2011 wurden rund 6,3 Millionen Tonnen Holz-, Papier- und Chemiezellstoff sowie Stärke abgesetzt. Die deutsche Industrie nimmt international eine starke Position ein. Sie ist die viertgrößte der Welt hinter China, USA und JapanBis zum Jahr 2020 wird von einem leichten weiteren Wachstum des Marktes ausgegangen. Voraussetzung dafür ist ein ausreichendes Angebot an Biomasse zu günstigen Preisen und eine konstante Altpapiereinsatzquote.

Pharmaprodukte: Im Markt für pharmazeutische Produkte wurde im Rahmen der Studie die Verwendung von Arzneipflanzen in den Märkten Phytopharmazeutika, Health Food, Veterinäranwendungen und Kosmetik untersucht. Die Nachfrage nach entsprechenden Roh-Zutaten im Jahr 2011 wurde auf knapp 31.000 Tonnen geschätzt. Von den wichtigsten Arzneipflanzen wird noch immer der weitaus größte Teil importiert. Der Markt zeigt keine besondere Dynamik. Für die nächsten Jahre wird nur eine geringe Erhöhung der Gesamtnachfrage erwartet.

Wärmeerzeugung: Die Wärmeerzeugung aus nachwachsenden Rohstoffen hat in 2011 mit rund 130 Terrawattstunden einen Marktanteil von rund zehn Prozent erreicht. Ein weiteres Wachstum der Wärmeproduktion aus nachwachsenden Rohstoffen wird als realistisch beurteilt, im Jahr 2020 könnten rund 150 Terrawattstunden erreicht werden. Das Wachstum wird allerdings durch die nachhaltig verfügbare Fläche und zunehmende Nutzungskonkurrenzen begrenzt.

Elektrizitätserzeugung: Die Elektrizitätserzeugung aus nachwachsenden Rohstoffen betrug knapp 35 Terrawattstunden im Jahr 2011 und hat damit einen Marktanteil von rund sechs Prozent erreicht. Die Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist der entscheidende Treiber für das Wachstum. Für das Jahr 2020 wird eine weitere Steigerung der Stromproduktion aus nachwachsenden Rostoffen erwartet, insbesondere auf Basis von Biogas. Das Wachstum wird durch Nutzungskonkurrenzen, hohe Rohstoffpreise und sinkende gesellschaftliche Akzeptanz begrenzt.

Biokraftstoffe: Auch Kraftstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen haben in den vergangenen Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Deutschland ist führender Biokraftstoffproduzent in der EU. In 2011 wurden 2,8 Millionen Tonnen Biodiesel und Pflanzenöl sowie 600.000 Tonnen Bioethanol produziert. Im Biokraftstoffmarkt findet derzeit eine Konsolidierung statt. Nur bei einer Umkehr der heute diskutierten Biokraftstoffpolitik kann es zu einem deutlichen Wachstum kommen, mahnen die Autoren.

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Im EU-Konsortium namens Optibiocat wollen Partner aus Forschung und Industrie biotechnologische Verfahren für die Herstellung von Natur-Kosmetik entwickeln und setzen dabei auf neue Enzyme.Produktlabel wie "Bio" oder "Natürlich" haben es längst aus der Nische in die Supermarktregale geschafft. Neben Bio-Lebensmitteln achten immer mehr Verbraucher  auch beim Kauf von Kosmetik auf natürliche Inhaltsstoffe. Natürliche Beauty-Produkte auch umweltschonend und nachhaltig herzustellen, ist das Ziel des neuen EU-Projektes Optibiocat (Optimised esterase biocatalysts for cost-effective industrial production).

16 Partner aus Forschung und Industrie wollen in den kommenden vier Jahren herkömmliche, chemische Prozesse in der Kosmetikindustrie durch natürliche und enzymbasierte Verfahren ersetzen. Das Projekt wird von der Europäischen Kommission mit sieben Millionen Euro unterstützt. Deutsche Partner sind Biotechnologen von der Universität Münster, die Dortmunder Unternehmen Supren und Taros Chemicals sowie das Fachkommunikationsunternehmen BIOCOM AG.

Um umweltschonendere Verfahren in der Kosmetikindustrie zu etablieren, wollen sich die Forscher auf die Enzym-Klasse der Esterasen konzentrieren. Mit Hilfe den Biokatalysatoren sollen Kosmetik-Wirkstoffe in weniger Reaktionsschritten hergestellt und die dafür bisher notwendige Reaktionstemperatur von bis zu 160°C auf 50 bis 60°C herabgesetzt werden. Das neue Verfahren hat laut Optibiocat-Koordinatorin Vincenza Faraco von der Universität Neapel einen weiteren Vorteil: Besondere Gerüchte werden ebenfalls vermieden - ein Pluspunkt in der Kosmetikindustrie. Besonders ins Visier wird das Konsortium Feruloylesterasen und Glucuronylesterasen nehmen, die aus den Enzymbibliotheken der Netzwerk-Partner stammen.  Zwar stehen natürliche Kosmetikzusätze im Fokus der Allianz, doch aauch andere Industriezweige könntenvon den Ergebnissen aus Optibiocat profitieren.  "Einige der Esterasen werden auch in der Lebensmittelindustrie und für die Herstellung von Krebs- und Alzheimermedikamenten benötigt", so Faraco. Neben Italien und Deutschland sind Unternehmen und Forschungseinrichtugnen aus den Niederlanden, Frankreich, Portugal, Griechenland, Schweden und Finnland beteiligt. Größter Industriepartner des Konsortiums ist der griechische Naturkosmetikhersteller Korres.

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Treibstoff wird bislang überwiegend aus dem immer knapper werdenden und nicht nachhaltigen Energieträger Erdöl hergestellt. Alternativ könnten eines Tages Mikroalgen in Bioreaktoren die Basis für nachhaltigen Treibstoff und andere Rohstoffe liefern. Um diesen Ansatz auch wirtschaftlich lohnend verfolgen zu können, sind jedoch weitere Forschungsarbeiten nötig. Mitte Mai hat das „Algen Science Center“ im Forschungszentrum Jülich seinen Betrieb aufgenommen, in dem Forscher noch offene Fragen klären wollen. In der neuen Einrichtung werden Algen gezüchtet und drei Produktionssysteme für diese Biomasse miteinander verglichen. Gleich zu Beginn werden auch zwei vom Bundesforschungsministerium (BMBF) beziehungsweise Landwirtschaftsministerium (BMEL) geförderte Projekte bearbeitet.

Das BMBF unterstützt das Projekt „Optimal“, in dem Algen in Bezug auf ihre Produktivität und Lichtnutzung optimiert werden. Denn die heute verwendeten Algenstämme sind quasi Wildstämme und noch nicht an die Bedingungen in den Bioreaktoren angepasst. Insbesondere die Beleuchtung, die auf eine maximale Photosyntheseleistung der Algen abzielt, kann von den eigentlich auf geringe Lichtintensitäten ausgerichteten Algen nicht gut genutzt werden. Die optimierten Algen werden nachfolgend in den verschiedenen Produktionssystemen des Algen Sience Centers unter realen Bedingungen untersucht. Optimal wird mit 1,4 Millionen Euro drei Jahre vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. "Mit der Entwicklung von Biokerosin aus Algen machen wir einen wichtigen Schritt weg vom Öl. Damit unterstützt die Bundesregierung die Perspektive einer nachhaltigen Mobilität durch die Stärkung der Bioökonomie", betonte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung Thomas Rachel im Rahmen der Eröffnungszeremonie.

