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Hohe Nahrungsmittelpreise, Bevölkerungsexplosion, schrumpfende Ressourcen, Klimawandel: Die Landwirtschaft berührt viele der Mega-Probleme unserer Zeit. Wie kann Agrarforschung helfen, diese Herausforderungen besser in den Griff zu bekommen? Wie sollte eine zeitgemäße, international ausgerichtete Agrarforschung aussehen? Über solche Fragen wurde am 15. Januar bei einer Podiumsdiskussion gesprochen, zu der die Wissenschaftspressekonferenz (WPK) nach Berlin geladen hatte. Mehrfach betonten die Experten auf dem Podium, es komme auf eine ideologiefreie Vielfalt der Forschungsansätze an. Fortschritte könnten gerade dann spürbar werden, wenn neue Erkenntnisse in Nationen mit „guter Regierungsführung" (good governance) umgesetzt würden. Wichtig sei auch, die Zivilgesellschaft schon früh in Diskussionen einzubinden.

Zum Auftakt der Grünen Woche in Berlin häufen sich naturgemäß die Diskussionsrunden und Expertengespräche. Am 15. Januar ging es in Berlin nicht nur um den , sondern auch um die Zukunft der Agrarforschung. Zu einer Podiumsdiskussion hatte der Journalisten-Verband „Wissenschaftspressekonferenz (WPK)“ in die Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen geladen. Agrarjournalist Wilfried Bommert skizzierte in einem Impulsvortrag die großen Probleme, mit denen die Landwirtschaft weltweit konfrontiert ist. „Verminderte Bodenfruchtbarkeit, Wassermangel, zu wenige angebaute Pflanzenarten und schwindende Ressourcen für die Düngerproduktion – die meisten zentralen High-Input-Systeme der Agarwirtschaft bröckeln“, so Bommert. Er plädierte vor diesem Hintergrund für ein Umdenken auch in der Agrarforschung und formulierte den Wunsch nach einer „Agrar- und Ernährungswende“

40 Millionen Euro vom BMBF für Agrarforschung

Henk van Liempt leitet im Bundesforschungsministerium das Referat Bioökonomie. Er betonte, Forschung könne sicher nicht alle diese genannten Probleme lösen. Das BMBF wolle aber gezielt Forschungsanreize setzen, um Weichen zu stellen hin zu einer nachhaltigen, biobasierten Wirtschaft. „Da ein solches Konzept auf nachwachsenden Ressourcen aufbaut, liefert die Agrarforschung hierfür zentrale Erkenntnisse“, so van Liempt.  Ob in Boden- oder Pflanzenforschung, ökologischen Landbau oder Tierhaltung, jährlich investiere allein das BMBF bis zu 40 Millionen Euro für die Agrarforschung. Stefan Lange vom Thünen-Institut in Braunschweig sagte, bei der Agrarwissenschaft habe es auf nationaler Ebene in der Vergangenheit wegen komplizierter Strukturen und zersplitterter Forschungslandschaft oftmals Defizite in der Zusammenarbeit und der Formulierung von Strategien gegeben. „Hier ist immer noch viel Luft nach oben“, sagte Lange. Von übergreifenden Agrarforschungsstrategien, die man dann in Entwicklungsländer exportiere, hielt Ulrich Köpke vom Institut für Ökologischen Landbau indes wenig. „Die Denke war bisher zu oft auf Endprodukte und nicht auf den Prozess ausgerichtet“, betonte der Bonner Universitätsprofessor. Agrarforschung müsse unbedingt am Standort selbst beginnen und auch vor Ort unter Einbindung der Bauern und sonstigen Beteiligten umgesetzt werden. „Wir müssen weg von der Weltformel, hin zu Partizipation und Fokussierung auf lokale Probleme“, sagte Köpke. Ein vielversprechendes Konzept verfolgten Forschungsprojekte in der BMBF-Förderinitiative GlobE. Demnächst würden in afrikanischen Feuchtgebieten, in denen bislang nur Papyrus angebaut werde, neue Anbausystem mit regionalen Akteuren erprobt.

Translationsforschung liegt brach

Hans-Jörg Jacobsen, Pflanzengenetiker an der Universität Hannover, sieht in „schlechter Regierungsführung“, „land grabbing“ und auch in zu starker Fokussierung auf Lebensmittelimporte entscheidende Hemmnisse für Innovationen in der Landwirtschaft weltweit. Jacobsen entwickelt mit seinem Team gentechnisch veränderte Erbsenpflanzen, die gegen Pilzinfektionen gewappnet sind. Die Pflanzen testet er allerdings nicht hierzulande, sondern in Freilandversuchen in Nordamerika.

Eine Konsequenz aus den schwierigen politischen Rahmenbedingungen und der mangelnden gesellschaftlichen Akzeptanz hierzulande, so Jacobsen. Er plane, nach seiner Pensionierung am Ende dieses Jahres in Boston an der US-Küste weiter akademisch tätig zu sein. „Die anwendungsrelevante Forschung im Agrarbereich ist in Deutschland auch in den Universitäten mittlerweile verlorengegangen“, beklagte Jacobsen. In seinem Labor würden allerdings zahlreiche Mitarbeiter aus Entwicklungsländern mit eigenen Forschungsstipendien anklopfen und ausgebildet werden. „So können wir zumindest viel Know-how in Sachen Pflanzenbiotechnologie vermitteln, das in Asien ankommt“, sagte Jacobsen.

Zivilgesellschaft an Entscheidungsprozessen beteiligen

Die Zivilgesellschaft früher und stärker mit in Innovationsprozesse miteinzubinden, war in Berlin eine Forderung, die gleich von mehreren Podiumsteilnehmern geäußert wurde. Stefan Lange betonte, für forschungspolitische Entscheidungsprozesse müsse es zu einem favorisierten Modell werden, die Gesellschaft früh mit einzubeziehen. Henk van Liempt verwies auf  - ein Expertengremium für die Bundesregierung - hin, mit dem man erste Schritte in diese Richtung gegangen sei. Wilfried Bommert machte sich für solche Diskussionen stark, weil sie für Transparenz und Akzeptanz bei Entscheidungen sorgten, und so Innovationen befördern könnten.

Im Erdboden ist Teamwork gefragt: Pflanzen beherbergen in und auf ihren Wurzeln bakterielle Lebensgemeinschaften, die ihnen zu Diensten sind. Klaus Schläppi und Paul Schulze-Lefert vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln haben beobachtet, dass diese Lebensgemeinschaften erstaunlich stabil sind und im Kern aus wenigen Bakterienfamilien bestehen. Deren Zusammensetzung hängt von der Zugehörigkeit zu einer Pflanzenfamilie und den Standortvorlieben der Pflanzen ab. Die Forscher berichten im Fachjournal PNAS (2013, Online-Vorabveröffentlichung).

Im Erdboden existieren die artenreichsten mikrobiellen Ökosysteme der Welt. Ein Teil dieser Bodenbakterien besiedeln auch die Pflanzenwurzeln. Deshalb stellt sich die Frage, ob das mikrobielle Leben in der Wurzel ein Spiegelbild der Bodenflora ist oder ob die Wirtspflanze die Zusammensetzung gezielt beeinflusst. Beherbergt eine Pflanzenfamilie also eine familientypische Auswahl an Bodenbakterien, die bei jedem Vertreter mehr oder weniger gleich ist – egal, wo er gerade Wurzeln geschlagen hat?

Die Verwandtschaft analysiert

Die Max-Planck-Forscher sind dieser Frage mithilfe von Erbgut-Analysen nachgegangen. Schon 2012 hatten sie bereits bei der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana das sogenannte . Nun haben sie geprüft, wie ähnlich die bakteriellen Lebensgemeinschaften bei unterschiedlich nah verwandten Arten sind. Für diesen Zensus haben sie vier Arten von Kreuzblütengewächsen an zwei natürlichen Standorten und im Gewächshaus untersucht. Die Arten haben sich entwicklungsgeschichtlich vor 8 bis 35 Millionen Jahren auseinanderentwickelt. Bei den Pflanzen handelt es sich um die Modellpflanze Arabidopsis thaliana und ihre „jüngeren“ Schwesterarten Arabidopsis lyrata und A. halleri sowie die „ältere“ Cardamine hirsuta. A. thaliana, A. lyrata und Cardamine hirsuta mögen keine Nahrungskonkurrenz und kommen an offenen und trockenen Standorten wie Steppen oder Berghängen vor. A. halleri kommt  hingegen auch mit Nahrungskonkurrenz gut zurecht und kann auf feuchten Wiesen leben.

Jeweilige Arten bevorzugen bestimmte Bewohner

Bei ihrem Mikroben-Zensus sind den Forschern bestimmte Muster aufgefallen: „Während die eine Hälfte der bakteriellen Gemeinschaft in der Wurzel ein Spiegelbild der von der Umwelt abhängigen Bodenflora ist, finden sich in der anderen Hälfte Bakterien, die davon unabhängig sind. Interessanterweise besteht dieser konservierte Kern aus einer taxonomisch begrenzten Gruppe mit Bakterien aus drei Familien.“ Allerdings gibt es Unterschiede bei der Anzahl der vorhandenen Bakterien. Einige der untersuchten Pflanzen beherbergen mehr von der einen Bakterienfamilie, andere mehr von der anderen Familie. „Diese Unterschiede lassen sich nicht alleine durch die evolutionsgeschichtliche Distanz zwischen den untersuchten Pflanzenarten erklären.“ Die Unterschiede gehen nach Ansicht der Kölner Wissenschaftler auch auf die verschiedenen Standortvorlieben zurück. A. thaliana und A. lyrata bevorzugen ähnliche Standortortbedingungen, sie haben auch die ähnlichsten mikrobiellen Lebensgemeinschaften. Am engsten miteinander verwandt sind aber A. lyrata und A. halleri. „Die quantitativen Unterschiede bei den bakteriellen Lebensgemeinschaften haben sehr wahrscheinlich auch mit der arttypischen Anpassung an den Lebensraum zu tun“, erklärt Schläppi.

Nur für geladene Gäste ?

