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Bei der dritten Ausgabe der Wissenschaftsjahr-Diskussionsreihe „Karliczek. Impulse.“ standen diesmal die industrielle Biotechnologie und ihre kleinen Helfer im Rampenlicht. Der Talk mit dem Titel „Biotechnologie macht‘s möglich – Innovationen für mehr Nachhaltigkeit“ fand am 16. Juni als kostenloses Online-Event statt. In der von Andrea Thilo moderierten Gesprächsrunde sprach Bundesforschungsministerin Anja Karliczek mit drei Fachleuten aus Forschung und Praxis. Mehr als 200 Interessierte verfolgten den Livestream.

„In vielen Produkten des Alltags steckt Biotechnologie, ohne dass wir es ahnen“, so die Ministerin. „Sie sorgt dafür, dass wir Wäsche waschen können, damit die Brötchen knuspriger werden oder dass wir gegen Corona geimpft werden können.“ Die sogenannte weiße Biotechnologie verwende Biomoleküle und Mikroorganismen für die industrielle Produktion, sagte die Bundesforschungsministerin. „Biotechnologie ist daher eine tragende Säule der Bioökonomie. Und mehr Bioökonomie ermöglicht mehr Nachhaltigkeit.“

Biotechnologie als tragende Säule der Bioökonomie

Karl-Erich Jaeger, Direktor des Instituts für Molekulare Enzymtechnologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf am Forschungszentrum Jülich, ging es in seinem Impulsvortrag zunächst darum, einige Schlüsselbegriffe zu klären. „Der sperrige Begriff Bioökonomie kurz erklärt: Wir machen Produkte mit biologischen Methoden“, so Jaeger. „Die Biotechnologie ist das größte Puzzlestück der Bioökonomie.“ Die Stars seien hier die Mikroorganismen und deren vielfältige Stoffwechselleistungen. In den meist einzelligen Organismen wie Bakterien und Pilzen seien Enzyme die Leistungsträger. „Enzyme sind in der Zelle die Arbeitspferde, weil sie biochemische Reaktionen beschleunigen“, so Jaeger. Die Bioindustrie nutzt Enzyme als Spezialwerkzeuge. Sie helfen, Rohstoffe zu schonen, Abfallströme zu reduzieren, CO2-Emissionen und Produktionskosten zu senken. Einer EU-Studie zufolge könne der Einsatz von Enzymen in Waschmitteln, Textilien und Kosmetik bis zu 42 Millionen Tonnen CO2 einsparen, sagte Jaeger.

Zukunftsziel nachhaltige Kreislaufwirtschaft

 „Die Zukunft ist Kreislaufwirtschaft. Wenn wir bis 2045 klimaneutral und nachhaltig wirtschaften wollen, brauchen wir solche Anwendungen“, sagte Karliczek. Deshalb habe das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) frühzeitig die Technologieentwicklung unterstützt. Die Erfahrung zeige, dass man einen langen Atem brauche und gleichzeitig ausgereifte Technologien schnell auf die Straße bringen müsse. Jürgen Eck vertrat in der Diskussionsrunde die wirtschaftliche Perspektive. Der einstige Forschungsvorstand und Chef des Biotechnologie-Unternehmens BRAIN AG ist mittlerweile als Innovationsberater (bio.IMPACT) tätig und ist Mitglied des Bioökonomierats der Bundesregierung.