Aufwind für grünes Flugzeugkerosin

Das Schwesterprojekt „Aufwind“ (Algenproduktion und Umwandlung in Flugzeugtreibstoffe: Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit, Demonstration) dreht sich im Kern um die Frage, wie sich Algen zur Biomasseproduktion nutzen lassen. Das Verbundprojekt wird vom Forschungszentrum Jülich koordiniert. Insgesamt sind elf Partner daran beteiligt – unter anderem der Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus Group und das internationale Öl- und Gasunternehmen OMV. "Im Luftverkehr gibt es zu flüssigen Treibstoffen mittelfristig keine Alternative. Elektromotoren oder Brennstoffzellen – wie sie in Autos erprobt werden – kommen aus Gewichts- und Sicherheitsgründen für Flugzeuge nicht in Frage", erklärt Siegfried Knecht, Vorstandsvorsitzender des Interessenverbandes Aireg (Aviation Initiative for Renewable Energy in Germany).

Das BMEL fördert die Arbeiten mit 5,75 Millionen Euro über zweieinhalb Jahre. In Jülich gehen dazu auf je 500 Quadratmetern Fläche drei Bioreaktorsysteme zur Algenproduktion in Betrieb. „Es gibt zwar schon viele Publikationen, die die Herstellung von Treibstoff aus Mikroalgen beschreiben. Aber es fehlt ein unabhängiger Vergleich, welche aktuell verfügbaren Anlagen unter ökologischen und ökonomischen Aspekten die besten Ergebnisse liefern", sagte Andreas Müller vom Jülicher Institut für Bio- und Geowissenschaften (IBG-2).

Vollständige Nutzung der Biomasse 

Im Rahmen der Algenprojekte werden aber nicht nur geeignete Aufschluss- und Extraktionsverfahren sowie die Umwandlung und Raffinierung der Biomasse zu Treibstoff untersucht. Es sollen auch die dabei entstehenden Nebenprodukte identifiziert und in Bezug auf ihre Verwertbarkeit analysiert werden. Denn wenn es gelingt, aus den Algen neben Kerosin weitere attraktive Produkte zu gewinnen, könnte das derzeit noch teure nachhaltige Kerosin aus dem Bioreaktor konkurrenzfähig werden. Da die Algen Vitamine und Farbpigmente, Aminosäuren und Zucker beinhalten, wäre zum Beispiel die Gewinnung von Lebensmittelzusatzstoffen und von hochwertigen Produkten für die Kosmetik- und Chemieindustrie denkbar. Was dann noch übrig bliebe, könnte als Viehfutter Verwendung finden oder in Kraftwerken verbrannt werden. So würde die gesamte Biomasse nachhaltig verwendet und eine Algen-basierte Bioraffinerie aufgebaut werden können.

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Kernbereiche der deutschen Industrie nehmen die Bioökonomie noch nicht als wirtschaftliche Chance wahr. Dies ist das Ergebnis einer Analyse der Arbeitsgruppe Wettbewerb des Bioökonomierates. Es besteht die Gefahr, dass gerade der aktuelle wirtschaftliche Erfolg zentraler Bereiche wie des Automobil- und Maschinenbaus oder der Chemieindustrie eine notwendige ökologische Erneuerung verzögert.

In einer jetzt veröffentlichten Analyse stellt der Bioökonomierat fest, dass die Chemie als zentraler Bereich der Wirtschaft biobasierte Techniken in einzelnen Bereichen zwar nutzt, ein umfassender Rohstoffwandel aber nicht zu erkennen ist. „Die Chemieindustrie setzt in Nischen bereits erfolgreich biobasierte Techniken ein. Gerade wegen der enormen Stärken des bestehenden Geschäftsmodells ist ein umfassender Umbau jedoch nicht in Sicht“, so Holger Zinke, Mitglied des Bioökonomierates und Leiter der Arbeitsgruppe.

Dazu trage auch der Kapitalmarkt bei, der ökologische Innovation noch nicht ausreichend honoriere. In einer zweiten Analyse hat sich der Bioökonomierat mit der Landwirtschaft auseinandergesetzt. „Der Agrarbereich besitzt als Rohstoffproduzent eine strategische Bedeutung für die Entwicklung der Bioökonomie“, so Christine Lang, Vorsitzende des Rates. Angesichts der großen Nachfrage biologischer Rohstoffe müssen Effizienzgewinne in allen Bereichen der Landwirtschaft angestrebt werden. Die deutsche Agrarpolitik muss sich daran orientieren, wie sie einerseits den steigenden Bedarf decken kann und andererseits den besonderen Anforderungen gerecht wird, welche die deutsche Bevölkerung in Bezug auf Produktionsmethoden, Umweltwirkungen und Tierwohl stellt.

In sogenannten BÖRMEMOS analysiert der Bioökonomierat immer wieder strategisch wichtige Fragen und Bereiche in komprimierter Form. Die beiden ersten Memos zu den Bereichen Landwirtschaft und Chemie können auf der Website des Bioökonomierates abgerufen werden.

Ob als Basis für Lebensmittel, für Bioenergie oder stoffliche Nutzung – die Landwirtschaft ist der wichtigste Rohstofflieferant für die Bioökonomie.  Beim „Zukunftsdialog – Agrar & Ernährung“ der ZEIT-Verlagsgruppe am 19. Mai diskutierten Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik über aktuelle Herausforderungen und Perspektiven der Branche in Deutschland. 500 Gäste waren hierzu in die Berliner Kalkscheune gekommen.

Groß, klein, konventionell, öko – landwirtschaftliche Betriebe haben zahlreiche Gesichter. Sie alle stehen heutzutage vor großen Herausforderungen: Angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung, die ernährt werden muss, aber auch durch den wachsenden Bedarf nach erneuerbaren Energien oder der stofflichen Nutzung von Biomasse. Genug Gesprächsstoff gab es daher für den "Zukunftsdialog Agrar & Ernährung", zu dem DIE ZEIT nach Berlin geladen hatte. (Mehr Informationen zur Veranstaltung: hier klicken) Einig waren sich die Experten, dass die große Nachfrage nach Agrarrohstoffen prinzipiell von Vorteil ist, denn sie lässt die Agrarpreise steigen. Entscheidend sei, so Werner Schwarz, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbands, vor allem die Ressourceneffizienz und hier seien die Großbetriebe führend.

Nationaler Dialog zur Zukunft der Landwirtschaft gefordert

Christian Meyer, erster Grüner Landwirtschaftsminister im Agrarland Niedersachsen, betrachtete die Entwicklung deutlich vorsichtiger und kritischer. „Ja, wir brauchen eine Produktivitätssteigerung in der Landwirtschaft“, sagte er, betonte aber auch: „Die Landwirtschaft ist schon heute der größte Emittent von Kohlendioxid. Das müssen wir in der Agrarwende berücksichtigen.“ Vor diesem Hintergrund brachte Folkhard Isermeyer, Präsident des Thünen-Instituts und Mitglied im Bioökonomierat, einen neuen Vorschlag ein: Aus seiner Sicht sollte ein „nationaler Dialog zur Zukunft der Landwirtschaft“ gestartet werden, in dem gemeinsam Leitbilder entwickelt werden können.