Ob die Kreuzblütengewächse die drei prominenten Bakterienfamilien gezielt in ihre Wurzel einladen und ihnen eine molekulare Eintrittskarte zuspielen oder ob sich die drei prominenten Bakterienfamilien einfach nur besser gegen ihre Konkurrenten im Boden durchsetzen können, lässt sich derzeit noch nicht beantworten. Schläppi und seine Kollegen vermuten, dass beide Prozesse eine Rolle spielen. Vor allem die Konkurrenz wird nicht zu unterschätzen sein, denn Pflanzen sind für alle Arten von Bakterien attraktiv. Die Gewächse scheiden nämlich einen Teil ihres bei der Photosynthese hergestellten Zuckers durch die Wurzel in den Boden aus. „Natürlich wollen alle Bakterien an diese Zuckertöpfe“, sagt Schläppi. „Wir gehen davon aus, dass die Pflanzen von den wurzelassoziierten Bakterien wertvolle Dienste als Gegenleistung erhalten. Sonst würde die Symbiose nicht funktionieren.“

Wissenschaftler nehmen die Natur oft zum Vorbild, um Probleme zu lösen. Manchmal geschieht das auch zufällig, wie Max-Planck-Forscher jetzt erlebt haben. Bei der Untersuchung des Glasstabes, auf dem der Meerschwamm Monorhaphis chuni lebt, entdeckten die Forscher erstmals in der Natur eine Struktur, die der von porösen Nanomaterialien ähnelt, die bereits künstlich für die Biomedizin oder Chemie hergestellt werden. Im Fachjournal Advanced Materials (2013, Online-Vorabveröffentlichung) wurden ihre Ergebnisse veröffentlicht.

Ob in Medizin, Technik oder Chemie – poröse Materialen haben sich in der Nanotechnologie bewährt. Auf Grund ihrer Oberflächenstruktur können sie größere Mengen medizinischer Wirkstoffe aufnehmen und dann nach und nach im Körper freisetzen. Auch Sensoren nehmen Stoffe besser auf, je größer die Oberfläche ist, an der Moleküle anhaften können. Materialen mit mesoporöser Struktur, also Poren zwischen zwei bis 50 Nanometern, sind dafür besonders geeignet.  Das Forscherteam um Igor Zlotnikov und Peter Fratzl vom Max-Planck-Institut (MPI) für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam-Golm hat nun erstmals ein solches Nanomaterial in der Natur entdeckt. „Es ist absolut verblüffend, dass Natur und Materialwissenschaft einen ähnlichen Herstellungsweg favorisiert – ohne dass die Materialwissenschaft die Methode von M. chuni kannte“, sagt Peter Fratzl, Direktor am MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung.

Porenform und Anordnung setzen Maßstäbe

Bei der Untersuchung der Bauweise des Silikatschwammes M.chuni fanden die Forscher heraus, dass der Schwamm eine Glasnadel mit völlig periodisch angeordneten Nanoporen erzeugt. „Mesoporöse Silikat-Strukturen gehören zu den am meisten erforschten Materialien. Umso erstaunlicher ist es, dass wir sie jetzt auch in der Natur finden“, sagt Igor Zlotnikov. M.chuni würde aber nicht nur ein poröses Material nutzen, das auch technisch relevant ist, sondern auch in punkto Größe und Anordnung der Poren Maßstäbe setzen, so Zlotnikov. In der Probe, die die Forscher untersuchten, waren die Poren wie übereinander gestapelte Eierkartons nicht nur alle einheitlich groß, sondern auch völlig regelmäßig angeordnet.

Natürliche Präzision technisch schwer erreichbar

Der Schwamm, der am Grund des indischen und pazifischen Ozeans lebt, wird von einer rund einen Zentimeter dicken Glasnadel am Boden festgehalten. Im Laufe seines Lebens kann die Nadel bis zu drei Meter groß werden. Die Silikatstruktur ist von Poren mit etwa fünf Nanometern Durchmesser durchsetzt. In den Hohlräumen sitzt jeweils ein eiförmiges Molekül des Proteins Silikatein ab, wobei sich die Proteinmoleküle benachbarter Poren durch Löcher im Glas berühren. Neben der Akkuratesse der Struktur beeindruckte die Materialforscher vor allem die Art und Weise, wie der Glasschwamm das Material erzeugt: Wie bei einem Eierkarton schichtet der Glasschwamm eine oder vielleicht auch mehrere Lagen Proteinmoleküle übereinander und füllt die Zwischenräume dann mit Glas auf. Diese Präzision auch technisch zu erzeugen gilt als schwierig, obwohl mesoporöse Gläser ganz ähnlich entstehen. Hier wird die Porenform von Fetttröpfchen bestimmt, um die herum das Silikat wächst. Die Fetttröpfchen werden anschließend aus der Nanostruktur mit einer Detergenz gespült. Materialwissenschaftler können die Größe der porenformenden Fetttröpfchen allerdings nicht so präzise einstellen, wie es die Natur vormacht. Im Labor ähnlich präzise Materialen zu züchten ist allerdings sehr teuer.

bb

Pflanzenzellen gleichen einer Dockingstation: Ständig wollen Nährstoffe, Signalmoleküle oder Viren in die Zellen hinein. Aber nicht alle werden durchgelassen. Ein Forscherteam um Staffan Persson vom Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Golm hat nun einen bisher unbekannten Proteinkomplex identifiziert, der bei diesem Prozess eine wichtige Rolle als Türsteher spielt. Über ihre Erkenntnisse berichten die Forscher im Fachmagazin Cell (2014, Bd.156, S. 691).

Der Prozess der Endozytose ist einer der wichtigsten Mechanismen, mit dem Zellen - egal ob bei Tieren oder Pflanzen -  Stoffe aufnehmen. Er ist essentiell für Zellkommunikation, Signalweiterleitung, Nährstoffaufnahme und bei Pflanzen außerdem für die korrekte Gestaltbildung. Beim Menschen können Defekte in der Endozytose zahlreiche Krankheiten auslösen oder tödlich sein. Die Potsdamer Forscher haben nun bei Pflanzen einen ganz neuen Mitspieler in diesem Prozess entdeckt: den sogenannten TPLATE-Komplex. Diese intrazellulären Adapterproteine agieren dabei als eine Art Türsteher und besteht aus acht Proteinen. Nur wer von ihnen akzeptiert wird, hat eine Chance auf Einlass. Wenn Rezeptoren ein Molekül auf der Zelloberfläche erkennen, aktivieren sie die Adapterproteine, beispielsweise über Veränderungen ihrer räumlichen Struktur. Diese rekrutieren weitere Proteine, die dabei helfen, die Zellmembran einzustülpen (Clathrine) und abzuschnüren (Dynamine), damit Vesikel entstehen, innerhalb derer die Moleküle in die Zelle hineingelangen.

„Wenn wir die DNA-Sequenzen der acht Proteine mit Sequenzen aus Tier- oder Hefezellen abgleichen, erhalten wir kaum Übereinstimmungen und wenn, dann nur mit Proteinen, die gar nicht an der Endozytose beteiligt sind“, berichtet Clara Sánchez, eine der Erstautorinnen der Studie. Den TPLATE-Komplex hat sich die Evolution offenbar also eigens für die Pflanzen ausgedacht. Für die Forscher ist das überraschend, denn andere Mitspieler - wie die dreizackigen Clathrine - finden sich überall im Tier- und Pflanzenreich.
Die Forschung an Tier- und Hefezellen hat bereits viel Wissen über das komplexe Zusammenspiel der Moleküle bei der Endozytose angehäuft. Die Pflanzenwissenschaften haben hier noch Nachholbedarf, was unter anderem mit der pflanzlichen Zellwand zusammenhängt, die die mikroskopische Beobachtung der Endozytose erschwert. „Erst seitdem wir mit neuen Mikroskopen arbeiten, können wir die Aufnahme von Molekülen in die Zelle wirklich beobachten“, so Persson

Zudem mussten die Wissenschaftler Pflanzen züchten, bei denen die Defekte gezielt an- und abgeschaltet werden können, da Veränderungen im TPLATE-Komplex für die Pflanzen meist tödlich sind. Als nächstes wollen die Forscher herausfinden, welche Stoffe vom TPLATE-Komplex erkannt werden. „Uns interessiert außerdem, warum die Evolution bei Pflanzen einen so anderen Weg eingeschlagen hat, um Moleküle in Zellen aufzunehmen“, erklärt Persson.

bb

Knapp ein Drittel der Holzbiomasse wird bislang ungenutzt als Abfall verbrannt. Bakterien sollen jetzt helfen, aus der Substanz Lignin den Nylongrundstoff Adipinsäure herzustellen. Biotechnologen aus dem Saarland haben die Mikroben gentechnisch so umgerüstet, dass sie die chemischen Ringstrukturen des Lignins nun knacken können. Gelingt es, den Laborprozess industrietauglich zu machen, wartet ein potenzieller Milliarden-Markt.

Industrietaugliche Prozesse zu entwickeln ist für Christoph Wittmann kein Neuland. Der frisch an die Universität des Saarlandes berufene Professor für Systembiotechnologie hat mit der Ludwigshafener BASF SE bereits an der Herstellung von Bio-Bernsteinsäure geforscht, die das Unternehmen seit kurzem vom Partner Purac, einer CSM-Tochter, im spanischen Montmelo kommerziell herstellen lässt. Sobald im April die neuen Labore eingerichtet sind, machen er und seine zehn Mitarbeiter sich nun daran, eine Komponente mikrobiell herzustellen, die es für Bio-Nylon braucht – die Adipinsäure. Da die biotechnologische Herstellung der Adipinsäure eine echte Alternative zur energiefressenden und Klimagas-produzierenden petrochemischen Synthese bietet, wäre das Interesse der weltweit 20 bis 25 Großproduzenten hoch. Allerdings erst, nachdem alle Hürden genommen sind, um den bereits vorhandenen Laborprozess industriekompatibel und wirtschaftlich zu machen. „In der Industrie findet bereits ein Umdenken in Richtung biobasierte Prozesse statt. Viele sind aber skeptisch, solange nicht gezeigt ist, dass die Produktqualität stimmt und das Biotech-Produkt sich genauso gut wie das petrochemische in den vorhandenen Anlagen verarbeiten lässt”, so Wittmann zu biotechnologie.de. „Das wissenschaftlich und wirtschaftlich zu schaffen, ist die Herausforderung in unserem neuen Projekt.“  

Adipinsäure aus Benzol & Co.

Mit einer 1,4 Millionen Euro-Förderung durch die BMBF-Förderinitiative „Validierung des Innovationspotenzials wissenschaftlicher Forschung” (VIP) wollen die aus Braunschweig nach Saarbrücken gewechselten Stoffwechselingenieure die Basischemikalie mit optimierten Pseudomonas putida-Bakterien in drei Jahren im Kilogramm-Maßstab gewinnen. In einem ersten Schritt wollen Wittmann und Mitarbeiter mit Partnern ein Verfahren finden, das effizient die zur Biosynthese von Adipinsäure benötigten aromatischen Verbindungen pyrolytisch aus Holz herausbricht. Dass Bakterien des Sicherheitsstammes KT2440 die stabilen Ringstrukturen mit Hilfe von Co-faktor-abhängigen Dioxygenasen öffnen können, hat Wittmans Mitarbeiter Joost van Duuren bereits im Labor gezeigt und patentrechtlich schützen lassen.