„Wir stehen am Beginn einer großen wirtschaftlichen Transformation“, sagte Eck. Bisher haben wir lineare Wertschöpfungsketten, die in Abfallströmen und CO2-Emissionen enden. Wir müssen hin zu einer energie- und ressourcenefffizienten Kreislaufwirtschaft.“ Dafür müsse man neue Wertschöpfungsnetzwerke aufbauen. „Die Gewinner dieser Entwicklung sind nicht länger die Rohstoffinhaber, sondern die Technologieinhaber“, so Eck. Bettina Siebers leitet das Institut für Molekulare Enzymtechnologie und Biochemie an der Universität Duisburg-Essen. Auch sie unterstrich, warum Mikroorganismen und Enzyme als winzige Akteure einer Kreislaufwirtschaft unverzichtbar sind. „Die Biologie funktioniert schließlich in Stoffkreisläufen, alles wird verwertet.“

Extremophilen auf der Spur

Viele potenzielle Technologien von morgen schlummern womöglich noch unerschlossen in der globalen Biodiversität. Das will Bettina Siebers ändern. „Ich bin etwas extrem“, eröffnete sie ihren Impulsvortrag: Die Mikrobiologin erforscht extremophile Archaeen, die sich besonders in heißen Quellen auf Island oder in Schwarzen Rauchern in der Tiefsee wohl fühlen. „Mich hat fasziniert, wie die Mikroben das schaffen, bei 90 Grad Celsius zu leben.“ Ein Grund dafür, so Siebers, sei die biochemische Ausstattung der Zellen mit sogenannten Extremozymen. Sie stellte ein aktuelles Forschungsprojekt mit dem Titel „HotAcidFactory“ vor, in dem die extremophile Mikrobe namens Sulfolobus acidocaldarius auf ihre Eignung als neuartiger Produktionsorganismus für Enzyme und Alkohole untersucht wird. Gefüttert wird die Mikrobe mit Rohglycerin als Reststoff aus der Biodieselherstellung und CO2.

At the third edition of the Science Year discussion series "Karliczek. Impulse.", the spotlight was on industrial biotechnology and its little helpers. A free online talk entitled "Biotechnology makes it possible - innovations for greater sustainability" was held on June 16. In the roundtable moderated by Andrea Thilo, Federal Research Minister Anja Karliczek spoke with three experts from research and practice. More than 200 interested people followed the livestream.

"Biotechnology is in many everyday products without us being aware of it," she said. "It ensures that we can do laundry, that our bread rolls get crispy or that we can be vaccinated against Corona." So-called white biotechnology uses biomolecules and microorganisms for industrial production, the federal research minister said. "Biotechnology is therefore a cornerstone of the bioeconomy. And more bioeconomy enables more sustainability."

Biotechnology as the foundation of the bioeconomy

Karl-Erich Jaeger, director of the Institute for Molecular Enzyme Technology at Heinrich Heine University in Düsseldorf at the Jülich Research Center, began his keynote speech by clarifying some key terms. "The bulky term bioeconomy in a nutshell: we make products using biological methods," Jaeger said. "Biotechnology is the biggest piece of the bioeconomy puzzle." The real heroes here are microorganisms and their diverse metabolic capabilities. In the mostly unicellular organisms such as bacteria and fungi, enzymes are the high performers because they accelerate biochemical reactions, says Jaeger. The bioindustry uses enzymes as special tools. They help conserve raw materials, reduce waste streams, and cut CO2 emissions and production costs. According to an EU study, the use of enzymes in detergents, textiles and cosmetics could save up to 42 million tons of CO2.

Sustainable circular economy as the future goal

 "The future is circular economy. If we want to have a climate-neutral and sustainable economy by 2045, we need these kinds of applications," Karliczek said. That's why the German Federal Ministry of Education and Research (BMBF) supported technology development at an early stage, she said. Because experience shows that you need stamina and mature technologies that you can get on the road quickly. Jürgen Eck represented the economic perspective in the panel discussion. The former research director and head of the biotechnology company BRAIN AG now works as an innovation consultant (bio.IMPACT) and is a member of the German government's Bioeconomy Council.

"We are at the beginning of a major economic transformation," Eck said. So far, we have linear value chains that end in waste streams and CO2 emissions. We need to move toward an energy- and resource-efficient circular economy." To do that, he said, we need to build new value networks. "The winners of this development are no longer the raw material owners, but the technology owners," Eck said. Bettina Siebers heads the Institute for Molecular Enzyme Technology and Biochemistry at the University of Duisburg-Essen. She, too, emphasized why microorganisms and enzymes are indispensable players in a circular economy. "Biology ultimately works in material cycles, everything is recycled."