Kritik an EU-Landwirtschaftsreform zum Greening 

Kommunikation war denn auch das bestimmende Thema. Die Diskutanten plädierten dafür, dass sich Biobauern und ihre intensiv wirtschaftenden Kollegen verstärkt austauschen sollten. Denn neue Anbautechniken, Methoden oder Maschinen könnten über Systemgrenzen hinweg Produktivitätssteigerungen für beide Seiten bringen. Einig waren sich die Experten auch in ihrer Kritik an der neuesten EU-Landwirtschaftsreform, vor allem dem „Greening“. Das Konzept schreibt die Einrichtung „ökologischer Vorrangflächen“ vor, für welche die Landwirte direkt entschädigt werden. „Das geht direkt auf die Produktivität“, klagte Wolf-Dietmar Vetter, Chef der Wariner Pflanzenbau eG, einem Großbetrieb mit 2.000 Hektar Ackerfläche in Mecklenburg Vorpommern. Peter Bleser, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) wies zudem auf ein prinzipielles Problem des Greenings hin: „Das Ordnungsrecht voranzusetzen ist falsch. Die Landwirte werden die Verordnungen zwar umsetzen, dabei aber alle Möglichkeiten ausnutzen, so dass die Effekte auf die Produktivität minimal sind.“ Auch Isermeyer zweifelte an der Effizienz der EU-Regelung: „Wer mehr Fläche hat, bekommt mehr.“ Der Agrarökonom schlug vor, konkrete ökologische Ziele zu definieren und die finanzielle Belohnung für den Landwirt daran zu koppeln.  

Festgefahrene Positionen zu Industrialisierung und Gentechnik

Die Veranstaltung zeigte auch, dass viele Positionen nach wie vor sehr festgefahren sind. So lehnte die Vertreterin des BUND, Heike Moldenhauer, die Industrialisierung der Landwirtschaft generell ab. „Unsere Vorstellung ist die einer regionalen Landwirtschaft, die lokale Märkte bedient“, betonte sie. Auch Gentechnik solle in Europa keine Rolle spielen. „Wir misstrauen dem europäischen Zulassungsverfahren“, so Moldenhauer. Andere Experten wie Bauernverbands-Vize Schwarz konterten, dass die Gentechnik in Deutschland ohnehin keine Rolle spiele, da es derzeit keinen kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Deutschland gebe und warf dem BUND vor, dass es sich mit Unsicherheiten offenbar leichter argumentieren lasse. Um für sein eigenes Wirtschaften zu werben, setzte Schwarz, der neben seinem Verbandsamt auch Großlandwirt ist, auf Transparenz. Seit einigen Monaten blickt eine Webcam auf Ferkel und Säue im Stall. (zur Webcam: hier klicken) Hier soll gezeigt werden, wie der größte Teil der Landwirtschaft heute wirklich ist. Steril, effizient und hygienisch – und nicht, wie es die Werbung oft suggeriert, in Grüne-Wiesen-Romantik. 

Ökologisch bewirtschaftete Ackerflächen sind ein wichtiges Refugium für seltene Tier- und Pflanzenarten. Die Aussage ist ein gern genutztes Argument, um den Biolandbau zu unterstützen – und erscheint auf den ersten Blick auch durchaus schlüssig. Durch harte wissenschaftliche Fakten untermauert war sie bisher jedoch kaum. Ein internationales Team unter Beteiligung von Forschern der Technischen Universität München (TUM), hat jetzt erstmals in zehn europäischen und zwei afrikanischen Regionen untersucht, wie sich ökologisch und konventionell bewirtschaftete Flächen unterscheiden hinsichtlich ihrer Biodiversität unterscheiden. Im Fachmagazin Nature Communications (2014, Online-Veröffentlichung) berichten sie über ihre Forschungsergebnisse. Das Fazit: Auch Öko-Betriebe müssen Artenvielfalt gezielt fördern, indem sie zum Beispiel zusätzliche artenreiche Lebensräume erhalten.

Ökologische und extensive Landwirtschaftssysteme bieten wilden Pflanzen und Tieren Lebensraum. Bekannte Beispiele sind der Schwarze Geier in den spanischen Dehesas oder selten gewordene Orchideen auf extensiv genutzten Gebirgsweiden. Immer häufiger setzen sich Biobauern auch für den Erhalt alter Nutzrassen ein. Beispiele dafür sind hierzulande etwa das in Thüringen und Niedersachsen heimische Leineschaf oder die Limpurger, die älteste Rinderrasse Baden-Württembergs. Auf diese Art könnten Ökobauern in bedeutendem Maße zur Erhaltung der Biodiversität in Europa beitragen. Aber kommen auf ökologisch bewirtschafteten Flächen tatsächlich mehr Arten vor als auf den konventionell bearbeiteten Nachbarflächen? Diese Frage wurde bisher kaum untersucht.

Untersuchungen in Europa und Afrika

Koordiniert von der Forschungsanstalt Agroscope in der Nähe von Zürich, hat das von der EU geförderte Forscherteam nun ermittelt, wie bedeutsam der Effekt wirklich ist. In dem großangelegten Projekt „BioBio“ (zur BioBio-Homepage)  wurden zunächst einheitliche Messmethoden und Untersuchungsprotokolle entwickelt. So ließen sich die auf insgesamt 1470 Feldern von 205 Betrieben erhobenen Daten problemlos miteinander vergleichen. In der Zeit von 2010 bis 2013 wurden Betriebe in insgesamt zwölf Regionen Europas und Afrikas mit sehr unterschiedlichen Produktionsbedingungen untersucht. Ausgewählt wurden jeweils standorttypische Betriebe, je zur Hälfte entweder konventionell oder seit mindestens fünf Jahren zertifiziert ökologisch bewirtschaftet. So wurden zum Beispiel in der Schweiz Futterbaubetriebe, in Österreich und Südfrankreich Ackerbaubetriebe, in Italien und Spanien Betriebe mit Dauerkulturen wie Wein oder Oliven und in Uganda kleinbäuerliche Selbstversorgerbetriebe untersucht.  

In Bayern analysierte Kurt-Jürgen Hülsbergen vom Lehrstuhl für Ökologischen Landbau und Pflanzenbausysteme der TU München für das Projekt 16 bayerische Milchviehbetriebe. „Vom Ökolandbau profitiert die Artenvielfalt von Pflanzen und Wildbienen besonders. Die beobachteten Vorteile konzentrieren sich jedoch vor allem auf Ackerflächen“, fasst der Professor die Ergebnisse zusammen. Hülsbergen beschäftigt sich seit Jahren mit der Nachhaltigkeit ökologischer und konventioneller Landwirtschaftsysteme. Erst Anfang Juni stellte er seine .

Vor allem Wildbienen und Pflanzen profitieren von Öko-Ackerbau

Während die Forscher auf Bio-Äckern deutlich mehr Arten fanden als auf Nicht-Bio-Äckern, war dies auf Wiesen oder in Rebkulturen nicht der Fall. Die vier Artengruppen Pflanzen, Regenwürmer, Spinnen und Wildbienen, die stellvertretend für die große Vielfalt an Lebewesen untersucht wurden, profitierten in unterschiedlichem Maß vom Ökolandbau. Auf Ökoflächen wurden mehr Pflanzen- und Wildbienenarten gefunden als auf konventionellen Arealen, jedoch nicht mehr Arten an Spinnen und Regenwürmern. 