Die aus der biokatalytischen Spaltung resultierende cis-cis-Muconsäure könne laut Wittmann direkt hydriert werden, um Adipinsäure zu erhalten. Allerdings steckt der Teufel im Detail. Obgleich van Duuren im Labor mit einer Mutante schon achtmal höhere Produktionsraten als mit bisher bekannten Prozessen erzielte, sollen die Produzenten durch weiteres molekulare Veränderungen noch wesentlich verbessert werden. Obgleich die Bodenbakterien einiges aushalten, sind laut Wittmann „Lignin-basierte Rohstoffe eine Herausforderung“.  Das Ziel – ein Prozess, der möglichst nahe am Marktpreis der Spitzenchemikalie von derzeit 1,30 Euro pro Kilogramm liegt – nennt er ambitioniert. Für die Umwelt wäre die Biotech-Produktion allemal ein Gewinn. Mit Phenol als Substrat konnten die Forscher den Energiebedarf des Herstellungsprozesses gegenüber der petrochemischen Produktion um 25 bis 50 Prozent senken. Doch Wittmann stapelt tief: „Noch stehen wir ganz am Anfang. Es müssen viele Dinge passen, damit es gelingt, einen industrie­tauglichen Prozess zu entwickeln.

Großes Marktpotenzial

Wie alle 1:1 ersetzbaren Chemikalien verspricht Bio-Adipinsäure gute Marktperspektiven. „Derzeit wächst die weltweite Jahresproduktion von fast 3 Millionen Tonnen des Grundstoffes für die Herstellung von 6,6-Nylon um 3,5 Prozent”, so Wittmann. „Rund 90 Prozent werden für die Nylonproduktion genutzt, daneben dient Adipinsäure als Grundstoff für Lebensmittelzusätze, Dünger, Pharmazeutika und Pflanzenschutzmittel. Laut dem Forscher sei ein „wachsendes Interesse der Industrie an Bio-Nylon“ deutlich zu spüren. Wie schnell neue Biotech-Basischemikalien den Markt verändern können, zeigt eine Studie aus dem März 2013. Nachdem Coca-Cola den Biokunststoff PET seit Ende 2012 für seine „Green Bottle“ nutzt, soll der aktuelle Markt von derzeit 620.000 auf 5 Millionen Jahrestonnen wachsen und so Ähnliches Wachstumspotenzial sprechen die Studienautoren auch anderen Ersatzchemikalien zu.

bb

Erste Erfolgsmeldung aus der vom Bundesforschungsministerium geförderten strategischen Allianz ZeroCarb FP:  Das Biotech-Unternehmen Brain AG und die Seltenerden Storkwitz AG (SES) vertiefen ihre Kooperation zur biotechnologischen Gewinnung von Seltenen Erden. Während Brain die entsprechenden Mikroorganismen zur Verfügung stellt, liefert der Bergwerksbetreiber SES die im Bergbau anfallenden metallhaltigen Wässer. Außerdem hat Brain Anteile an dem sächsischen Partnerunternehmen erworben.

Insgesamt 17 Elemente gehören zu den Seltenen Erden. Doch so selten sind die in Hightech-Elektronik steckenden Metalle gar nicht. Allerdings gibt es kaum Lagerstätten, in denen sie wirtschaftlich abbaubar sind. Klarer Marktführer ist China. Die beiden deutschen Unternehmen Brain und SES wollen das ändern und setzen dabei auf Mikroben als Mikrokumpel. „Wir waren überrascht, wie selektiv viele Bakterien bestimmte Metalle an sich binden oder in sich aufnehmen können“, erzählt Guido Meurer im Gespräch mit biotechnologie.de. Der Leiter der Einheit für mikrobiologische Produktionstechnologie bei der Brain AG aus dem hessischen Zwingenberg vergleicht die Oberflächen mancher Bakterien mit Eierkartons: „In den Vertiefungen lagern sich die entsprechenden Metalle ab.“ Brain verfügt über eine Bibliothek von mehr als 30.000 Bakterienstämmen. Laut Meurer hat man alle auf ihre Fähigkeit getestet, Metalle anzureichern.

Sehr effiziente Anreicherung

Mit Erfolg: „Im Zuge der Kooperation haben wir eine Vielzahl von Mikroorganismen identifiziert, die Seltene Erden direkt aus einer im klassischen Bergbauprozess anfallenden wässrigen Lösung anreichern können“, so Meurer. Die Ausgangskonzentration der Metalle sei dabei sehr niedrig gewesen und trotzdem habe man sie in wirtschaftlich relevanter Qualität anreichern können.

In der Kooperation soll nun unter anderem eine Anlage im Pilotmaßstab entwickelt werden. Das Geld dafür kommt zum Teil vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). In der strategischen Biotech-Allianz ZeroCarb FP (Zero Carbon Footprint) arbeiten insgesamt rund 22 Partner aus verschiedenen Industriebranchen an dem Ziel, kohlenstoffhaltige, industrielle Abfallströme unter . Ehemals unter der Führung der RWE AG leiten mittlerweile die Abwasseraufbereiter Emschergenossenschaft und Lippeverband die Allianz. Das BMBF steuert die Hälfte zum Gesamtbudget von 46 Mio. Euro bei. Insgesamt werden aus diesem Topf fünf relativ ähnlich dimensionierte industriegeführte Vorhaben über eine Laufzeit von 9 Jahren gefördert.

Chromatographie mit Bakterien

Bakterien in der Metallgewinnung sind eigentlich ein alter Hut. Bei der sogenannten Biolaugung werden die Bakterien wieder und wieder mit dem Gestein in Verbindung gebracht – entweder auf Halden oder direkt unter der Erde. Die Winzlinge lösen dabei die Metalle Stück für Stück heraus. Für Kupfer, Gold und Nickel wird die Biolaugung schon seit langem genutzt.

Auch die Forscher bei Brain waren zuerst auf Edelmetalle wie Gold und Silber fixiert, erst später hat man die Seltenen Erden für sich entdeckt. Statt Biolaugung steht hier aber die Rückgewinnung der Metalle aus einer Lösung im Zentrum der Forschungsanstrengungen. Die Laugung des Gesteins selbst erfolgt gänzlich ohne Bakterien – also klassisch auf chemischen Wege. Die Mikroben übernehmen vielmehr das „Schürfen“ der Seltenen Erden aus der Lösung. „Das Prinzip ähnelt einer Chromatographie-Säule“, erklärt Meurer und beschreibt den Prozess so: „Die Bakterien werden fixiert, dann lässt man die Lösung darüber rieseln und am Ende werden die mit Metall beladenen Bakterien geerntet.“ Die Herstellung der Bakterien erfolgt übrigens in Bioreaktoren. In getrockneter Form kann diese Biomasse dann an den Einsatzort gebracht werden, wo die Bakterien aufgeweckt und dann auf die Chromatographie-Säulen geladen werden.

Schatztruhe in Sachsen

Die Partnerschaft zwischen Brain und der im sächsischen Chemnitz angesiedelten Seltenerden Storkwitz AG kam über die Mutterfirma der SES zustande, die Deutsche Rohstoff AG (DRAG). Deren Vertreter schlugen dem Brain-Team vor, einmal das Gespräch mit SES zu suchen. Die SES wurde Ende 2011 aus der DRAG ausgegründet. Seitdem erkundet und entwickelt die Firma das einzige anerkannte Seltene Erden-Vorkommen Mitteleuropas. Die Lagerstätte im sächsischen Storkwitz nördlich von Leipzig wurde in den 1970er Jahren bei Explorationstätigkeiten auf Uran entdeckt - nie zuvor gab es bislang in Deutschland vergleichbare Seltene Erden-Vorkommen. Der Erzkörper beinhaltet leichte Seltene Erden-Elemente (SEE) wie Cer, Lanthan,  Europium, Praseodym und Neodym, aber auch nennenswerte Anteile an schweren SEE wie Yttrium und Dysprosium. Seit Januar 2013 gibt es auch eine weltweit anerkannte Ressourcenschätzung nach dem australischen JORC-Standard (Joint Ore Reserves Committee), die von bis zu 40.000 Tonnen ausgeht.

Mit Scandium in den Startlöchern

Bei der klassischen Gewinnung von Seltenen Erden kommt viel Chemie zum Einsatz und es entstehen viele Neben- und Abfallprodukte.  Der biotechnologische Weg ist laut Meurer "deutlich nachhaltiger". Dass dieser Ansatz Vorteile bringen kann, davon ist offenbar auch SES überzeugt. „Die Zusammenarbeit mit Brain hat aus unserer Sicht ein besonders hohes Innovationspotenzial“, erklärt SES-Vorstand Jörg Reichert. So sei auch ein Einsatz der Technologie abseits der Metallgewinnung im Bergbau vorstellbar. Reichert führt hier die Rückgewinnung von SEE aus Industrieabfällen an. „Auch Bergbauunternehmen, die eigentlich auf ganz andere Metalle fokussiert sind, könnten unsere Bakterien zur Gewinnung von SEE aus den Haldenabwässern nutzen – quasi als Bonus“, so Reichert. Die exklusiven Nutzungsrechte der Erkenntnisse aus der Kooperation sollen dann aber bei SES liegen. Unter den vielen gemeinsamen Projekten ist die Scandium-Gewinnung am weitesten fortgeschritten. Da die Deutsche Rohstoff AG diese Seltene Erde nicht explizit als besonders häufig in der Storkwitzer Lagerstätte erwähnt, wollen die beiden Partner dieses Projekt vor allem über die Vergabe von Lizenzen an Dritte weiter vorantreiben. 

Brain-Chef Holger Zinke sieht in SES einen strategischen Partner für die Zukunft: „Das hat uns dazu bewogen, auch eine Beteiligung an dem Bergbauunternehmen einzugehen.“ Der Aufbau einer Pilotanlage für die Gewinnung von Scandium könnte demnach erst der Anfang sein. „In unserer Pipeline stecken noch einige andere Bakterien für andere Metalle“, verrät Meurer.

Hefen sind Leistungsträger der Biotechnologie: Da sie Zucker aus Biomasse zu Ethanol vergären können, sind sie nicht nur bei Biokraftstoffherstellern gefragt. Das Dilemma: Hefen schmeckt der Zucker Glucose besser als die aus Pflanzenresten gewonnene Xylose. Deshalb vergären sie den Abfallzucker erst dann zu Bioethanol, wenn es keine Glucose mehr gibt. Dieses mehrstufige Vorgehen verlängert die Produktionszeiten und verursacht höhere Kosten. Im Fachjournal PNAS (2014, Online-Vorabveröffentlichung) berichten Frankfurter Forscher um Eckhard Boles, wie sie den Hefen beigebracht haben, die beiden Zucker gleichzeitig zu verwerten. Auf dem Weg zum Biosprit der zweiten Generation wären die Turbohefen ein wichtiger Fortschritt. Die Studie wurde unter anderem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft unterstützt.

