Wie Wurzel und Mikrobiom kommunizieren
Tonni Grube AndersenBeruf:
Pflanzenphysiologe, Molekularbiologe
Position:
Arbeitsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln (Sofja Kovalevskaja-Preis 2019)
Beruf:
Pflanzenphysiologe, Molekularbiologe
Position:
Arbeitsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln (Sofja Kovalevskaja-Preis 2019)
Der Pflanzenforscher Tonni Andersen ist Kovalevskaja-Preisträger 2019. Er will verstehen, wie Wurzeln sich mit Bodenmikroben austauschen und baut am Max-Planck-Institut in Köln eine neue Arbeitsgruppe auf.
Der dänische Pflanzenphysiologe Tonni Grube Andersen gehört zu den diesjährigen Preisträgern des Sofja Kovalevskaja-Preises der Alexander von Humboldt-Stiftung. Mit dem dem Preisgeld von 1,65 Mio. Euro baut er am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln eine eigene Arbeitsgruppe auf. Andersen interessiert sich insbesondere dafür, wie Pflanzen unterirdisch mit ihren sie umgebenden Wurzelmikroben interagieren. Tonni Andersen wechselte 2014 als Postdoc mit einem Marie-Curie-Stipendium an die Universität von Lausanne. Im Interview erläutert er, wieso ihn die Pflanzenwurzel so fasziniert und wie er der Kommunikation mit den mikrobiellen Untermietern auf den Grund gehen will.
Wie kommunizieren Pflanzen unterirdisch mit ihrer Umgebung?
Aus menschlicher Sicht kommunizieren Pflanzen auf sehr subtile Weise. Sie verlassen sich viel stärker auf „Gerüche“ als auf Töne oder Bewegung. Pflanzenwurzeln können als äußerst empfindliche „Nasen“ betrachtet werden, die „riechen“ können, wie freundlich Bakterien, Pilze oder direkt benachbarte Pflanzen gesinnt sind, je nachdem, auf welche chemischen Signale sie im Boden stoßen. Auf dieser Grundlage kann die Pflanze komplizierte Entscheidungen treffen: sollte ich vorsichtig sein? Sollte ich zufrieden sein? Sollte ich einfach eine meiner Wurzeln in eine andere Richtung wachsen lassen? Das finde ich extrem faszinierend. Eines meiner Forschungsziele ist es, herauszufinden, wie bestimmte Zellen in der Wurzel Entscheidungen koordinieren, die die gesamte Pflanze betreffen.
Welche Rolle spielt das Pflanzen-Mikrobiom und wieso ist dieser Mikrokosmos so in den Fokus des Forschungsinteresses gerückt?
Wurzeln ähneln in vielerlei Hinsicht unserem Darmsystem. Sie nehmen Nährstoffe aus ihrer äußeren Umgebung auf und bewegen sie nach innen, während umgekehrt der menschliche Körper Nährstoffe aus dem Darm aufnimmt. Neuere Forschungsergebnisse haben verdeutlicht, wie wichtig das Mikrobiom von Mensch und Pflanze für ein gesundes Leben ist. Ähnlich wie bei einem gesunden Darm-Mikrobiom gedeihen Pflanzen besser in Gegenwart eines gesunden Mikrobioms, da bestimmte mikrobielle Bewohner der Pflanze helfen, genügend Nährstoffe zu erschließen oder sich gegen Krankheitserreger zu wappnen. Sowohl bei Menschen als auch bei Pflanzen kratzen wir im wahrsten Sinn des Wortes erst an der Oberfläche, um diese Zusammenhänge zu verstehen.
Können Sie kurz erläutern, welche Entdeckungen Sie bisher zur Pflanzenwurzelbiologie gemacht haben?
Als Doktorand habe ich chemische Abwehrstrategien in der Modellpflanze Arabidopsis thaliana untersucht. Arabidopsis ist so etwas wie die kleine Schwester von Nutzpflanzen wie Raps und Senf. Forscher verwenden sie, weil sie viel kleiner und leichter zu handhaben ist. Ich habe untersucht, wie die Pflanze bestimmte Stoffe herstellt und verteilt, um sich so vor Fraßschädlingen oder Krankheiten zu schützen. Hier habe ich einen Mechanismus entdeckt, wie die Mutterpflanze diese Stoffe zu ihren Samen und zu den Wurzeln schickt. Dies führte zu einer Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Bayer. Denn im Tierfutter können diese Verbindungen schädlich für das Vieh sein. Die Landwirtschaft interessiert sich deshalb dafür, Saatgut für Pflanzen mit geringen Konzentrationen dieser Stoffe zu entwickeln. Diese Arbeit steigerte meine Begeisterung für Wurzeln – und ich startete einen Postdoc zur Entwicklungsbiologie der Wurzel. Ich untersuchte hier sogenannte Barriereschichten in Wurzeln und deren Funktion in der Nährstoffaufnahme und Pflanzenphysiologie. Meine Arbeit führte zu neuen Erkenntnissen über einen bestimmten Zelltyp in der Wurzelendodermis, die als „Durchlasszellen“ bezeichnet werden. Diesen Zellen wird auch meine zukünftige Forschung gewidmet sein. Sowohl Ergebnisse aus meiner Doktorarbeit als auch meines Postdocs wurden im Top-Fachjournal „Nature“ veröffentlicht.
Wo wollen Sie den Forschungsfokus in Ihrer neuen Max-Planck-Arbeitsgruppe in Köln legen?
Wir haben beobachtet, dass einzelne Pflanzenzellen sehr spezifisch auf den Input reagieren können, den sie aus ihrer Umgebung erhalten. Das gibt uns ein sehr nützliches Werkzeug an die Hand, um die Wechselwirkungen zwischen Pflanze und Mikroben in einem Detaillierungsgrad zu untersuchen, der bisher schwer erreichbar war. Meine Arbeit wird sich auf Arabidopsis konzentrieren, da wir über das größte Wissen über die Genetik dieser Pflanze verfügen. Hülsenfrüchte wie Sojabohne (Glycine max) und Lotus (Lotus japonicus) bilden jedoch hochspezialisierte, für beide Seiten vorteilhafte Gemeinschaften mit Bakterien, die der Pflanze im Austausch gegen Zucker Stickstoff liefern, den die Mikroben aus der Umgebung binden. Diese Symbiosen hängen von speziellen Wurzelstrukturen ab, den sogenannten Knöllchen. Ein weiterer Teil meiner Forschung wird sich darauf konzentrieren, wie diese Mikrobengemeinschaften und Strukturen entstehen und wie sie mit dem Transportsystem der Pflanzen verbunden sind.
Wie relevant ist Ihre Arbeit für die Pflanzenzüchtung und die Landwirtschaft?
Die meisten landwirtschaftlich genutzten Pflanzeneigenschaften basieren auf oberirdischen Merkmalen, etwa Saatgutmenge, Pflanzengröße oder Gewicht. Die unterirdischen Teile, insbesondere das Wurzelmikrobiom, sind eine Schatzkiste noch weitgehend unentdeckter Werkzeuge, mit denen die Pflanzengesundheit und der Ertrag optimiert werden können. Wenn wir verstehen, wie Pflanzen mit den sie umgebenden Bakterien kommunizieren, um Nährstoffe effizienter zu nutzen und resistenter gegen Krankheiten zu werden, können wir dieses Wissen nutzen, um mehr Nahrung auf weniger Fläche anzubauen und weniger Kunstdünger einzusetzen.
Interview und Übersetzung: Philipp Graf