Hecken und Feldränder erhöhen die Artenvielfalt

Wurden Arten aus Randflächen wie Hecken oder Feldrändern in den Vergleich einbezogen, so verringerten sich die Unterschiede zwischen ökologischem und konventionellem Landbau. „Offenbar kommen die auf ökologischen Äckern gefundenen Arten in den übrigen Betrieben eher in den Randbereichen vor, und die gesamte Artenzahl verändert sich deshalb kaum“, erklärt Max Kainz, Leiter des Teilprojekts an der TUM. Auch das Vorkommen seltener oder gefährdeter Arten war laut Kainz nicht von der ökologischen Bewirtschaftung abhängig.Zum Schutz der stark gefährdeten Artenvielfalt in der Agrarlandschaft braucht es neben dem Ökolandbau also auch die Erhaltung von Lebensräumen. „Wenn sich die zusätzlichen Lebensräume vom Rest der Betriebsfläche unterscheiden, zum Beispiel Hecken in Graslandbetrieben oder Krautstreifen in Ackerbaubetrieben, erhöhen sie die gesamte Artenzahl des Betriebes stark“, erläutert Hülsbergen. Damit ist klar: Artenschutz ist kein Selbstläufer, auch Öko-Betriebe müssen sie gezielt fördern. „Erstaunlicherweise fanden wir auf den Öko-Betrieben über alle Regionen hinweg nicht mehr naturnahe Lebensräume als auf den übrigen Betrieben“, berichtet Kainz.

Inzwischen hat offenbar auch die Politik den Handlungsbedarf erkannt. So plant die EU beispielsweise im Rahmen ihrer Agrarpolitik ein Greening-Programm, welches Agrarbeihilfen und Umweltschutz miteinander verknüpft. Künftig erhalten Landwirte nur dann alle ihnen zustehenden Gelder, wenn sie konkrete Umweltleistungen erbringen. Diese umfassen den Erhalt von Dauergrünlandflächen wie Wiesen und Weiden, eine größere Vielfalt bei der Auswahl der angebauten Feldfrüchte sowie die Bereitstellung sogenannter "ökologischer Vorrangflächen" auf Ackerland. Ab 2015 sollen rund 5% der Ackerflächen im Umweltinteresse genutzt werden. Im Juni hatte der Bundesrat den Weg für die Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht freigemacht.

Der Bundesverband der Bioethanolwirtschaft hat eine Studie zu agrarökonomischen Auswirkungen der Biokraftstoffproduktion veröffentlicht und reagiert damit auf öffentliche Kritik. Entwicklungsorganisationen kritisieren, die Erzeugung des Kraftstoffes mit Biomasse treibt die Agrarpreise in die Höhe. Der Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe) hält diese These wegen wissenschaftlicher Unsicherheiten für nicht belegbar. In einer Auftragsstudie analysierten Berliner Wissenschaftler nun den aktuellen Kenntnisstand. Ihre Ergebnisse präsentierten die Forscher am 3. Juli bei einer Pressekonferenz in Berlin. Demnach sind die Auswirkungen auf Preisentwicklungen jedoch weitaus geringer als hinlänglich behauptet.  

Verschiedene Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie die britische Oxfam, die sich dem Kampf gegen Hunger und Armut verschrieben hat, kritisieren die Produktion und politische Förderung von Biokraftstoffen aus Nahrungsmitteln. Die Erzeugung wirke sich negativ auf die Agrarpreise aus und ist für eine zunehmende Flächennutzung verantwortlich. Würde die Politik die Förderung der Biokraftstofferzeugung beenden, hätte das eine sinkende Nachfrage und damit eine Preissenkung aller Agrarprodukte zur Folge. Im Falle von Getreide, das auch zur Bioethanolherstellung genutzt wird, würde die EU von einem Exporteur zu einem Importeur werden. Der Beitrag zum Klimaschutz sei zudem fragwürdig, das Bild eines CO2-neutralen Kraftstoffs sei verzerrt. Das sind einige der Argumente, die derzeit in der öffentlichen Debatte zum Für und Wider von Biokraftstoffen angeführt werden. „Ein Minus an Biosprit ist ein Plus für die Ernährungssicherheit. Niedrigere Weltmarktpreise für Agrarrohstoffe können die Preise in Regionen, in denen viele Menschen unterernährt sind, sinken lassen. Menschen in Armut könnten davon profitieren“, betonte Marita Wiggerthale, Agrarexpertin bei Oxfam Deutschland Ende des vergangenen Jahres in einer öffentlichen Stellungnahme der Entwicklungsorganisation.

Studie sagt: Ja, aber...

Um aufzuklären, inwieweit diese Debatte wissenschaftlich fundiert ist, hat der BDBe eine Studie in Auftrag gegeben. Darin haben die Agrarökonomen Harald von Witzke von der Humboldt-Universität Berlin und Steffen Noleppa vom Agripol Network for policy advice vorhandene Studienergebnisse zur Thematik aus den vergangenen beiden Jahren miteinander verglichen. Darunter auch jene Publikationen, die Kritikern als Basis für ihre Beurteilung dienten. Ihren Ergebnissen nach trage Biotehanol zwar zum Anstieg von Agrarpreisen bei. Wahrscheinlich jedoch bei weitem nicht so hoch, wie von den Kritikern konstatiert. „Die Konzentration auf Biokraftstoffe in der öffentlichen Debatte um die globale Ernährungssituation lenkt von den wesentlichen Gründen anhaltenden Hungers in der Welt ab“, schlussfolgerte von Witzke in Berlin. Die Argumentation könne zudem zu nicht zweckmäßigen politischen Entscheidungen führen, die das Hungerproblem verstärken, warnt der Professor.  

Wissenschaftliche Unsicherheiten

Eine weitere wesentliche Feststellung der Forscher: Es handle sich bei der Argumentation der Bioethanol-Skeptiker um eine selektive Informationspolitik. „Häufig werde bei Studien nur ein einzelner Autor zitiert“, so Noleppa. „Dort werden auch nur die maximalen jeweils ermittelten Preiseffekte artikuliert.“ Zu anderen Behauptungen mancher NGOs  gebe es keine wissenschaftliche Literatur, so sei laut der Kritik mit 30 bis 442 Millionen weiteren Hungernden durch die Biokraftstoffwirtschaft zu rechnen. In vielen Modellen würden zudem positive Koppeleffekte der Bioethanolherstellung außer Acht gelassen. Die Gewinnung gehe Zulasten der Stilllegungsflächen und Nebenprodukte wie Proteinfutter für Vieh fielen an, so von Witzke. Alles in allem berechnen die Ökonomen den reinen Effekt des Bioethanols auf die Weltmarktpreise auf weit unter 1 Prozent. Der Wert liegt damit niedriger als etwa bei Biodiesel. Wiederholt wiesen die Forscher auf den bisherigen Forschungsstand und die geringe Erfahrung mit Biokraftstoffen hin. „Es steht außer Frage, dass auch Biokraftstoffe die Nachfrage nach Agrarprodukten erhöhen. Die tatsächlichen Auswirkungen der Biokraftstofferzeugung und deren Verbrauch zu bestimmen, erfordert noch weitere Forschungsanstrengungen“, betonte von Witzke. „In der Tat geht es um Landnutzungskonflikte, die Faktoren sind jedoch vielfältig." 