In Biokraftstoffe der zweiten Generation werden große Hoffnungen gesetzt, weil sie aus Abfallstoffen gewonnen werden können und somit nicht die ethischen Probleme der „Teller-Tank-Debatte“ aufwerfen. Zudem spart ihre Herstellung deutlich mehr Treibhausgase ein. Der Clou: In Pflanzenabfällen schlummern noch jede Menge Zuckermoleküle wie Cellulose, Hemicellulose und Xylose, die für die Biosprit-Produktion genutzt werden. Die Produktion von sogenanntem Cellulose-Ethanol ist inzwischen marktfähig geworden. Ende 2013 hat die Firma Beta Renewables in Norditalien die weltweit erste kommerzielle Produktion von jährlich etwa 75 Millionen Liter Bioethanol aus landwirtschaftlichen Reststoffen in Betrieb genommen. Weitere Großanlagen in den USA sollen im Laufe dieses Jahres folgen. In Deutschland betreibt das Unternehmen Clariant im bayerischen . Der Aufbau der Demonstrationsanlage wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit fünf Millionen Euro unterstützt.

Herkömmliche Hefen bevorzugen Glucose

Alle diese Technologien setzen auf genetisch veränderte Hefen, die in riesigen Tanks mit Zuckermolekülen wie Glucose und Xylose gefüttert werden und diese zu Ethanol vergären. Ein Knackpunkt: Die Hefen sind bei ihrer Kost äußerst wählerisch. „Das Problem liegt in der Zuckeraufnahme in die Hefezelle“, sagt Eckhard Boles vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. „Das Zuckertransportsystem bevorzugt die Aufnahme von Glucose. Erst wenn diese verbraucht ist, kann auch die Xylose aufgenommen und in Bioethanol umgewandelt werden“, erläutert Boles im Gespräch mit biotechnologie.de. Dieses mehrstufige Vorgehen wird zum Hemmschuh in der Produktion. Denn so dauert es wesentlich länger, bis die Zuckerbrühe in den Fermentern vergoren ist. Das macht die Verfahren unter dem Strich aufwendiger und verursacht höhere Kosten.

Transporter umfunktioniert, Blockade gelöst

Mikrobiologen wollen aus dem Vergärungs-Hintereinander ein Nebeneinander machen und sind schon seit mehr als 15 Jahren auf der Suche nach Transportsystemen, die bevorzugt Xylose aufnehmen und Glucose ignorieren. Bisher vergeblich: „In der Natur werden sämtliche Xylosetransporter von Glucose blockiert“, sagt Boles. Mithilfe molekularer Tricks hat das Team um Boles nun aber doch ein rein auf Xylose ausgerichtetes Aufnahmesystem in der Zellhülle von Hefen entdeckt. „Wir haben nach Mutanten gefahndet, bei denen ein ursprünglicher Glucose-Transporter so umgewandelt ist, dass er fortan nur noch Xylose, aber keine Glucose mehr transportieren kann“, erläutert Boles. 

Nach mehrjähriger Suche wurden die Frankfurter Forscher fündig. Den molekularen Aufbau ihres umfunktionierten Xylose-Transportsystems haben sie auch mit strukturbiologischen Daten aus anderen Labors abgeglichen und so weitere Erkenntnisse über die Funktionsweise gewonnen.

Kostengünstigere Produktion

Neben grundlegender Erkenntnisse eröffnen sich mit dem Fund neue Möglichkeiten für die Biosprit-Produktion. Verändert man nun die Hefen so, dass sie beide Transportsysteme besitzen, dann können sie in Zukunft die beiden Zucker Glucose und Xylose gleichzeitig und damit deutlich schneller zu Bioethanol umsetzen. Erste solche Versuche mit den Turbohefen sind bereits unterwegs. „Wir haben die neuen Xylose-Transporter bereits in unsere Industriehefen eingebracht“, sagt Boles. Allerdings gebe es in Hefezellen noch eine große Zahl alternativer Glucosetransporter, die die messbaren Effekte schmälerten. Das wollen die Forscher nun optimieren. Vor fünf Jahren sorgte Boles Team bereits für Schlagzeilen, weil es den Frankfurtern gelungen war, Hefen gentechnisch so . Über die in der Schweiz ansässige Firma Butalco, die Boles mitgegründet hat, wurde das Patent für die Xylose vergärenden Hefen im Jahr 2012 für mehrere Millionen Euro an das französische Unternehmen Lesaffre auslizensiert. Auch Weiterentwicklungen des nun veröffentlichten Xylose-Transportersystems will der Frankfurter Universitätsforscher patentieren lassen.

bb

Meilenstein für die Synthetische Biologie: Forscher haben im Labor erstmals ein komplexes Chromosom erzeugt und es erfolgreich in Hefezellen eingeschleust. Sieben Jahre benötigte das internationale Team um den US-Forscher Jef Boeke für diese molekularbiologische Herkulesaufgabe. Wie die Bioingenieure im Fachjournal Science (2014, Online-Vorabveröffentlichung) berichten, haben sie eine abgespeckte Version des kleinen Chromosoms Nummer 3 der Hefe konstruiert. In Zellen eingeschleust konnte das Designer-Chromosom SYNIII sein natürliches Vorbild tatsächlich ersetzen. Auf dem Weg zu maßgeschneiderten Zellfabriken ist das ein vielversprechender Fortschritt.

Im aufstrebenden Forschungszweig der Synthetischen Biologie gehen Molekularbiologen nach Prinzipien aus der Ingenieurstechnik an Zellen oder biologische Systeme heran, um sie mit . Eine der Königsdisziplinen der Zunft: Der Nachbau des kompletten Genoms eines Organismus. Abgesehen von den grundlegenden Erkenntnissen über die genetische Architektur von Lebewesen könnte ein künstliches Designer-Genom dazu dienen, einen maßgeschneiderten Produktionsorganismus zu entwickeln.

Synthetische Biologie auf höchstem Niveau

Für den Nachbau eines Chromosoms bedarf es jedoch jede Menge Tüftelarbeit und molekularbiologische Spitzenleistungen. Bisher war der . Diese sind aber einfacher aufgebaut und ihr Erbgut lässt sich leicht synthetisieren. Hefen jedoch sind einzellige Pilze, die einen Zellkern besitzen. Das Erbgut darin setzt sich aus insgesamt 16 Chromosomen zusammen. Die Schaffung des synthetischen Hefe-Chromosoms markiert deshalb einen bedeutenden Meilenstein für die Zunft der Synthetischen Biologen. Wie die Forscher um Jef Boeke von der New York University, berichten, hat es sieben Jahre gedauert, um eine intakte Minimalversion des Hefe-Chromosoms Nummer III zusammenzubasteln.

Abgespeckte Chromosom-Variante

Das künstliche Erbgutpaket setzten die Forscher schrittweise aus genau 272.871 Nukleotidbausteinen zusammen, während das Pendant aus der Natur mehr als 315.000 Bausteine aufweist. Evolutionsbedingt sind im Erbgut häufig verzichtbare Abschnitte oder sich wiederholende Informationen zu finden. Das Laborchromosom reduzierten die Forscher daher auf Teile, deren Nutzen bisher bekannt ist. Zunächst entwarfen sie SYNIII am Computer und fügten anschließend winzige DNA-Schnipsel zu längeren Strängen zusammen. Dabei war äußerst behutsames Vorgehen gefragt: „Eine falsche genetische Veränderung und die Zelle stirbt“, so Boeke. Die Forscher bauten in ihr SYNIII-Chromosom mehr als 50.000 Veränderungen ein. Als sie das Kunstchromosom nun in lebende Hefezellen einschleusten, blieben diese intakt und entwickelten sich auch mit dem synthetischen Ersatz normal weiter. Die durch das Designer-Chromosom molekular abgespeckten Zellen, so die Hoffnung der Forscher , lassen sich künftig besser für die biotechnische Produktion einsetzen, etwa für Treibstoffe oder Biotech-Medikamente. Die fehlenden Gene verhindern wiederum, dass die Minimal-Hefe sich in der Umwelt ausbreitet, sollten sie einmal aus dem Labor entweichen.

Chromosom SYNIII ist der erste Baustein in einem Mammutprojekt namens "Sc2.0". Hier haben sich neben US-Forschern noch Bioingenieure aus China, Australien, Singapur und Großbritannien das gemeinsame Ziel gesteckt, alle 16 Chromosomen der Bäckerhefe im Labor nachzubauen.

Mikroalgen können sich mit einem molekularen Mechanismus gegen zuviel Sonne schützen. Das haben Bielefelder Pflanzenforscher zusammen mit Kollegen aus Italien und Australien herausgefunden. Nach Angaben der Wissenschaftler können die Ergebnisse der Analyse genutzt werden, um die Kultivierung von Algen zu beschleunigen, die als Energielieferanten dienen. Die Forscher berichten in der Fachzeitschrift Plant Cell (2014, Online-Vorabveröffentlichung).  

Der Fund gelang dem Team um Olaf Kruse von der Fakultät für Biologie und vom Centrum für Biotechnologie (CeBiTec) der Universität Bielefeld in zusammenarbeit mit Forschern aus Italien und Australien. Aus einzelligen Mikroalgen isolierte die Forscher ein Schutzprotein, das nur unter bestimmen Umweltstressbedingungen gebildet wird. Das Protein enthält Pigmente – also farbgebende Substanzen. Wird dieses Protein aktiviert, fängt es überschüssige Sonnenlichtenergie ab. „Auf diese Weise verhindert das Protein die Bildung radikaler Sauerstoffe und beugt so einer möglicherweise dauerhaften Schädigung des Organismus vor“, sagt Kruse. Radikale Sauerstoffe können sowohl zur Veränderung des Erbguts als auch zum Absterben von Zellen führen.

Schutzprotein auch mit biotechnischer Relevanz

„Unsere Analyse ist Grundlagenforschung. Uns geht es zunächst darum, essenzielle Stoffwechselprozesse in Algen zu verstehen“, sagt Kruse. „Trotzdem haben die in Bielefeld erzielten Forschungsergebnisse eine hohe biotechnologische Relevanz“, erklärt er. Der Biologe arbeitet an der großflächigen Kultivierung von Algen, um diese pflanzlichen Organismen zum Beispiel für die Gewinnung von Biotreibstoffen zu nutzen. Je nach genetischer Ausstattung können Mikroalgen Energie in Form von Biodiesel, Biogas oder Wasserstoff produzieren, aber auch andere wertvolle Inhaltsstoffe für die Pharma- oder Kosmetikindustrie herstellen.