On the trail of extremophiles

Many potential technologies of tomorrow may still lie untapped in global biodiversity. Bettina Siebers wants to change that. "I'm a bit extreme," she opened her keynote lecture: the microbiologist researches extremophilic archaea that feel particularly at home in hot springs on Iceland or in black smokers in the deep sea. "I was fascinated by how the microbes manage to live at 90 degrees Celsius." One reason, Siebers said, is that the cells are biochemically equipped with so-called extreme enzymes. She presented a current research project called "HotAcidFactory," in which the extremophilic microbe called Sulfolobus acidocaldarius is being studied for its suitability as a novel production organism for enzymes and alcohols. The microbe is fed with crude glycerol as a residue from biodiesel production and CO2.

Spätestens seit 2018 bildet die Bioökonomie an der Universität Greifswald einen Schwerpunkt: Seitdem koordiniert die Hochschule Forschungsgruppen aus der Biotechnologie, Pharmazie, Landschaftsökonomie und -ökologie, Paludikultur und der Geographie im Forschungsbündnis Plant³, dessen Ziel die hochwertige Veredelung pflanzlicher Roh- und Reststoffe ist. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Netzwerk im Rahmen des Programms WIR! – Wandel durch Innovation in der Region. Jetzt erhält die Universität Greifswald aus diesem Topf mehr als 1 Mio. Euro, um damit Großgeräte anzuschaffen und damit die Infrastruktur für diese und weitere Forschungsvorhaben in der Bioökonomie auszubauen.

Strukturwandel in Mecklenburg-Vorpommern

„Mit der neuen Infrastruktur haben wir die Möglichkeit, in unserem WIR!-Bündnis Plant³ weitere innovative Projekte an der Schnittstelle von Wissenschaft und Wirtschaft auf den Weg zu bringen, die bislang nur mit aufwändigeren Methoden oder durch Beauftragung externer Einrichtungen durchführbar waren“, freut sich Bündnissprecher Daniel Schiller. Somit werde auf substantielle Weise der durch das Plant³-Bündnis vorangetriebene innovationsbasierte Strukturwandel im nordöstlichen Mecklenburg-Vorpommern gestärkt. Die neuen Geräte sollen sowohl neue Methoden als auch neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Forschungsgruppen erschließen.

Sieben konkrete Anschaffungen im Blick

Zugeordnet werden die Investitionen dem Institut für Pharmazie sowie dem Institut für Botanik und Landschaftsökologie. Ersteres erhält eine Photobioreaktoranlage, um darin Mikroalgen und marine Mikroorganismen zu kultivieren, sowie einen Gaschromatographen mit Massenspektrometer, um Enzyme zu charakterisieren, die komplexe Polysaccharide abbauen können. Darüber hinaus ist ein sogenannter Phyto-Container vorgesehen, in dem mit Heilpflanzen experimentiert werden soll, sowie eine Pilotanlage zur Aquaponik. Das Institut für Botanik und Landschaftsökologie freut sich auf neue Messgeräte, um die klimarelevanten Stoffströme auf Paludikulturflächen zu erfassen und um Photosyntheseaktivitäten und damit die Produktivität pflanzlicher Biomasse zu studieren. Nicht zuletzt soll eine LIDAR-fähige Drohne genutzt werden, um wiedervernässte Moorflächen zu analysieren.

Auch Studierende profitieren

Einen weiteren Nutzen sieht die Hochschule über die Forschungsaktivitäten hinaus auch für die Lehre: Studierende des im Aufbau befindlichen Master-Studiengangs „Bioeconomy“ können so praxisnah und mit modernen Methoden ausgebildet werden.