Wissenschaftliche Einigkeit

Zumindest in diesem Punkt dürfte sich Oxfam und der BDBe einig sein. Modellanalysen zu Intensivierungs- und Landnutzungseffekten seien komplex und mit Unsicherheiten behaftet, schreiben Wissenschaftler um Harald Grethe von der Universität Hohenheim in einer von Oxfam in Auftrag gegebenen Studie. Das rechtfertige jedoch nicht, die durch die Biokraftstoff-Nachfrage verursachten Effekte zu ignorieren. Stattdessen sollte die wissenschaftliche Praxis der Bewertung von Landnutzungs- und Intensivierungseffekten kontinuierlich verbessert werden, heißt es dort weiterhin.  

Laut den Berliner Forschern seien Variablen wie steigende Energiepreise und limitierte Ressourcen mit rasant wachsender Bevölkerung und Nachfrage tragende Einflussfaktoren für den Agrarpreis-Trend.

Auf einer Fläche von mehr als einer Million Hektar wird in Deutschland ökologische Landwirtschaft betrieben. Auch künftig soll der Ökolandbau hierzulande eine wichtige Rolle spielen. Das hat Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt am 9. Juli nach einem Treffen mit Vertretern des Bundes für ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) in Berlin betont. Um die Biobranche zu schützen, kündigte der Minister zudem an, sich für Änderungen an der von der EU-Kommission geplanten Revision der EU-Öko-Verordnung einzusetzen. Mit dem BÖLW wurde zudem ein „Zukunftsplan Öko“ verabredet.

Deutschland ist mit Abstand der größte Markt für Bio-Lebensmittel in Europa, belegen Zahlen des Bundesminsiteriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Bei der weltweiten Nachfrage steht Deutschland mit einem Umsatz von 7,55 Miliarden Euro demnach an zweiter Stelle. Nur der US-Markt ist noch größer. Im vergangenen Jahr wurden 1.060.669 Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche hierzulande ökologisch bewirtschaftet, eine Fläche etwa halb so groß wie Hessen. Gegenüber dem Jahr 2012 vergrößerte sich die Anbaufläche für Bio-Erzeugnisse um knapp zwei Prozent. Die Anzahl der landwirtschaftlichen Unternehmen, die 2013 ökologischen Landbau praktizierten, blieb mit 23.271 Betrieben hingegen weitgehend stabil (Anstieg um 0,2 Prozent  gegenüber 2012).

Ökolandbau mit 160 Millionen Euro gefördert

Das BMEL misst der ökologischen Landwirtschaft einen hohen Stellenwert bei. „Im Ökomarkt steckt großes Potenzial. Nahrungsmittel aus ökologischer und regionaler Erzeugung werden von den Verbraucherinnen und Verbrauchern immer mehr nachgefragt“, sagte Minister Schmidt in Berlin. Sein Haus wolle die  Branche weiter gezielt fördern. „Zu Beginn des Jahres haben wir deshalb die Fördersätze in der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes erneut erhöht“, so der Minister weiter. Auch für 2014 sei eine weitere Anhebung der Fördersätze geplant. Insgesamt haben Bund, Länder und EU die ökologische Landwirtschaft im Jahr 2013 mit mehr als 160 Millionen Euro gefördert. In der Branche wird die Unterstützung dankbar registriert. „Minister Schmidt räumt der ökologischen Lebensmittelwirtschaft einen hohen Stellenwert ein. Er will vor allem das Wachstumspotenzial für die stark nachgefragten heimischen Bio-Lebensmittel besser nutzen“, resümierte der Vorsitzende des Bio-Dachverbandes BÖLW, Felix Prinz zu Löwenstein, anlässlich des Treffens mit dem Bundesminister. In Berlin vereinbarten die beiden zudem, dass das Umweltministerium gemeinsam mit einer Reihe von Verbänden einen „Zukunftsplan Öko“ zu erarbeiten, um die Branche weiter zu stärken. In den kommenden Monaten soll es dazu weitere Gespräche geben.

Ablehnung des Kommissionsentwurfs für eine neue EU-Öko-Verordnung

Während des Gedankenaustausches wurde auch über die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Biobranche diskutiert. Einig sei man sich in der Bewertung der EU-Kommissionsvorschläge für eine neue Öko-Verordnung. Zum zweiten Mal seit ihrem Bestehen 1992 soll das europäische Regelwerk, es bildet den Rechtsrahmen für Bio-Lebensmittel, komplett reformiert werden. Ende März 2014 hat die Europäische Kommission dazu einen Entwurf vorgelegt, der auf eine vollständige Neufassung der Verordnung abzielt. Mit deutlichen Worten hat Bundesminister Schmidt sich nun dagegen positioniert: „Die Entwicklungschancen des Ökolandbaus dürfen nicht durch unberechtigte und überzogene rechtliche Hürden behindert werden. Wir dürfen nicht riskieren, dass insbesondere kleine und mittlere Betriebe reihenweise aus dem ökologischen Landbau aussteigen, weil sie die überzogenen Anforderungen schlichtweg nicht mehr erfüllen können.“Auch Verbandvertreter Löwenstein wirbt für eine Überarbeitung der bestehenden Verordnung statt einer vollständigen Neufassung. Der bisherige Kommissionsentwurf sei  ungeeignet, die deutsche Bio-Lebensmittelproduktion zu stärken und konterkariere Verbraucherinteressen. „Jetzt kommt es darauf an, dass Minister Schmidt im EU-Rat eine Mehrheit gegen den Entwurf der EU-Kommission und für eine sinnvolle Weiterentwicklung der bestehenden Verordnung hinter sich versammelt“, forderte Verbandschef Löwenstein.

In einer Bioraffinierie-Demonstrationsanlage im dänischen Kalundborg ist aus Stroh und anderen Reststoffen Bioethanol hergestellt worden. Das Deutsche Biomasseforschungszentrum in Leipzig hat mitgeholfen, die Technik zur Marktreife zu bringen. Das Forschungsprojekt Kalundborg Cellulosic Ethanol Plant (Kacelle) wurde im Rahmen des 7. Rahmenforschungsprogramms der Europäischen Union gefördert. Auf Grundlage der Forschungsergebnisse startet in Dänemark nun der Bau einer kommerziellen Anlage.

Die Konkurrenz von Energiepflanzen- und Lebensmittelproduktion hat in der Vergangenheit immer wieder zu Diskussionen über die Nachhaltigkeit der Biokraftstoffproduktion geführt. Um diesen Gegensatz zu vermeiden, zielen daher inzwischen viele Forschungsprojekte darauf ab, besonders genügsame Pflanzen zu finden, die auf Böden wachsen, die sich nicht für die Lebensmittelproduktion eigenen. Ein anderer Ansatz ist, Agrarreststoffe wie Holzhackschnitzel oder Stroh zu nutzen, die sich nicht als Lebensmittel eignen. Genau diese Herangehensweise wurde auch bei Kacelle gewählt: Ziel in dem zwischen 2009 und 2013 durchgeführten Projekt war es, Alkohol auf Basis von Lignocellulose – im wesentlichen Getreidestroh – im industriellen Maßstab zu produzieren.