Stressfreie Kultivierung für Algen

„Dadurch, dass wir den neuen Schutzmechanismus der Algen kennen, wissen wir, welche Stressfaktoren die Algen zwingen, sich gegen das Sonnenlicht zu schützen. Wenn wir Algen im Freiland vermehren wollen, können wir diese Erkenntnisse nutzen, um möglichst stressfreie Bedingungen zu schaffen. So werden Schädigungen der Algenkulturen vermieden und so die Erträge gesteigert.“ Denkbar sei auch, den Schutzmechanismus bei Bedarf biotechnologisch zu optimieren. „Ein Ansatz wäre, das Schutzprotein so zu verändern, dass die Algen robuster als bislang auf zu starke Sonneneinstrahlung reagieren.“

bb

Ein internationales Forscherteam mit deutscher Beteiligung hat erstmals das Genom einer Termite entziffert und analysiert. Der Vergleich des 500 Megabasenpaare großen Termitengenoms mit dem von Ameisen und Bienen gewährt Forschern Einblicke in die Evolution von Insektenstaaten. Die Biologen berichten im Fachjournal Nature Communications (2014, Online-Veröffentlichtung) über ihre Ergebnisse.

„Unsere Untersuchungen liefern die Basis, um generelle Ursachen komplexen Sozialverhaltens bei Insekten zu studieren“, sagt die Freiburger Forscherin Judith Korb. Zusammen mit Forschern der Universität Münster und Kollegen in den USA und China hat sie den Gencode der Feuchtholz-Termite Zootermopsis nevadensis geknackt, die in typischer Holzbewohner ist. Termiten sind mit den Hautflüglern, zu denen Bienen und Ameisen zählen, nicht näher verwandt, haben aber eine ähnliche Lebensweise: Sie bilden als sogenannte eusoziale Insekten Kolonien und verschiedene Kasten, also beispielsweise Arbeiter und Geschlechtstiere wie Königinnen und männliche Tiere. Die Forscher untersuchten, ob die Evolution von sozialem Verhalten in den verschiedenen Insektengruppen auf den gleichen molekularen Mechanismen beruht.

Aktive Spermiengene

Einen auffälligen Unterschied fanden sie bei Gruppen von Genen, die bei den männlichen Tieren an der Reifung der Spermien beteiligt sind. Diese Gene sind bei den Feuchtholz-Termiten zahlreicher und stärker aktiv als bei den bisher untersuchten Ameisen- und Bienenarten. Die Forscher gehen davon aus, dass dies eine Besonderheit der Lebensweise widerspiegelt: Während die Männchen beispielsweise bei Ameisen und Bienen einmalig eine große Anzahl an Spermien produzieren und kurz nach der Paarung sterben, paaren sich die Termitenmännchen im Laufe ihres Lebens mehrfach mit der Königin ihres Nestes.

Kaum Geruchsrezeptoren

Ein weiterer Unterschied: Feuchtholz-Termiten besitzen im Vergleich zu den hoch sozialen Hautflüglern nur wenige Geruchsrezeptoren. Generell spielt der Geruch bei der Kommunikation und der Nestgenossen-Erkennung sozialer Insekten sowie bei der Futtersuche eine wichtige Rolle. Feuchtholz-Termiten haben jedoch eine einfachere Lebensweise als Ameisen oder Honigbienen. Sie entfernen sich zur Futtersuche beispielsweise nicht vom Nest und haben ein weniger komplexes Kommunikationsverhalten.

Gewappnet gegen Krankheiten

Die geringere Anzahl an Geruchsrezeptoren spiegelt diese Lebensweise wider.Die Forscher entdeckten jedoch auch Gemeinsamkeiten. So haben die Feuchtholz-Termiten beispielsweise ebenso wie Ameisen besonders viele Gene, die bei der Immunantwort eine Rolle spielen. Soziale Insekten sind verstärkt auf eine wirksame Infektionsbekämpfung angewiesen, da sich Krankheitserreger in den dicht besetzten Kolonien sonst leicht ausbreiten. Außerdem haben die Wissenschaftler Proteine gefunden, die eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der kastenspezifischen Merkmale spielen könnten – analog zu einem ähnlichen System bei der Honigbiene.

bb

Wie Potsdamer Pflanzenphysiologen berichten, können Pflanzen ihr gesamtes Erbgut auf ungeschlechtlichem Weg an einen Partner übertragen. Entgegen bisherigen Annahmen kann es zum Austausch und zur Neukombination von Erbinformationen aus dem Zellkern kommen, wenn zwei Pflanzen unterschiedlicher Arten miteinander verwachsen. Beide Elternpflanzen können dabei ihre vollständigen Chromosomensätze an die Nachkommen weitergeben. Auf diese Weise können offenbar neue Pflanzenarten entstehen, berichten die Forscher um Ralph Bock vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam-Golm im Fachmagazin Nature (2014, Online-Vorabveröffentlichung).  

Durch Pfropfung können in der Pflanzenzüchtung gewünschte Eigenschaften zweier Zuchtsorten miteinander kombiniert werden. Auch auf natürlichem Wege können Pflanzen miteinander verwachsen. Die Erbinformationen der „Eltern“ passen jedoch nicht vollständig zueinander. Lange Zeit dachte man daher, es gebe keinen sogenannten horizontalen Gentransfer zwischen Zellen der Pfropfungsstelle nicht statt. Frühere Arbeiten von Bocks Arbeitsgruppe hatten bereits gezeigt, dass es entgegen der verbreiteten Meinung beim Pfropfen an den Verwachsungsstellen sehr wohl zu einem horizontalen Transfer von Chloroplasten-Genen zwischen verschiedenen Pflanzenarten kommen kann. Nun wollten wir in weiterführenden Experimenten untersuchen,  ob auch ein Austausch der Erbinformation zwischen den Zellkernen  stattfindet“, erläutert Ralph Bock. 

Aufaddierte Chromosomen in aufgepfropften Pflanzen

Wie die Pflanzenforscher nun herausfanden, hält sich Mutter Natur auch hier ein Hintertürchen offen, um der Evolution nachzuhelfen: Tauschen beide Elternpflanzen ihr gesamtes Erbgut aus dem Zellkern aus, werden die Chromosomensätze addiert. Bei der Meiose, der Reifeteilung der Zellen, finden so alle Chromosomen einen Partner. Das ermöglicht den Gentransfer zwischen Zellkernen und die Neuentstehung von Arten. Enthält ein Organismus die Chromosomensätze beider Eltern, sprechen Biologen von Allopolyploidie. 

Neue Art von unkreuzbaren Eltern

Die Forscher pfropften bereits bei Vorversuchen die Tabakpflanzen Nicotiana tabacum und Nicotiana glauca, die normalerweise nicht miteinander kreuzbar sind. Zuvor hatten sie den Arten jeweils ein Resistenzgen gegen zwei unterschiedliche Antibiotika in das Erbgut eingebaut. Aus der Pfropfstelle entnommenes Gewebe kultivierten sie anschließend auf einem Medium, das diese Antibiotika enthielt. So überlebten nur Zellen, die die DNA beider Eltern enthielten.  

Artentstehung binnen einer Generation

In ihrer aktuellen Studie gelang es den Forschern nun, zu zeigen, dass auch gesamte Genome weitergegeben werden. Um nachzuweisen, dass die Doppelresistenz nicht auf dem Austausch einzelner Gene beruht, zählten die Wissenschaftler die Chromosomen der Zellen. „Tatsächlich konnten wir in den resistenten Pflanzen 72 Chromosomen nachweisen“, erläutert Bock,  „das entspricht der Summe der 24 Chromosomen von N. glauca  und der 48 Chromosomen von N. tabacum.“ Es sei nun erstmals gelungen, ohne geschlechtliche Fortpflanzung allopolyploide Pflanzen herzustellen, fügt Bocks Kollegin Sandra Stegemann hinzu. Das Ergebnis ihrer Studie ist evolutionsbiologisch spektakulär: Die neu entstandenen Pflanzen wuchsen besser als ihre Elternpflanzen und konnten fruchtbare Nachkommen erzeugen. Die Pflanzenforscher sprechen daher von einer neuen Art, die sie Nicotiana tabauca tauften.

bb

Vor 40 Jahren veröffentlichten Experten der Fachgesellschaft Dechema eine Studie mit dem schlichten Titel „Biotechnologie“. Das maschinengetippte Büchlein lotete das Potenzial einer aufstrebenden Zukunftstechnologie aus – und wurde schnell zum einflussreichen Klassiker. In dieser Tradition hat ein Team junger Biotechnologen des Zukunftsforums der Dechema zum runden Jubiläum nun ein neues Zukunftspapier vorgelegt. Das Papier mit dem Titel „Biotechnologie – der Schlüssel zur Bioökonomie“ wurde am 11. Juni im Rahmen einer Festveranstaltung in Berlin vorgestellt. Es liefert einen kompakten Überblick über die Forschungs- und Entwicklungstrends der modernen Biotechnologie, hält sich aber mit Botschaften an Politik und Forschungsförderer zurück.

Die 16 Autoren sind Mitglieder des Zukunftsforums Biotechnologie der Dechema, einer Art akademischer Denkfabrik, der überwiegend junge Forschungsgruppenleiter angehören. Im Kern beleuchtet das neue Diskussionspapier auf knapp 100 Seiten, in welchen Feldern die Biotechnologie auf dem Weg in eine biobasierte Wirtschaft eine herausragende Rolle spielen wird. Die Autoren haben sich dabei insbesondere an den Handlungsfeldern der „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ der Bundesregierung orientiert. So gibt es Kapitel zur Ernährungssicherheit, zur nachhaltigen Agrarproduktion, zur industriellen Nutzung nachwachsender Rohstoffe und zu Energieträgern aus Biomasse. Zusätzlich wurde dem Bereich Gesundheit viel Platz eingeräumt.

Leitthema Synthetische Biologie

„Eines der Leitthemen in der Studie ist die Synthetische Biologie“, so Kai Muffler von der TU Kaiserslautern, einer der Co-Autoren des Papiers. Zentral für die Biotechnologie der Zukunft seien zweckgerichtet programmierte Zellen, die mit Werkzeugen der neuesten Generation hergestellt werden könnten. Neue Technologien ermöglichten es immer besser, biologische Systeme quantitativ zu erfassen, zu verstehen und zu modellieren. Auch die Grüne Gentechnik halten die Autoren für unverzichtbar für eine nachhaltige Agrarproduktion. Sie sei eine „notwendige, aber keineswegs hinreichende technologische Lösung“. Mit völlig neuen, unerhörten Konzepten oder markanten Botschaften an Politik und Forschungsförderer haben die jungen Autoren in ihrem Diskussionspapier indes gespart. Das Werk bietet vielmehr einen kompakten wie umfassenden Überblick über die Forschungs- und Entwicklungstrends der modernen Biotechnologie.

