Der Proteindesigner | Mitchell Duffy

Der Proteindesigner

Mitchell Duffy

Beruf:

Biotechnologe & Unternehmer

Biopionier für:

Materialentwicklung aus Strukturproteinen

 

Mitchell Duffy Naturkundemuseum Biodiversitätswand
Mitchell Duffy Cambrium
Material is the matter! Wir stellen Materialien her, die neuartig sind, effektiver sind, aber auch nachhaltiger. Das ist unsere Mission.
Mitchell Duffy

Morgens im Berliner Naturkundemuseum, allein unter Exponaten.

Aus der Tiefe des abgedunkelten Raumes tritt eine schlanke, hochgewachsene Gestalt mit leuchtend roter Mütze hervor. Vor ihr erhebt sich ein imposanter Baukasten aus Glas hoch bis zur Decke. Der Kasten glänzt stumm und ist doch voller Leben. Rund 3000 Tiere aus allen Lebensräumen werden hier präsentiert, sorgfältig präpariert, in all ihren Farben und Formen.

Naturkundemuseum Berlin Biodiversitätswand

Tatsächlich zeigt die Biodiversitätswand nur einen Bruchteil der heute existierenden Arten. Es sind geschätzte 4 bis 40 Millionen. Die überwältigende Vielfalt entstand durch die Evolution im Laufe der Erdgeschichte. Der einsame Besucher scheint als Vertreter des Homo Sapiens den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung zu markieren.

Mitchell Duffy fasziniert sich für die Ursprünge des Lebens. Schon als Kind grub er in seinem Garten nach Fossilien. Im amerikanischen Ohio, wo er damals wohnte, wogte zu Urzeiten ein warmes Meer. Heute liegt sein Grund direkt unter der Erdoberfläche und birgt einen Schatz versteinerter Lebensformen. Doch warum konnte Mitchell so viele Fossilien bergen? – In der Periode des Kambriums machte die Evolution einen Sprung. Leitfossil aus dieser Zeit ist der Trilobit, der wie ein Mischwesen aus Krebs und Assel daherkommt:

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Trilobiten Kambrium

„Die kambrische Explosion hat die Welt verändert: Das Leben entwickelte sich von einzelligen Organismen hin zur Vielfalt und Fülle. Explosionsartig entstanden praktisch alle Stämme der Tiere, die wir heute auf die Erde sehen. Und das war auch der Grund für uns, unsere Firma Cambrium zu nennen.“

Mitchell Duffy

Von jeher wollte Mitchell die Welt da draußen verstehen. Er studierte erst Biologie, dann Informatik: „Das Erste, was ich programmiert habe, war die Umwandlung von DNA zu RNA hin zum Protein. Ich wollte immer diese zwei Fächer zusammenfügen.“ Nach seiner Promotion an der Universität Münster arbeitete er bei verschiedenen Venture Capital Unternehmen im Biotechsektor, bis er Charlie Cotton kennenlernte, ebenfalls Biologe und Forscher am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam. Gemeinsam wurde der Entschluss gefasst, ein Start-Up auf Basis ihres Fachwissens über Strukturproteine zu gründen. Die Idee: die biotechnologische Produktion von Proteinen als Materie-Bausteine. In der Sprache des Mission Statement klingt das so:

Mitchell Duffy (CEO) & Charlie Cotton (CSO) von Cambrium
Mitchell Duffy, CEO & Charlie Cotton, CSO - die beiden Gründer von Cambrium

Wir stellen neuartige Materialien her, die einen positiven Einfluss haben auf unsere Umwelt und die Gesellschaft. Denn die, die wir ersetzen wollen, kommen von den Schlachthöfen, Ölfeldern und Mineralminen. 23 % unserer CO2 Emissionen stammen von der Materialproduktion und das wollen wir ändern.

Doch wie gewinnt Cambrium solche Materialien? Und was soll neuartig und gar explosiv daran sein? Schon länger werden Fasern aus Spinnenseide oder Plastikersatzstoffe im Bioreaktor erzeugt. Ist das noch zu toppen? – Das Besondere des cambrischen Produktionsprozesses erschließt sich ausgerechnet beim Blick in die Büroräume.

Berlin Mitte, Friedrichstraße, Ecke Oranienburger: Gegenüber der U-Bahnstation verschwinden Mitchell und Charlie in einem unscheinbaren Altbau. Über den Hof hinweg führt eine Treppe in ein ausgebautes Souterrain. Die Räumlichkeiten wurden von Cambriums Investor Merantix zur Verfügung gestellt, einer AI Investment Plattform mit dazugehörigem Campus. Die künstliche Intelligenz, gehört als Gipfel der Programmierkunst auch zu Cambriums Markenkern.