Für Lignocellulose-Verdau sind besondere Hefen nötig

Lignocellulose ist ein komplexes Zuckermolekül, welches vor allem in Zellwänden eingelagert ist. Die erste Generation der Bioraffinerien nutzte vor allem Stärke, eine Zuckerkette aus zahlreichen aneinandergereihten Glukose-Molekülen für die Energiegewinnung. In Agrarreststoffen ist aber nur wenig Stärke enthalten. Der Zucker ist dort in Form von Cellulose, Hemicellulose und Lignin gespeichert. Das Problem: Lignocellulose nutzt nicht wie Stärke nur Glucose als Zuckerbaustein, es kommen auch andere Zucker wie Xylose und Arabinose zum Einsatz. Weil diese Zucker aber nicht wie Glukose aus sechs sondern nur fünf Kohlenstoffatomen bestehen, können die bisher für die Ethanolproduktion verwendeten Hefen sie nicht verdauen. Es müssen also speziell gezüchtete Hefen eingesetzt werden, die neben der Glucose auch die anderen Zucker zu Ethanol vergären können.

Sechs Projektpartner aus Skandinavien, Portugal und Deutschland

An dem Projekt haben neben dem Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ) vor allem skandinavische Partner mitgearbeitet: Das dänische Unternehmen Inbicon, dass zur Dong Energy-Gruppe gehört, stellte die eigentliche Bioraffinerie-Anlage in Kalundborg zur Verfügung und entwickelte das grundlegende technische Verfahren, mit dem sich aus Getreidestroh und anderer Lignocellulose-Biomasse Bioethanol herstellen lässt. Es kann zum Beispiel Benzin beigemischt werden und hilft so, den Verbrauch fossiler Energie im Staßenverkehr zu senken. Mit der Inbicon-Technik werden zudem zwei weitere erneuerbare Energieprodukte aus landwirtschaftlichen Reststoffen erzeugt: Ligninpellets, welche Kohle ersetzen und C5-Molasse, die als "Biogas-Booster" verwendet werden kann.

Vor der Nutzung als Kraftstoffbeimischung wurde das produzierte Bioethanol vom norwegische Erdöl- und –gaskonzern Statoil in Motor-Prüfständen und Fahrzeugen zunächst intensiv erprobt und charakterisiert. Die Universitäten in Kopenhagen, Dänemark, und Braga, Portugal, haben erforscht, wie sich die in der Raffinierie verwendeten Enzyme wiederverwerten lassen, um so die Produktionskosten zu senken.

Das niederländische Unternehmen DSM wiederum entwickelte Hefestämme und Enzyme, die auch die Fünffachzucker verdauen konnten und sorgte so für eine wesentlich höhere Ausbeute. Als Projektpartner war das DBFZ mit der Analyse und Bewertung der Treibhausgasemissionen und der Wirtschaftlichkeit der Ethanol-Produktionskette beauftragt. In mehreren Szenarien wurden hierbei die Treibhausgasemissionen durch eine detaillierte Lebenszyklusanalyse (LCA) des hergestellten Bioethanols ermittelt. In ähnlicher Weise hat das DBFZ auch die wirtschaftlichen Aspekte analysiert und vor dem Hintergrund des aktuellen Treibstoffmarkts die Kosten für die Ethanolherstellung kalkuliert.

In Jütland entsteht eine kommerzielle Bioraffinerie

Insgesamt haben die Projektpartner so die gesamte Wertschöpfungskette von der Bereitstellung der Biomasse über die Konversion der Lignocellulose in der Ethanol-Anlage bis hin zur Bereitstellung des Ethanols für die Nutzung in Kraftfahrzeugen abgedeckt. So gelang es, die Technik vom Demonstrationsprojekt zu einem marktfähigen Konzept auszugestalten. „Durch eine Verringerung der Produktionskosten und eine Steigerung des Ethanolertrags um 40 %, konnte die Wirtschaftlichkeit der Lignozellulose-Ethanol-Technologie im Laufe des Kacelle-Vorhabens massiv verbessert werden. Die untersuchte Technologie wird derzeit bereits im industriellen Maßstab in Dänemark aufgebaut", so Konstantin Zech vom DBFZ in Leipzig. Erst Anfang Juli gewährte die Europäische Union rund 39 Mio. Euro Fördermittel für den Aufbau einer kommerziellen Bioraffinerie im dänischen Jütland. Dort sollen ab 2017 pro Jahr rund 80 Millionen Liter Bioethanol produziert werden. Zum ersten Mal überhaupt sollen in dem Komplex zeitgleich Wärme, Strom und Gas aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt werden.

Der französische Konzern Lesaffre übernimmt den Biokraftstoff-Spezialisten Butalco. Bisher verdiente Lesaffre sein Geld vor allem durch den Verkauf von Bäckerhefen und Hefeextrakten für die Lebensmittelindustrie. Mit Hilfe der neuerworbenen Butalco GmbH will das Unternehmen nun auch in der Bioethanol-Produktion weiter Fuß fassen. Gelingen soll dies unter anderem mit speziellen Hefestämmen, die in der Lage sind, Biomasse besonders effizient umzusetzen. Entwickelt wurden die Turbohefen von Butalco an der Universität Frankfurt.

Hefen sind die Arbeitspferde in der industriellen Biotechnologie. Sie werden genutzt, um aus Biomasse wertvolle Rohstoffe wie Plattformchemikalien oder Bioethanol herzustellen. Damit das möglichst effizient gelingt, werden in der industriellen Biotechnologie fast ausschließlich speziell entwickelte Produktionsstämme eingesetzt. Sie werden maßgeschneidert für die jeweilige Anwendung entwickelt, um gezielt ein bestimmtes Produkt herzustellen oder einen bestimmten Stoff umzuwandeln. Durch diese Anpassungen sind die Hefen aus dem Labor den in der freien Natur vorkommenden Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae überlegen. Das hilft Abfälle zu vermeiden und Kosten zu sparen.

Turbohefen für effizientere Fermentation

Butalco hat sich auf genau diese Arbeiten spezialisiert. Das Unternehmen mit Sitz in der Schweiz hat gentechnisch veränderte Hefestämme entwickelt, die in der Lage sind, Fünffachzucker umzusetzen. Genau dies ist bisher eine Schwäche vieler industriell genutzter Hefen. Sie sind bei ihrer Kost äußerst wählerisch. „Das Problem liegt in der Zuckeraufnahme in die Hefezelle“, sagt Eckhard Boles, einer der Mitgründer von Butalco. „Das Zuckertransportsystem bevorzugt die Aufnahme von Glucose. Erst wenn diese verbraucht ist, kann auch die Xylose aufgenommen und in Bioethanol umgewandelt werden“, erläutert Boles im Gespräch mit . Dieses mehrstufige Vorgehen macht die Verfahren unter dem Strich aufwendiger und verursacht höhere Kosten. Die von Butalco entwickelten Turbohefen haben in ihrer Membran zusätzlich spezielle Xylose-Transporter, so dass sie gleichzeitig Glucose und Xylose aufnehmen und damit deutlich schneller zu Bioethanol umsetzen.

Butalco: Wurzeln in Frankfurt

Butalco wurde 2007 von Boles gemeinsam mit dem Investor Gunter Festel in der Schweiz gegründet. Die Wurzeln des Unternehmens liegen jedoch mitten in Deutschland, genauer an der Universität Frankfurt. An der Goethe-Universität ist Boles Professor für Molekulare Biowissenschaften. Bis heute verlässt sich Butalco für die Forschungsarbeiten auf eine Kooperation mit der Universität. Das Unternehmen finanziert Forschungsprojekte, Mitarbeiter und Geräte und darf im Gegenzug die Erfindungen nutzen, die sich daraus entwickeln. „Zwei Patentanmeldungen entstanden recht schnell, in denen es um Isobutanol geht. Vier weitere Erfindungen, die ich vorher zur Vergärung von Abfallzuckern gemacht hatte, kaufte Butalco der Uni ab“, erzählt Mitgründer Boles. Die Kooperation soll auch nach der Übernahme von Butalco durch Lesaffre weitergeführt und sogar ausgebaut werden, so Boles.