Brückenschlag zur „legendären“ Studie

Die Festveranstaltung im Berliner Humboldt Carré, zu der rund einhundert Gäste gekommen waren, spannte immer wieder den Bogen zu der vor 40 Jahren erschienenen Studie „Biotechnologie“. Der auch im Zuge der Ölkrise 1974 erstmals von der Dechema veröffentlichte Band sorgte national wie international für Aufsehen, wurde wegen großer Nachfrage dreimal aufgelegt und war wichtiger Impuls für die spätere Biotechnologie-Förderung durch das Bundesforschungsministerium.

„Viele Themen, die in der legendären Studie bereits erwähnt sind, sind heute Realität“, sagte Alfred Pühler von der Universität Bielefeld in seinem Vortrag. So sei schon 1974 die Rohstoffsicherung durch Verwertung von Abfällen und Rückständen als Zukunftsthema für die Biotechnologie formuliert worden. Heute stünden dafür Konzepte wie die „Bioraffinerie“ oder die Nutzung von Lignocellulose oder Kohlenstoffdioxid als Rohstoff. Auch die damals als Forschungsaufgabe formulierte Optimierung von mikrobiellen Produktionsstämmen für die Industrie habe sich seither rasant entwickelt. Hierbei seien die Genomforschung, Systembiologie und die Synthetische Biologie wichtige Schrittmacher. Andere Themen hingegen, wie die biologische Stickstofffixierung, hätten sich jedoch bis heute als harte Nuss für eine biotechnologische Nutzung erwiesen.

Mikroben als Fabriken für hochwertige Chemie

Dass biotechnologisch umprogrammierte Mikroben außerordentlich wertvolle kleine Produzenten sein können, hat der Biotechnologe Simon Boecker von der TU Berlin bewiesen. Ihm ist es in seiner Diplomarbeit gelungen, den Pilz Aspergillus niger zu einer Zellfabrik umzufunktionieren, die fortan hohe Ausbeuten der Substanz Enniatin in Reinform herstellen kann. Dieser antimikrobielle Stoff ist in der Pharmaindustrie gefragt – und hat ihren stolzen Preis: „Mit den 400 Milligramm des Pulvers, die ich in meiner Diplomarbeit hergestellt habe, könnte man sich einen Porsche Boxter kaufen“, so Boecker. Zunächst einmal darf er sich schon mal über den mit 3000 Euro dotierten Preis des Dechema-Zukunftsforums freuen, der ihm in Berlin überreicht wurde.

Forscher der Universität Tübingen haben eine mikroskopisch kleine Pilzart entdeckt, die bei bestimmten Pflanzen das Wachstum fördert. Die Forscher berichten im Fachjournal PLoS One (2014, Online-Veröffentlichung) über ihren Fund. Der Pilz namens Serendipita herbamans habe das Potenzial, als Biodünger zur Ertragssteigerung von Nutzpflanzen wie zum Beispiel Weizen oder Mais in der Landwirtschaft beizutragen, so die Tübinger Pflanzenforscher.

Der Pilz war Sigisfredo Garnica vom Institut für Evolution und Ökologie der Uni Tübingen ins Netz gegangen. Zusammen mit weiteren Kollegen hatte er die Pilzart Serendipita herbamans in Wurzelzellen verschiedener Pflanzenarten entdeckt. Die Forscher konnten den mit bloßem Auge nicht sichtbaren Pilz in Pflanzenzellen mithilfe molekularer Methoden über seine Gene und über mikroskopische Analysen der Wurzeln nachweisen.

Leben in Symbiose

Zahlreiche Pilzarten leben in Symbiose mit den sie umgebenden Pflanzen. Wie Tiere können Pilze keine Fotosynthese betreiben und erhalten von den Pflanzen vor allem Photosyntheseprodukte in Form von Kohlenhydraten; im Gegenzug haben sie sich auf das Zersetzen organischer Stoffe im Boden spezialisiert und machen ihren Wirtspflanzen mineralische Nährstoffe verfügbar. Bisher sind jedoch nur wenige solcher symbiontischer Pilze bekannt, die sich auch im Labor kultivieren lassen. Serendipita herbamans ist im Labor günstig und dauerhaft kultivierbar. Erste Interaktionsversuche, unter anderem mit der in der Forschung häufig genutzten Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), ergaben positive Effekte für das Wurzelwachstum.

Die Forscher gehen davon aus, dass sich der Pilz für die biologische Düngung einsetzen ließe, wenn man Nutzpflanzen gezielt damit infiziert und über die Symbiose ihr Wachstum fördert.

Pilz bevorzugt krautige Pflanzen 

Im Rahmen eines mehrjährigen Forschungsprojekts untersuchten die Tübinger Forscher die symbiontischen Pilze der Ordnung Sebacinales von etwa tausend krautigen Pflanzenarten von Äckern und Wiesen. Auf die Art Serendipita herbamans – lateinisch für kräuterliebend – stießen sie in 55 mitteleuropäischen Pflanzenarten. Ob die neuentdeckte Pilzart im Hinblick auf ihre Eigenschaften als biologischer Dünger hält, was die ersten Ergebnisse versprechen, ist nun Gegenstand weiterer Untersuchungen. Zur Vorbereitung des Einsatzes im Freiland müssen die Wechselwirkungen zwischen Serendipita herbamans und ihren Pflanzenpartnern zunächst im Labor weiter erforscht werden.

Nach dem Weizengenom haben Pflanzengenetiker nun auch das komplexe Genom einer weiteren wichtigen Nutzpflanze vollständig entziffert: den Raps (Brassica napus). Beteiligt waren deutsche Forscher aus Gießen. Die Analyse des Genoms offenbart neue Erkenntnisse über die Entstehung von Kulturpflanzen nach Artkreuzungen. Das Forscherkonsortium berichtet im Fachjournal Science (2014, Bd. 345, Ausg. 6199, S. 950) über die Ergebnisse. Der deutsche Anteil an dem Projekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Förderinitiative „Pflanzenbiotechnologie der Zukunft“ unterstützt.


Raps ist mit einem Anteil von 15 Prozent an der Pflanzenöl-Weltproduktion die zweitwichtigste Ölsaat nach Soja. Rapsöle werden nicht nur für die Herstellung von Speiseölen und Biodiesel verwendet. Andere Anwendungen liegen in der Seifen-, Waschmittel- und pharmazeutischen Industrie, weiterhin lässt sich Rapsöl für die Herstellung von Kunststoffen und Schmierölen einsetzen. Raps mit dem wissenschaftlichen Namen Brassica napus ist eine relativ junge Kulturpflanze, die nach Ansicht von Züchtungsforschern erst vor wenigen Jahrhunderten auf den Plan trat.  Das Besondere: Es sind keine wilden Verwandten bekannt. Raps ist ursprünglich aus einer zufälligen Kreuzung der Pflanzenarten Rübsen (Brassica rapa) und Kohl (Brassica oleracea) hervorgegangen.

Ölsaat mit komplexem Doppel-Genom

Die Spuren dieser Vereinigung kann man heute noch erkennen: Das Erbgut im Zellkern enthält die kompletten Genome beider Pflanzen in leicht veränderter Form. Raps besitzt also zwei unterschiedliche Chromomensätze in doppelter Ausführung. Das gesamte Erbmaterial von Raps zu entschlüsseln, ist komplex und erfordert nahezu doppelten Aufwand. Das gesamte Rapsgenom umfasst etwa 1300 Megabasen (Mb), das ist ungefähr zehnmal so groß wie das Erbgut der Modellpflanze Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana. Nun ist es einem internationalen Konsortium unter der Federführung von französischen Pflanzenforschern nach jahrelanger Arbeit gelungen, das Genom vollständig zu entziffern und zu analysieren. Forscher um Birgit Samans und Rod Snowdon von der Justus-Liebig-Universität Gießen waren an den Studien beteiligt. Die Forschung wurde durch das BMBF im Rahmen des Förderprojekts „PreBreedYield“ in der Förderinitiative „Pflanzenbiotechnologie für die Zukunft“ unterstützt.

Mehr als 100.000 Gene

Die Daten offenbaren: der Raps behielt bislang fast alle Genkopien seiner beiden Elternspezies und bringt es so auf rund 101.000 Gene. Da beim Raps viele Genfunktionen aufgrund der Genomdopplung mehrmals vorhanden und somit überflüssig sind, besteht hier ein großes Potenzial zur Änderung und Anpassung durch vorteilhafte Mutationen. So lösen zum Beispiel ungenaue Chromosomenpaarungen, die beim Raps durch die Genomdopplung häufig vorkommen, Mutationen aus – und beschleunigen so die Evolution. Viele für die heutige Nutzung des Rapses wichtige Eigenschaften wurden unmittelbar nach der Artentstehung durch den Austausch von Chromosomenstücken gebildet. So konnte sich eine Pflanze, die mit extrem geringer genetischer Vielfalt entstanden ist, in kürzester Zeit an diverse geographische und agrarökologische Extreme anpassen und sich dort behaupten. Die Kenntnisse aus der Genom-Sequenzierung haben vor allem für die Züchtung neuer Ölrapssorten mit besserer Umweltverträglichkeit und erhöhtem Ertrag eine große Bedeutung.

Noch ist das Weizengenom nicht komplett geknackt – aber Forschern des internationalen Weizengenom-Sequenzierkonsortiums ist ein wichtiger Meilenstein geglückt: Sie haben das Erbgut des wichtigsten Brotgetreides detailliert vermessen und eine molekulare Überblickskarte vorgelegt. Dazu war es zunächst nötig, das komplexe Genom in seine 21 Chromosomen zu zerteilen und deren Genabfolge Schritt für Schritt zu analysieren. Beteiligt an dem Projekt sind auch Wissenschaftler um Klaus Mayer vom Helmholtz Zentrum München. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat das Projekt im Rahmen der Fördermaßnahme "Plant 2030" unterstützt. Das Genomkonsortium berichtet im Fachjournal Science (2014, Bd. 345, Ausg. 6194). Die öffentlich zugänglichen Daten sind schon jetzt eine wertvolle Ressource für Pflanzenzüchter.

Der Brotweizen Triticum aestivum kann unter den Getreidearten viele Rekorde für sich verbuchen: So nimmt er mit 200 Millionen Hektar weltweit die größte Anbaufläche ein. Im vergangenen Jahr wurden nach FAO-Angaben rund 700 Millionen Tonnen Weizen produziert. Das Getreide gilt als der wichtigste Kohlenhydrat- und Proteinlieferant für die Weltbevölkerung. Rekordverdächtig sind auch die molekularen Kennziffern des Weizens: Das Genom ist mit 17 Milliarden Basenpaaren (17 Gigabasenpaare) nicht nur fast sechsmal so groß wie das Erbgut des Menschen, es liegt zudem in jeder Zelle in sechs Kopien vor.

