Kolbenfresser verstehen

Kolbenfresser verstehen

Regine Kahmann

Beruf:
Mikrobiologin

Position:
Direktorin am Max-Planck-Institut für Terrestrische Mikrobiologie in Marburg

Vorname
Regine
Nachname
Kahmann

Beruf:
Mikrobiologin

Position:
Direktorin am Max-Planck-Institut für Terrestrische Mikrobiologie in Marburg

Seit mehr als 40 Jahren zieht die Molekularbiologie Regine Kahmann nun schon in ihren Bann. Besonders interessiert sich die Marburger Mikrobiologin dafür, wie Mikroben und Viren andere Zellen infizieren und welche Gene diese Attacken beeinflussen. Seit nunmehr 25 Jahren beschäftigt sie sich zudem mit den Infektionsmechanismen eines parasitären Pilzes, der Tumoren auf Maispflanzen hervorruft. 

„Forschung funktioniert selten wie am Schnürchen, es gibt lange Durststrecken und selten Höhen“, erzählt die Wissenschaftlerin. Die Kunst an der Forschung sei es, durchzuhalten, neue Ansätze zu versuchen und nicht so schnell aufzugeben. Diese Einstellung hat die 63-jährige Mikrobiologin weit gebracht – zu den Stationen ihrer Forscherkarriere gehören Berlin, das Cold Spring Harbor Laboratory auf Long Island, und die LMU München. Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina würdigte ihre herausragenden Arbeiten auf dem Gebiet der Phagen- und Pilzgenetik im September 2011 mit der Mendel-Medaille. Mit dieser Auszeichung ehrt die Leopoldina Pionierleistungen auf dem Gebiet der allgemeinen und molekularen Biologie.

Mit Phagen zu faszinierenden Erkenntnissen

Mit Phagen – also Viren, die Bakterien befallen – bekam Regine Kahmann es erstmals Ende der 1960er Jahre während ihres Biologie-Studiums an der Universität Göttingen zu tun. „Phagen sind ein tolles genetisches Modell, hier hatten wir innerhalb weniger Tage Erkenntnisse. Im Vergleich zur Forschung mit Maus oder Pflanzen ist das wahnsinnig schnell“, betont die Forscherin. Die Arbeiten mit den Bakterien-Viren sollten sie noch viele weitere Jahre begleiten. So konnte Kahmann bei Studien zur Rekombination des Phagen Mu nachweisen, dass die Entscheidung des Phagen zum Befall eines mikrobiellen Wirts von dem Gin-Protein des Virus und dem FIS-Protein des Wirtsbakteriums abhängig ist. Vor 15 Jahren konzentrierte sich Kahmann auf ein neues Studienobjekt: Bis heute widmet sie sich ausgiebig der Interaktion von pflanzenpathogenen Pilzen mit ihrem Wirt – und das ebenfalls erfolgsgekrönt.

Dem Maisbrand-Pilz auf der Spur

Es geht dabei insbesondere um den Pilz Ustilago maydis, ein Schädling, der bei Maispflanzen unschöne, schwarze, tumorartige Gebilde auf den oberirdischen Teilen auslöst. Die Schäden sind für Landwirte nicht gravierend, Jubel ruft der Befall hierzulande jedenfalls nicht hervor. „Ganz anders in Mexiko“, erzählt Kahmann, „hier sind die schwarzen Maistumoren eine Delikatesse. Die Mexikaner infizieren den Mais absichtlich und verkaufen die Geschwüre zu hohen Preisen.“ Die Mikrobiologin Kahmann interessiert sich indes weniger für die kulinarischen Vorzüge des Pilzes. Sie erkundet mit ihrem Team, wie der Krankheitserreger es schafft, im Inneren einer Maispflanze zu wachsen. Der Pilz wird interessanterweise nur pathogen, wenn er sich fortpflanzt. Die Leiterin der 50 Mitarbeiter zählenden Abteilung am Max-Planck-Insitut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg konnte zeigen, wie es dem Schädling gelingt, die Maispflanze zu infizieren. „Rückblickend kann ich sagen, dass unsere Untersuchungen an Ustilago maydis dazu geführt haben, dass wir die dort ablaufenden genetischen Prozesse so langsam verstehen“, so die Wissenschaftlerin. Sie ist wirkt auch im Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und im Senat der Max-Planck Gesellschaft.

Das Team um Kahmann hat bisher an die 200 neuartige Proteine gefunden, die die Interaktion von Pilz und Pflanze steuern. Im vergangenen Jahr publizierte Kahmann-Labor einen wichtigen Fachartikel in Nature (2011, Bd. 478, 395-398). Höchst interessant ist, dass diese Proteine keine Ähnlichkeit zu bisher bekannten Eiweißen haben. „Wenn ich es noch schaffe, die Funktion von zehn dieser Proteine aufzuklären und zu verstehen, dann bin ich sehr zufrieden. Ich bin mir heute schon sicher, dass wir bei jedem der zehn Moleküle Überraschungen erleben werden“, so die Genetikerin. „Zum Glück habe ich aber tolle, jungen Mitarbeiter, die eine wissenschaftliche Karriere anstreben und die werden diese Dinge weiter verfolgen.“

Grundlagenforschung wird für die Industrie interessant

In Zukunft könnten die Ergebnisse der Marburger Pilzforscher auch für die Industrie interessant werden, doch momentan steht das für Kahmann nicht im Vordergrund. „Die neuartigen Proteine sind natürlich hochinteressant, es sind langfristig fantastische Zielmoleküle für den Pflanzenschutz“, erklärt Kahmann. Aber für eine industrielle Anwendung ist es momentan noch zu früh, denn erst müssen die Forscher ihre Hausaufgaben machen und die molekularen Angriffsorte dieser Moleküle in der Pflanze herausfinden und genau charakterisieren. (Der Text wurde veröffentlicht am 21.03.2012).

Autorin: Andrea van Bergen