Auch Butalco und Lesaffre verbindet eine mehrere Jahre währende Geschäftsbeziehung. Bereits Anfang 2012 sicherte sich Lesaffre die Rechte an einem Butalco-Patent für eine Hefe, mit der sich der Kraftstoff Bio-Ethanol aus dem Abfallzucker Xylose industriell herstellen lässt. Mehrere Millionen Euro sollen damals durch den Verkauf des Schutzrechts erlöst worden sein. Wie viel Geld für die nun erfolgte vollständige Übernahme geflossen ist, teilen die Geschäftspartner hingegen nicht mit.

Lesaffre: Neuer Fokus auf industrielle Biotechnologie

Der französische Konzern Lesaffre setzte im vergangenen Jahr mit 7.700 Mitarbeitern rund 1,56 Milliarden Euro um, vor allem durch den Verkauf von Bäckerhefen und Hefeextrakten. Durch die Übernahme könne sein Unternehmen das Angebot an Ethanol-Kraftstoffen der zweiten Generation optimieren, sagte Didier Masy. Das Unternehmen hatte erst kürzlich seine Geschäftseinheit Lesaffre Advanced Fermentation Technologies gegründet. Künftig soll auch die Butalco GmbH als eigenständiges Unternehmen zu dem Leaf Technologies genannten Geschäftsbereich gehören. Die Ausbaupläne für diese Biotech-Sparte sind ehrgeizig. In fünf Jahren will Lesaffre rund 30% seines Umsatzes in diesem Bereich erzielen. Dafür ist das französische Unternehmen gerade auf Einkaufstour in ganz Europa. Erst im Februar wurde Agrauxine übernommen. Die Firma in Angers, Frankreich, ist auf die Herstellung von biobasierten Pflanzenschutzmitteln und Düngern spezialisiert. Im vergangenen Dezember wurde Lesaffre in Italien fündig und kaufte die Firma Omniabios. Das Unternehmen hat sich auf die Aufreinigung von S-Adenosyl-L-Methionin spezialisiert. Das natürlicherweise auch im menschlichen Körper produzierte Molekül wird als Nahrungsmittelzusatzstoff genutzt, und soll Osteoarthritis und Depression mildern.

Vor einem Jahr hat die Landesregierung Baden-Württemberg das Forschungsprogramm Bioökonomie beschlossen. Nun sind die ersten der mit insgesamt 13 Millionen Euro geförderten Projekte gestartet. So will das Ländle fit werden für eine Zukunft auf Basis nachwachsender Rohstoffe. Heimische Forschungseinrichtungen sollen stärker untereinander und mit der Wirtschaft vernetzt werden – und so künftig auch international beachtete Kooperationspartner werden. Drei große Themenbereiche stehen in Baden-Württemberg auf der Agenda: Biogas, Lignocellulose-Bioraffinerien und Mikroalgen.

Insgesamt 45 Projekte in drei großen Themenblöcken wurden der baden-württembergischen Landesregierung von externen Gutachtern zur Förderung empfohlen. Vor allem Vorhaben, die standortübergreifend und interdisziplinär angelegt sind, trafen auf Zustimmung. So stiege die Chance, Bundes- und EU-Mittel im Bereich der Bioökonomie einwerben zu können, betonte Ministerpräsident Winfried Kretschmann: „Mit dem Forschungsprogramm Bioökonomie erreichen wir so eine Hebelwirkung der eingesetzten Fördergelder und unterstützen internationale Kooperationen, wie sie bereits mit China und Brasilien angelegt sind“. Bis 2017 stehen zunächst 9 Millionen Euro bereit. Die verbleibenden Mittel, etwa 4 Millionen Euro, sind für die daran anschließende zweite Förderperiode reserviert. Sie soll – basierend auf einer Zwischenevaluation – im Jahr 2016 starten.

Das Förderprogramm basiert auf Empfehlungen, die ein von Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer im Jahr 2012 einberufener Strategiekreis Bioökonomie erarbeitet hat. Von der Förderung profitieren nun neben den Universitäten Hohenheim, Stuttgart, Freiburg, Heidelberg und Ulm das Karlsruher Institut für Technologie KIT sowie der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches e. V., die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt BW, das Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie und das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Gefördert werden nicht nut Naturwissenschaftler und Ingenieure, auch Wissenschaftler aus den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und der Ethik kommen zum Zuge. Zum Sprecher des Lenkungskreises, in welchem die Forscher alle Arbeiten koordinieren, wurde Thomas Hirth, Leiter des Instituts für Grenzflächenverfahrenstechnik und Plasmatechnologie (IGVP) der Universität Stuttgart und des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) berufen.

Computermodellierung soll Entscheidungen erleichtern

Neben drei großen Forschungsverbünden fördert das Land den Aufbau eines Kompetenznetzes zur Modellierung der Bioökonomie. So soll eine systematische Berechnung sowie den Vergleich von Folgewirkungen der Biomassenutzung in verschiedenen Nutzungspfaden möglich werden. Die Koordination liegt bei Harald Grethe, dem Leiter des Fachgebiets Agrar- und Ernährungspolitik an der Universität Hohenheim. Zudem wird ein „Graduiertenprogramm Bioökonomie“ eingerichtet, in dem 40 bis 60 Promovierende betreut werden. Geleitet wird das Programm von Thomas Rausch, Leiter der Forschungsgruppe „Molekulare Physiologie der Pflanzen“ am Center for Organismal Studies (COS) der Universität Heidelberg sowie Jochen Weiss, dem  Prorektor für Forschung der Universität Hohenheim.

Flexible Biogas-Anlagen ergänzen Wind- und Stromkraftwerke

Im Forschungsverbund „Nachhaltige und flexible Wertschöpfungsketten für Biogas in Baden-Württemberg“ sollen Anlagen entwickelt werden, die nicht nur deutlich effizienter arbeiten als die bisherigen, sondern auch eine neue Funktion als Energiespeicher und bei der Verknüpfung von Strom- und Gasnetz übernehmen. Dies ist heute wichtiger denn je: Denn je mehr Strom durch Photovoltaik und Windenergie gewonnen wird, desto häufiger kommt es zu Situationen, in denen die Produktion den Bedarf übersteigt. Sogenannte Power-to-Gas-Systeme könnten helfen, dies Problem zu lösen. Mittels elektrolytischer Verfahren wird dabei mit dem Strom zunächst Wasserstoff erzeugt. Dieser könnte zunächst gespeichert werden um ihn dann bei Bedarf Biogasanlagen zuzuführen. Außerdem sollen Biogasanlagen künftig auch bisher ungenutzte Ausgangsstoffe umsetzen können, zum Beispiel holzige Biomasse oder Küchenabfälle. Die verbliebenen Gärreste sollen bestmöglich verwertet werden. Koordiniert wird das landesweite Forschungsnetzwerk, das insgesamt aus 13 Teilprojekten besteht, von Enno Bahrs, dem Leiter des Fachgebiets Landwirtschaftliche Betriebslehre an der Universität Hohenheim.