Das Weizengenom ist aber nicht nur riesig, sondern auch noch komplex. So ist das Genom ein Mix aus drei verschiedenen Vorläufergenomen, also drei verschiedenen Gräserarten, deren Erbsubstanz sich in der Evolution miteinander vermischt hat.

Genom in seine einzelnen Chromosomen zerlegt

Diese Komplexität hat sich als harte Nuss erwiesen auf dem Weg, die komplette Genomsequenz von Weizen zu entziffern. Doch die Kenntnis der Erbgutinformation ist ein Schlüssel, den Pflanzenzüchter zur Entwicklung neuer und anpassungsfähiger Sorten dringend benötigen. Seit den 1980er Jahren hinken die Möglichkeiten der Weizengenetik denen bei anderen Nutzpflanzen – etwa Reis – hinterher. Ein internationales Konsortium hat sich deshalb darangemacht, das Weizengenom im Detail auseinanderzunehmen und das Erbgut vollständig zu entschlüsseln. Zwar hatten die Forscher bereits 2012 im Fachjournal Nature eine erste . Doch hieraus ging nicht hervor, wo im Genom welches Gen tatsächlich verortet ist.

Chromsom 3B vollständig entziffert

Also hieß es zunächst: kleinere Brötchen backen. Die Forscher haben dazu das gigantische Genom in seine kleineren Einheiten, nämlich seine 21 einzelnen Chromosomen, zerlegt. Ihre Überblickskarte mit der vorläufigen Gensequenzen stellen sie nun in Science (2014, Bd. 345, Ausg. 6194) vor. Ein Chromosom, 3B, haben sie zudem vollständig entziffert und damit eine erste Referenzsequenz vorgelegt. Klaus Mayer, Leiter der Abteilung für Genom- und Systembiologie der Pflanzen am Helmholtz Zentrum München, war mit seinem Team federführend an der Analyse beteiligt und konnte zudem Einblicke in das komplexe Wechselspiel der Genregulation gewinnen.

Vorteile für die Pflanzenzüchtung  

„Je besser wir die Organisation, Funktion und Evolution des großen, polyploiden Genoms verstehen, umso leichter können wir die für die Züchtung wichtigen Gene identifizieren“, erklärt Mayer. „So wird es möglich, für unterschiedliche Standorte eine möglichst geeignete Pflanze zu züchten“. „Die neu gewonnenen Einsichten in die Biologie des Weizengenoms ermöglichen uns, Gene rascher zu isolieren und die Entwicklung von Markern für die Züchtung voranzutreiben. Das sind die Grundbausteine für die Herausforderung, den zunehmenden Bedarf der Welternährung bei stagnierenden Erträgen, Pflanzenkrankheiten und einem sich ändernden Klima erfolgreich zu begegnen“, sagt Mayer. 

Das Manöver im Orbit verlief planmäßig: Am 24. Juli um 5:31 Uhr dockte der russische Raumfrachter „Progress M-24M“ an der Internationalen Raumstation ISS an. Im Gepäck befindet sich diesmal auch eine besondere Auswahl an Lebewesen: Bakterien, Algen, Moose, Pilze und Flechten. Die Organismen gelten schon auf der Erde als Überlebenskünstler. Nun soll in einem Außenexperiment namens BIOMEX getestet werden, ob sie auch den extremen Bedingungen des Weltraums gewachsen sind. An Bord sind auch Organismen, die Potsdamer Forscher an die ISS gesandt haben. Die Wissenschaftler versprechen sich Erkenntnisse für künftige Marsmissionen und für die Suche nach weiterem Leben im All.

Die Reise zum Außenposten der Menschheit auf rund 400 Kilometer Höhe verlief ohne größere Probleme: Am Mittwochabend um 23.44 Uhr MESZ war die kostbare Fracht an Bord einer Sojus-Trägerrakete vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan abgehoben, wenige Stunden später wurde die Fracht vollautomatisch in die ISS verladen. An Bord hunderte biologische Proben von der Erde: Es sind Organismen, die mindestens 12 Monate an der Außenseite der Raumstation verbringen werden.

Frostliebende Algen an Bord

Unter den mehreren hundert Proben von Bakterien, Algen, Flechten, Moosen und Pilzen finden sich auch zwei Stämme aus der Sammlung frostliebender Algen (CCCryo), die am Institutsteil Bioanalytik und Bioprozesse des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie in Potsdam angesiedelt ist. Forscher Thomas Leya hat dazu das Cyanobakterium Nostoc sp. aus der Antarktis und die Grünalge Sphaerocystis sp. aus Spitzbergen auf die Reise ins All geschickt. Leya ist einer von mehreren nationalen und internationalen Partnern, die zusammen im BIOMEX-Projekt (Biology and Mars-Experiment) der ESA und in enger Kooperation mit dem Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum DLR untersuchen, wie Organismen extremen Weltraumbedingungen gewachsen sind. Die diesmal ins All gesandten Lebewesen sind dabei schon auf der Erde mit außergewöhnlichen Eigenschaften aufgefallen. Es handelt sich um extremophile Organismen, Überlebenskünstler, denen selbst widrigste Umweltbedingungen nichts ausmachen.

Kosmischer Strahlung ausgesetzt

Mitte August sollen die Proben an der Außenseite der ISS in die Anlage EXPOSE-R2 positioniert und der dort herrschenden ultravioletten und kosmischen Strahlung, dem Vakuum sowie starken Temperaturschwankungen ausgesetzt werden.

Zudem werden auch Bedingungen simuliert, wie sie auf dem Planeten Mars herrschen. Das Hauptaugenmerk dieses Härtetests liegt auf der Stabilität der Zellstrukturen, der Proteine und der Erbmoleküle wie auch auf möglichen Veränderungen bestimmter Pigmente. Erkenntnisse daraus sind für zukünftige Marsmissionen relevant und könnten Wissenschaftler in Zukunft bei der Suche nach Leben auf dem Mars und im Weltall unterstützen. Bei BIOMEX geht es auch um die Überlebensfähigkeit und die möglichen genetischen Veränderungen der ausgewählten Organismen.

Extremisten unter den Moosen

Mit an Bord sind auch ein von der Potsdamer Biologin Jasmin Joshi vom Institut für Biochemie und Biologie untersuchtes Kissenmoos sowie ein Brunnenlebermoos, das aus hochalpinen Extremstandorten stammt. Die beiden Pflanzen gelten als besonders stresstolerant und können mit extremen Umweltbedingungen offenbar gut umgehen. Die biologischen Proben soll im Außerbereich der ISS bis zu 18 Monate lang verbleiben. Danach werden sie wieder auf die Erde zurückgeschickt. Ein Moment, den auch Geomikrobiologe Dirk Wagner vom Helmholtz Zentrum Potsdam GFZ mit Spannung erwartet. Er hat methanogene Archaeen, also Urbakterien, für die Expedition ins All mitgegeben, um mehr über deren Überlebensfähigkeit zu erfahren und zu ermitteln, wie sich die Mikroben in Mars-analogem Substrat besser aufspüren lassen.

Fünf Jahre haben Forscher der Zoologischen Staatssammlung München im Rahmen des DNA-Barcoding-Projektes Wildbienen genetisch analysiert und katalogisiert. Mit 503 von insgesamt 571 erfassten Arten, die in Deutschland beheimatet sind, ist die Gen-Datenbank der Wildbienen nun fast komplett. Deutschland ist damit weltweit das erste Land, das über eine solche zentrale Landesbibliothek verfügt. Der Katalog enthält zudem 58 Wildbienen-Arten benachbarter Länder.

Die genetische Sequenzierung aller in Deutschland lebenden Wildbienen erfolgte im Rahmen der Projekte „Barcoding Fauna Bavarica“ und „Barcoding Fauna Germanica“. Das Ziel: Der Gencode aller hierzulande lebenden Tierarten soll in einer Online-Bibliothek erfasst werden. Beide Vorhaben sind wiederum Teil der weltweiten Barcoding Initiative des "Canadian Centre of DNA-Barcoding" in Guelph/Kanada. Dessen Leiter Paul Hebert gehört zu den Mitautoren der nun im Fachjournal Molecular Ecology Resources (2015, Online-Vorabveröffentlichung) erschienenen Münchner Wildbienen-Bibliothek. Dass die Forscher aus der Vielzahl der Tierarten die Wildbienen für die Studie wählten hat seinen Grund: Auch in Deutschland gehören die nützlichen Insekten zu den bedrohten Tierarten. Sie sind bei der Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen wichtig, sichern Erträge und werden daher von Ökologen beim Monitoring für Zwecke des Naturschutzes und der Landschaftsplanung eingesetzt.

Deutschland als Vorreiter für Wildbienen-Atlas

Mit der Veröffentlichung der Gendatenbank feiern die bayerischen Forscher nach mehr als fünf Jahren Arbeit einen bemerkenswerten Erfolg. Das Ergebnis: 503 der insgesamt 571 deutschen Wildbienenarten sowie 58 Arten aus benachbarten Ländern sind im Katalog genetisch abgebildet. Damit ist Deutschland weltweit das erste Land, das über eine Gen-Datenbank aller landestypischen Wildbienen verfügt. „Mit diesen genetischen Daten lassen sich künftig fast alle deutschen Wildbienenarten auf einfache Weise bis zur Art bestimmen. Bisher war das nur mit Hilfe hoch spezialisierter Fachleute möglich“, sagt Projektkoordinator für die Wildbienen Christian Schmid-Egger. Daten von mehr als  4 000 Hautflüglern liegen der Auswertung zu Grunde.

Studie gibt Hinweis auf neue Bienenarten

„Die fast vollständige genetische Durchforstung des Artenbestandes in ganz Deutschland versetzt uns in die Lage, Arten völlig neu zu bewerten oder gar problematische Artenpaare zu identifizieren“, erklärt der Leiter des Barcoding-Projektes Stefan Schmidt dazu. Der Studie zufolge konnten bei 56 Arten eine unerwartet hohe genetische Variabilität registriert werden. Dass, so die Forscher, könnte wiederum ein Hinweise auf neue, noch unbekannte Arten sein, die sich unter bekannten Arten verstecken. In den kommenden Jahren wollen sich die Münchner Forscher im Rahmen der Barcoding-Projekte nun auf die Suche nach noch unbekannten Wildbienenarten begeben. Beide Vorhaben werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie vom Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst gefördert.

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Mikrobiologen der Universität Jena haben Bakterien umprogrammiert und sie zu Umweltsanierern verwandelt: Fortan produzieren sie Enzyme, mit deren Hilfe sich giftige Chlorverbindungen abbauen lassen. Die Forscher berichten im Fachjournal Applied and Environmental Microbiology (2014, Bd. 80. S.4313) über ihre Erkenntnisse.