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Susanne Baldermann cares about the nutrition of the future. Her research goal: to enable healthy nutrition within planetary boundaries. A stay in Japan had inspired the food chemist with a doctorate in algae research, but also sharpened her eye for sustainable food production. She sees modern agricultural systems such as vertical farming as a way to ensure a healthy diet in the future. To this end, Baldermann is also targeting secondary plant compounds from indoor vegetables and herbs. She is convinced that such modern production systems will provide us with fresh food regionally all year round in the future.

Der Trend beim Kauf von Lebensmitteln geht in Richtung Nachhaltigkeit. Vor allem regionale und pflanzenbasierte Produkte sind gefragt. Food-Innovationen wie Insektenburger oder Algenpasta drängen auf dem Markt und zeigen, wie die Lebensmittelproduktion künftig umweltfreundlicher und nachhaltiger werden kann. Noch werden für die Lebensmittelproduktion – einschließlich Transport und Lagerung – enorme Mengen an Wasser, Energie und Rohstoffen verbraucht. Die Art, wie wir uns ernähren, hat demnach großen Einfluss auf Umwelt und Klima.

Impulsgeber für Food-Innovationen

Mit dem Bau des Food Campus Berlin will die Artprojekt GmbH die Zukunft der Lebensmittelproduktion neugestalten und zugleich sichtbar und erlebbar machen. „Wir wollen der bedeutendste Innovationsort für Lebensmittel in Europa werden und Impulsgeber für ähnliche Orte auf der ganzen Welt werden“, erklärt Jörg Reuter, Geschäftsführer der Artprojekt Nature & Nutrition GmbH im Gespräch mit bioökonomie.de.

Auf einem 14.000 Quadratmeter großen Areal in der Teilestraße in Berlin-Tempelhof-Schöneberg entsteht in den kommenden Jahren – direkt am Teltow-Kanal – ein Innovationszentrum für die Lebensmittelproduktion von morgen. Auf rund 40.000 Quadratmetern werden Büro- und Kommunikationsräume, Versuchsküchen sowie teils gläserne Produktionsflächen für Start-ups, Unternehmen, Institute und Dienstleister eingerichtet. Auch ein Gründerzentrum für Food-Handwerk und -Produktion ist geplant sowie eine Kantine, die den neuesten Innovations- und Ernährungsstandards gerecht wird.

Plattform für Lösungskonzepte und Innovationsprojekte

„Der Food Campus Berlin wird ein Sprungbrett für Lösungskonzepte und gleichzeitig eine Bühne für Innovationsprojekte“, sagt Reuter und erklärt: „Wenn wir von Innovation reden, meinen wir Planetary Health Solutions. Es geht hier also um das Entwickeln von Lösungen, die einen Beitrag zur Nachhaltigkeit liefern.“ Der Food Campus soll demnach eine Art „Ideenschmiede“ werden, wo Start-ups und etablierte Unternehmen Hand in Hand mit Forschenden, Experten aus Lebensmitteltechnologie und Landwirtschaft, mit Köchinnen und Köchen an Konzepten und Produkten für nachhaltige Lebensmittel arbeiten.

Eröffnung im Frühjahr 2024 geplant

Der Bauantrag für den Food Campus Berlin wurde im Oktober gestellt. Im Frühjahr 2022 soll mit dem Bau begonnen werden. „Da gibt es keine grundsätzlichen Bedenken. Wir rechnen damit, dass wir im April anfangen können zu bauen." Die Baukosten von rund 200 Mio. Euro werden Reuter zufolge von privaten Investoren getragen. Die Eröffnung des Food Campus Berlin ist für das Frühjahr 2024 geplant. Die Artprojekt GmbH wird den neuen Campus nach der Fertigstellung weiter managen, während die Gebäude an Investoren veräußert werden. „Es ist spannend zu sehen, wie wir hier einen Zeitgeist anstoßen. Die institutionellen Anleger wie Versicherungsgruppen stehen jetzt schon Schlange."

bb