Holz und Fasern als Rohstoff für die Bioraffinerie

Der Forschungsverbund „Lignocellulose – Wechsel zu einer alternativen Rohstoffplattform für neue Produkte und Materialien“ zielt auf die ganzheitliche Nutzung holzartiger Biomasse. Pflanzen mit einem hohen Anteil an Fasern und holzigen Bestandteilen, die viel Lignocellulose enthalten, werden bisher fast ausschließlich angebaut, um daraus Energie zu produzieren oder Baumaterialien zu gewinnen. Dies könnte sich jedoch bald ändern. Neue Verfahren ermöglichen es, Lignocellulose als Ausgangsstoff für eine Reihe weiterer biobasierter Produkte mit höherer Wertschöpfung zu nutzen, wie zum Beispiel Bioplastik oder Reinigungsmittel. Ein großer Teil des bisher hierfür verwendeten Erdöls könnte damit eingespart werden. Um der Technik zum Durchbruch zu verhelfen, nehmen die den gesamten Stoffstrom vom Acker bis zum Produkt in den Blick. Die Auswahl, Züchtung und Kultivierung der Lignocellulose-liefernden Pflanzen spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Weiterentwicklung der in den Bioraffinerien ablaufenden Umsetzungsprozesse.

Mikroalgen für Futter- und Lebensmittel

Das Anwendungsspektrum von Mikroalgen zu erweitern, ist Ziel des dritten großen Forschungsverbundes „Integrierte Nutzung von Mikroalgen für die Ernährung“. Da Ackerflächen weltweit knapp werden und Mikroalgen in sehr großen Mengen kultiviert werden könnten, sind sie als Rohstoffquelle für die Bioökonomie und besonders interessant.  Vielversprechend sind vor allem Misch-Produkte, bei denen tierische Proteine zum Teil durch Inhaltsstoffe von Algen ersetzt werden. Rückstände, die bei der industriellen Produktion anfallen, könnten anschließend außerdem in der Tierernährung Verwendung finden. Ziele des Forschungsverbunds sind die Auswahl geeigneter Mikroalgen, deren Kultivierung, Ernte und Aufarbeitung und Prozessketten zur Herstellung hochwertiger Produkte. Daneben stehen auch Nachhaltigkeit, ethische Evaluierung und Akzeptanz seitens der Verbraucher im Fokus. Jochen Weiss, Inhaber des Lehrstuhls Technologie funktioneller Lebensmittel ist Sprecher des Forschungsverbunds.

Das Leben eines Autos endet auf dem Schrottplatz – bisher zumindest. Künftig könnten einige Autokomponenten wie Sitze auch auf dem Kompost landen. Möglich machen das biobasierte Verbundwerkstoffe aus Flachsfasern. In Kooperation mit belgischen Wissenschaftlern haben Textilforscher der RWTH Aachen nun umweltverträgliche Autobauteile entwickelt, die vollständig aus Pflanzenfasern und Biokunststoffen bestehen. Sie sind eine wirtschaftlich und funktional konkurrenzfähige Alternative zu konventionellen, auf Erdöl basierenden Verbundwerkstoffen, betonen die Forscher in ihrem Abschlussbericht.

 

Streng genommen ist die Idee, natürliche Rohstoffe im Automobilbau einzusetzen, nicht ganz neu. Henry Ford verbaute schon im Jahre 1915 in seinem legendären T-Modell eine Starterbox aus Weizengluten verstärkt mit Asbestfasern. In den 1920er Jahren konstruierte er Autoprototypen mit Karosserieteilen aus Hanffasern und Sojamehl. Der Werkstoff war so stabil, dass Henry Ford zu Werbezwecken mit einer Axt auf einen Kofferraumdeckel einschlug – ohne ihn dadurch zerstören zu können. Höhepunkt der Entwicklung war schließlich ein Prototyp, dessen Karosserie vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen bestand.

In den vergangenen Jahrzehnten sind die Anforderungen, was die Sicherheit und den Komfort von Passagieren angeht, im Automobilbau immer weiter gestiegen. Die leichte Verfügbarkeit von Erdöl tat ihr übriges, um die grünen Werkstoffe weitestgehend aus dem Automobilbau zu verdrängen. Seit einiger Zeit hat jedoch eine Gegenbewegung eingesetzt. Nicht nur interessieren sich Autokäufer immer stärker für umweltfreundliche Modelle, auch der Gesetzgeber hat in den vergangenen Jahren Umweltschutzauflagen immer wieder verschärft. Die Hersteller haben reagiert und setzen wieder verstärkt auf grüne Ressourcen. Toyota verbaut beispielsweise in einigen Baureihen Sitzpolster, Fußmatten und Seitenverkleidungen, die auf der Basis des Biokunststoffs Polymilchsäure hergestellt wurden. Und der Reifenhersteller Continental arbeitet an Pneus aus Löwenzahnkautschuk. Das Bio Concept Car, welches im Sommer auf der großen Halbzeitkonferenz Bioökonomie ausgestellt wurde, zeigt, was heute schon alles möglich ist.

Renaissance der Bioverbundwerkstoffe

Gemeinsam mit Kollegen vom Belgian Textile Research Centre Centexbel und dem Sirris Leuven-Gent Composites Application Lab wollen die Textilforscher Sangeetha Ramaswamy und Bayram Aslan vom Institut für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen die Renaissance der biobasierten Faserverbundwerstoffe weiter vorantreiben.  Zu diesem Zweck haben sie Hanf- und Flachsfasern mit aus Pflanzenstärke hergestellten Biopolymeren verbacken. Der Faserverbundwerkstoff wurde dann zu Garn oder Vließstoffen verarbeitet. Was sich eigentlich leicht anhört, erweist sich in der Praxis als schwieriges Unterfangen, bei dem es auf jedes Detail ankommt. So konnte das im Rotorspinnverfahren hergestellte Garn nicht überzeugen, weil es viel zu leicht riss. „Die Ursache dafür besteht darin, dass die Fasern bei der Garnerzeugung nicht achsparallel, also in Belastungsrichtung, ausgerichtet werden, sondern annähernd in Schraubenlinien und die Garnachse herum angeordnet sind“, erläutern die Textilexperten in ihrem Abschlussbericht.

Vließstoffe besonders aussichtsreich

Die Vließstoffe könnten hingegen schon früher fit sein für den Einsatz in der Industrie. Wichtig sei, deren Verstärkungs- und Matrixfasern gleichmäßig zu mischen. Nur so würden die höchsten Festigkeiten erreicht, heißt es im Abschlussbericht. Dann aber sind die Stoffe sogar renntauglich. Inzwischen nutzt das Formula Group T Racing Team in Belgien einen Autositz, der aus den Bioverbundwerkstoffen hergestellt wurde. Künftig könnten auch Innenraumverkleidungen von Autos und Zügen oder gar gering belastete Flugzeugbauteilen daraus gefertigt werden. Entsprechend groß sei laut Aslan das Interesse aus der Industrie schon während der Forschungsarbeiten gewesen. Auch das Bundeswirtschaftministerium hat die Forschungsarbeiten als Teil der Fördervariante CORNET (Collective Research Networking) seines Programms Industrielle Gemeinschaftsforschung unterstützt.