Kein Sozialverhalten bei Waldbäumen

Kein Sozialverhalten bei Waldbäumen

Jürgen Bauhus

Beruf:
Forstwissenschaftler

Position:
Professor für Waldbau am Institut für Forstwissenschaften der Universität Freiburg

Der Forstwissenschaftler Jürgen Bauhus
Vorname
Jürgen
Nachname
Bauhus

Beruf:
Forstwissenschaftler

Position:
Professor für Waldbau am Institut für Forstwissenschaften der Universität Freiburg

Der Forstwissenschaftler Jürgen Bauhus

Der Freiburger Forstwissenschaftler Jürgen Bauhus erklärt im Interview, welchen Baumarten die Zukunft gehört, wieso der Wald zum Bestseller-Thema geworden ist, und warum er mit einer Petition gegen Massenbaumzucht für Schlagzeilen sorgte.

Frage

Herr Bauhus, Sie beschäftigen sich mit der Artenvielfalt in Deutschlands Wäldern. Wie wichtig ist im Zuge des Klimawandels eine größere Biodiversität?

Antwort

Ein sehr treffender Spruch lautet: die Zukunft ist auch nicht mehr das was sie einmal war. Darin kommt zum Ausdruck, dass die Zukunft noch unsicherer und unvorhersehbarer geworden ist. Biodiversität dient vor allem als Versicherung gegen diese unvorhersehbaren Entwicklungen. Wenn wir Ökosysteme haben, die aus vielen Arten bestehen, die auch ähnliche Funktionen ausüben, dann wird der unweigerliche Verlust einzelner Arten die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme und damit die Bereitstellung von Leistungen für uns Menschen weniger ins Gewicht fallen. Daher sollten wir unbedingt versuchen, den Anteil von artenreichen, gemischten Wäldern zu erhöhen.

Frage

Forstwissenschaftler schauen ja oft auch in die Zukunft – welche Baumarten werden Ihrer Ansicht nach in einhundert Jahren unsere Wälder prägen?

Antwort

Diese Frage ist sehr schwierig zu beantworten. Wir können zwar sagen, in welche Richtung sich das Klima in unserer Region verändern wird und welche Baumarten an dieses Klima der Zukunft angepasst sein werden. Das sind vor allem Baumarten, die jetzt auch bereits in wärmeren Klimazonen zuhause sind, insbesondere verschiedene Eichen- und Kiefernarten. Wir können aber nicht vorhersagen, welche Baumarten bis dahin möglicherweise durch neuartige Schädlinge und Pathogene dahingerafft werden. Niemand hätte vorhersehen können, dass wir bereits praktisch die Ulmen verloren haben und jetzt auf dem Wege sind, die Esche zu verlieren.

Frage

Welche Baumarten haben das größte Potenzial, die Fichte als Brotbaum der Forstwirtschaft abzulösen?

Antwort

Die Fichte ist bei uns die große Verliererin des Klimawandels. Um sie zu ersetzen, benötigen wir insbesondere andere Nadelbaumarten, die das Klima und Schädlingsregime der Zukunft besser tolerieren können, und ähnliche Produkte liefern. Dazu gehört die aus Nordamerika stammende Douglasie, die die Fichte auf den meisten Standorten ersetzen könnte, aber als eingeführte Baumart nur eine begrenzte Verbreitung finden wird. Dazu gehört auch die heimische Weißtanne, die insbesondere in höheren Lagen der Mittelgebirge eine geeignete Alternative zu Fichte darstellt. In tieferen Lagen, könnte in Zukunft auch die Schwarzkiefer eine größere Rolle spielen. Wenn es uns gelingt auch aus Laubholz wertvolle Massenprodukte herzustellen und wir uns daher von Produkten aus Nadelholz trennen können, dann können natürlich auch Laubbaumarten die Fichten ersetzen.

Frage

Sie haben sich 2015 in einem Positionspapier gegen Massenbaumzucht und für eine artgerechte Baumhaltung eingesetzt. Was war Ihnen hier wichtig und wie war die Resonanz darauf?

Antwort

Herrlich! Das war kein Positionspapier, sondern ein gelungener Aprilscherz (wie man immer noch sieht). Die Resonanz darauf war enorm, denn dieser Aprilscherz wurde von vielen Tageszeitungen und anderen Medien übernommen. Mir kam es darauf an, dass die Leute über die Parallelen zwischen einer Massentierzucht und der Forstwirtschaft erst einmal kräftig lachen können und dabei auch erkennen, dass es hier sehr große Unterschiede gibt. Mir geht die Vermenschlichung von Bäumen (à la Wohlleben) und die Tendenz, Bäumen (oder anderen Pflanzen) Eigenschaften tierischer Lebewesen zuzusprechen, eindeutig zu weit. Aus einer bei einigen Pflanzenarten beobachteten Reizleitung sollte man nicht schließen, dass es sich hier um empfindende Wesen handelt.

Frage

Sachbücher über Wald wie die von Peter Wohlleben haben die Bestsellerlisten gestürmt – wie wirkt sich dieser Trend auf Forstwirtschaft/Forstwissenschaft aus?

Antwort

Das Interesse an Wald hat in jüngerer Vergangenheit enorm zugenommen. Es vergeht kaum eine Woche, in der das Thema nicht in den Medien präsent ist. Das ist wunderbar und hat natürlich Auswirkungen auf die Forstwirtschaft und auf die Forstwissenschaft. An zusätzlichen Forschungsgeldern oder höheren Studienanfängerzahlen kann man das noch nicht erkennen. Aber die Forstwirtschaft erfährt einen höheren Rechtfertigungsbedarf für die Dinge, die sie traditionell tut, zum Beispiel Holzernte. Außerdem ist der Bedarf für Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung enorm gestiegen, auch um einige der ideologisch gefärbten Aussagen von sogenannten Experten wie Herrn Wohlleben wieder zurechtzurücken. Denn es gibt weder gute und schlechten Baumarten noch gibt es ein Sozialverhalten unter Bäumen. Und auch Holz, das nicht von Pferden gerückt worden ist, kann nachhaltig bereitgestellt worden sein. Da müssen wir leider sehr viel korrigieren.

Interview: Philipp Graf