Tetrachlorethen ist eine farblose, leicht flüchtige und nicht brennbare Flüssigkeit. Dank ihres großen Fettlösevermögens findet sie vor allem in der Textilreinigung sowie der Optik- und Metallindustrie zur Entfettung von Oberflächen Anwendung. Mehr als 100.000 Tonnen fallen Jahr für Jahr weltweit an. Und das ist ein Problem: Denn Tetrachlorethen ist nicht nur krebserregend und ein Umweltgift. Es ist in Anwesenheit von Sauerstoff nicht biologisch abbaubar und reichert sich stattdessen im Boden und Grundwasser an. „Von dort ist der Weg nicht weit in die menschliche Nahrungskette“, sagt Torsten Schubert von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Daher sei es dringend notwendig, Methoden zu entwickeln, chlorierte Schadstoffe zu entgiften, so der Mikrobiologe weiter.

Dehalogenasen bauen Chlorverbindungen ab

Beim Abbau chlorierter Kohlenwasserstoffe in der Umwelt könnten Mikroorganismen eine wichtige Rolle spielen. „Es gibt Bakterien, die in Abwesenheit von Sauerstoff Substanzen, wie Tetrachlorethen, entgiften können“, so Schubert. Allerdings würden solche Mikroben bislang nur selten für die Sanierung genutzt. „Sie lassen sich nur schwer aus der Natur isolieren und im Labor kultivieren.“ Außerdem besitzen diese Bakterien häufig mehrere dechlorierende Enzyme, die sogenannten reduktiven Dehalogenasen, mit ganz unterschiedlichen Substratspektren, was die Charakterisierung dieser biologischen Katalysatoren erschwert. Schubert und seinem Team ist es jetzt gelungen, Bakterien heranzuzüchten, die entsprechende Dehalogenasen in Reinform produzieren können. Dazu haben sie dem Bakterium Shimwellia blattae beigebracht, nicht nur ein funktionierendes Abbauenzym für Tetrachlorethen, sondern auch eine spezifische Dehalogenase zum Abbau anderer halogenierter Verbindungen zu produzieren.

Bakterium aus Schaben umprogrammiert

Dazu haben die Jenaer Forscher den genetischen Bauplan für das Enzym Dehalogenase aus dem Mikroorganismus Desulfitobacterium hafniense in das leicht zu kultivierende Bakterium Shimwellia blattae übertragen. S. blattae ist ein aus dem Darm der Küchenschabe isolierter und vergleichsweise anspruchsloser Mikroorganismus, der sich für die Produktion der dechlorierenden Enzyme bestens eignet. Denn er stellt das hierfür benötigte Kobalt-haltige Vitamin B12 in ausreichenden Mengen her. In weiterführenden Arbeiten wollen die Mikrobiologen nun die so erhaltenen Enzyme hinsichtlich ihres Aufbaus und ihrer Funktion umfassend charakterisieren. „Die Kenntnis des Katalysemechanismus ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass wir diese Enzyme in absehbarer Zeit für die Sanierung von kontaminierten Grundwässern oder Böden nutzen können“, sagt Schubert.

Spinnenfäden sind ein faszinierendes Naturmaterial: sie sind leicht und fein, und dabei enorm belastbar und reißfest. Materialforscher wollen den strukturellen Aufbau und die Bauweise dieser Fäden in Detail verstehen. Bioniker aus Kiel haben dazu die Haftfähigkeit und die Zugfestigkeit einer speziellen Seide von fünf verschiedenen Spinnenarten untersucht. Diese werden von Spinnen genutzt, um den eigentlichen Faden mit Untergründen zu verankern. Dabei haben sie herausgefunden, dass insbesondere der Untergrund einen großen Einfluss auf die Haftfähigkeit der Fäden hat. Die Kieler Forscher berichten im Fachblatt Journal of the Royal Society Interface (2014, Online-Vorabveröffentlichung).

Das Team von Stanislav Gorb beschäftigt sich mit der funktionellen Analyse von tierischen Oberflächen: Warum halten Geckofüße an der Wand? Warum scheuert die Schlangenhaut nicht durch, während sich die Schlange vorwärts bewegt? Neuestes Studienobjekt der Kieler Wissenschaftler sind Spinnenfäden: Der sogenannte Sicherheitsfaden wird von Spinnen zum Absichern, Abseilen und für die Rahmenstruktur des Netzes verwendet. Die Fäden werden mit so genannten Haftscheiben auf Untergründen und an anderen Fäden befestigt. Die Haftscheibe entsteht bei rotierenden Bewegungen der Spinnwarzen und wird in einem speziellen Gittermuster aufgetragen.

Haftscheibe hält Stand

Die Forscher um Gorb analysierten, wie Haftscheiben auf verschiedenen Untergründen halten. „Dafür haben wir die Spinnen auf Glas, Teflon und auf das Blatt eines Bergahorns gesetzt, wo sie jeweils Haftscheiben hinterließen. Dann haben wir durch Zugversuche die Kräfte gemessen, die nötig waren, um die Haftscheiben vom Substrat zu lösen“, erklärt Co-Autor Jonas Wolff. Auf Glas hafteten die Spinnenfäden so gut, dass sie rissen, bevor es zu einer Ablösung kam, so Wolff weiter. Auf Teflon dagegen lösten sich die Haftscheiben komplett ab, hafteten aber immer noch so gut, dass sie in den meisten Fällen ein Vielfaches des Spinnengewichtes halten konnten. „Auf der Blattoberfläche ist die Klebekraft schließlich soweit herunter gesetzt, dass sich die Haftscheibe in den meisten Fällen komplett ablöst“, ergänzt Wolff.

Schlechte Haftung auf Blättern

Die Forscher erklären dieses Phänomen damit, dass Pflanzenoberflächen oft mit Mikrostrukturen und/oder Wachsen ausgestattet sind, um pflanzenfressenden Insekten das Laufen zu erschweren. Diesem Problem sind natürlich auch die Spinnen ausgesetzt, wenn sie in der Vegetation ihre Netze bauen wollen. „Wir vermuten, dass der Wettkampf zwischen Pflanze und pflanzenfressenden Insekten auch für die Spinnen einen evolutionären Druck darstellte, bessere Kleber zu entwickeln“, so Wolff weiter. Momentan untersucht das Team, wie genau die Haftscheiben aufgebaut sind und funktionieren. „Unsere Erkenntnisse könnten für die Entwicklung neuartiger hocheffizienter, ökonomischer und ökologischer Klebstoffe von großem Nutzen sein“, erläutert Projektleiter Gorb die Anwendungsmöglichkeiten, die sich aus der Forschung potenziell ergeben könnten.

Schon lange haben Bioingenieure die Absicht, künstliche Zellen zu schaffen – sei es, um Wirkstoffe und Biomaterialien herzustellen oder die Zellen eines Tages für die regenerative Medizin zu nutzen. Biophysiker der Technischen Universität München sind nun gemeinsam mit US-Forschern einen entscheidenden Schritt weiter gekommen: Dem Team um Andreas Bausch  ist es erstmals gelungen, ein einfaches zellähnliches Modell zu erzeugen, das sich von allein bewegt und verformt. Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher jetzt im Fachjournal Science (2014, Online-Veröffentlichung).

Die Forscher haben sich am Modell der synthetischen Biologie orientiert und ihr Zellmodell minimalistisch angegangen. Normalerweise ist eine Zelle ein komplexes Gebilde mit einem ausgeklügelten Stoffwechsel. Ihr evolutionärer Vorfahr, die Urzelle, bestand hingegen nur aus einer Membran und wenigen Molekülen. Aus Sicht der Forscher ein perfekt arbeitendes System, das sie sich zur Vorlage genommen haben.

Auch die Münchener setzen lediglich auf einer Membranhülle aus Lipiden, zwei verschiedenen Sorten von Biomolekülen und einem Kraftstoff. Innerhalb der Lipidschicht befinden sich Bestandteile des Zytoskeletts, sogenannte Mikrotubuli. Diese sind aus sogenannten Kinesinen aufgebaut, die innerhalb natürlicher Zellen Moleküle am Zellgerüst entlang transportieren. Befeuert wird dieser molekulare Motor mit dem Zellkraftstoff ATP. Die Mikrotubuli-Röhrchen bilden im Experiment direkt unter der Membran einen zweidimensionalen Flüssigkristall, der ständig in Bewegung ist. „Man kann sich diese Flüssigkristallschicht vorstellen wie Baumstämme, die auf einem See treiben", erklärt Felix Keber, Erstautor der Studie. „Wird es zu dicht, ordnen sie sich parallel an und können doch noch aneinander vorbeitreiben."

Bewegungsmechanismus entschlüsselt

Die Bausteine in der Kristallschicht bewegen sich periodisch und folgen einer bestimmten Geometrie. Die physikalischen Gesetzmäßigkeiten, die dahinterstecken, haben die Wissenschaftler entschlüsselt. Sie werden künftig für die Erschaffung komplexerer Zellsysteme nützlich sein. Die Kunst-Zelle bewegt sich übrigens nicht nur einfach hin- und her: Ihr Modell konnten die Forscher sogar dahingehend verformen, dass sie stachelige Fortsätze bildet, wie sie Einzeller zur Fortbewegung nutzen.  „Mit unserem synthetischen biomolekularen Modell haben wir eine ganz neue Möglichkeit geschaffen, um minimale Zellmodelle zu entwickeln. Es ist ideal geeignet, um modular die Komplexität zu erhöhen und so kontrolliert zelluläre Prozesse wie Zellmigration oder Zellteilung nachzubauen “, erklärt Biophysiker Andreas Bausch. Dass das künstlich geschaffene System vollständig physikalisch beschrieben werden kann, nährt bei den Forschern auch die Hoffnung, dass bei den nächsten Schritten auch die physikalischen Gesetzmäßigkeiten der vielfältigen Zellverformungen analysiert werden können, so Bausch.

Finanziert wurden die Arbeiten unter anderem im Rahmen des Exzellenzclusters Nanosystems Initiative Munich (NIM), der 2006 im Rahmen der Exzellenz-Initiative der Deutschen Forschungsgemeinschaft als Excellenzcluster ausgewählt und von dieser seither gefördert wird. Im Projekt arbeitet ein interdisziplinäres Team  von Physikern, Biophysikern, Biochemikern, Biologen, Elektrotechnikern und Medizinern zusammen, um ihr Wissen über künstliche und biologische nanoskalige Systeme zu bündeln. Ihr Ziel ist es, verschiedene künstliche und multifunktionale Nanosysteme zu entwickeln, kontrollieren zu lernen, und für Anwendungen in der Informationstechnologie, der Biotechnologie oder deren Kombination zu erschließen. Darüber hinaus gehört Bausch zu jenen Forschern, die eine millionenschwere Förderung des European Research Council ergattern konnten.