Proteindesign am Computer
Alltag in der Friedrichstraße: Proteindesign am Computer

Auf den Monitoren drehen sich farbenfroh schraubenförmige Strukturen. Wolkige Gebilde geben den Blick frei auf biochemische Bindungen im Zickzackmuster. Bei Cambrium scheint die gesamte Kunst der Proteindarstellung zur Vollendung gebracht. – Über all dem thront nur noch der Code: Leuchtende Datenkolonnen rattern Matrix-gleich den Bildschirm herunter, parallel zu den Simulationen von Helices und Eiweiß-Knoten. – Was von außen betrachtet wie Science-Fiction anmutet, ist Alltag für die programmierenden Biologinnen und Biologen:

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Proteine programmieren Cambrium

Mein Team entwirft neue Proteine. Dafür testen sie neue DNA-Sequenzen im Rechner. Das ist viel schneller und günstiger als im Labor 100.000 oder 1 Million verschiedener Sequenzen zu testen. Wir entwerfen Millionen von Sequenzen. Dann testen wir sie in Pipelines gestützt von Bioinformatik.

Mitchell Duffy

Um Proteine zu charakterisieren, mussten DNA-Sequenzen bislang in lebenden Zellen exprimiert und dann aufgereinigt werden. Ein aufwändiges Verfahren. Jetzt werden sie quasi im Rechner geboren. Die cambrische Explosion von heute führt das Werk der Evolution in schwindelerregendem Tempo fort, mit Mensch und Computer als Selektoren.

Mitchell Duffy im Video

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Zweifelsohne stehen wir am Anfang einer neuen Ära der digitalen Biologie. So haben Forschende 2022 ein revolutionäres KI-Netzwerk ins Leben gerufen: AlphaFold. Es kann den 3-D-Aufbau eines Proteins auf Basis seiner Aminosäuresequenz mit großer statistischer Sicherheit vorhersagen. Strukturen, die bislang nur durch zeit- und kostenintensive Röntgenkristallografie oder Kryo-Elektronenmikroskopie dargestellt werden konnten.

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Kollagen Molekül 3D Ansicht 1

Etwa 200 Millionen Proteine aus einer Millionen Spezies sind mittlerweile von AlphaFold erfasst und in einer riesigen Datenbank frei zugänglich. Von der Gestalt der Proteine lässt sich auf ihre Funktion schließen, was entscheidend ist, wenn man wie Cambrium effizientere Materialien herstellen möchte. Die Frage ist am Ende auch, welche Kandidaten für den Herstellungsprozess genügen. Auch dafür hat Mitchells Team eine Lösung:

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Kollagen Molekül 3D Ansicht

Wir haben eine eigene Software entwickelt, die in Kombination mit den erstellten Modellen herausfindet, ob ein Protein auch die richtigen Eigenschaften hat und vor allem, ob es skalierbar ist. Der ganze Vorhersageprozess ist AI-getrieben.

Mitchell Duffy

Der Bauplan für das Protein ist im Rechner entworfen, produziert wird es in Hefe. Während ein Teil des Teams im Büro programmiert, betreibt der andere das Labor. Zusammen ergibt das eine bunte, energetische Mischung, wie Mitchell betont: „Wir haben ein tolles Team aufgebaut. Die wissen, wie es geht. Ich freue mich jeden Tag, mit ihnen zusammenzuarbeiten.“ Darüber hinaus ist Cambriums Sitz in Berlin auch ein klares Votum für Deutschland als Forschungsstandort:

Cambrium Team Labor Berlin Buch
Gruppenbild im Labor - das Team von Cambrium

Ich bin seit 10 Jahren in Deutschland und habe letztens die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Es hat mich gefreut, endlich Teil der deutschen und europäischen Gesellschaft zu werden. Mitchell Duffy

Auf dem Forschungscampus Berlin Buch: ein Labor, vollgestopft mit Hightech und Messgeräten. Es herrscht wuseliges Treiben. Um die am Rechner auserwählten Proteine gezielt zu vermehren, werden hier Zelllinien in Hefe entwickelt und Scale-up-Verfahren für die Produktion optimiert. Auch die Robotik darf im digitalisierten Workflow nicht fehlen. Cambrium richtet sich nach Kundenwünschen. Doch welche Proteine wünschen sich eigentlich die Kunden?

Cambrium Labor Team Berlin Buch
Mitchell Duffy & sein Labor-Team in Berlin-Buch

Auf der Suche nach der ersten Anwendung für ihre Technologie haben Mitchell und Charlie mit vielen Industrien gesprochen. Schnell stellte sich heraus, dass die Kosmetikbranche einen großen Bedarf an Kollagen hat, das vegan und nachhaltig sein soll. – Eine Steilvorlage für das forschende Unternehmen. Denn wo das Kollagen üblicherweise aus tierischen Resten hergestellt wird, aus Tierhaut, Knochen und Knorpel, produziert es Cambrium in der besagten Hefe. Doch wie kommt es dort hinein?

Bislang sind 42 Gene bekannt, die sich an der Biosynthese von Kollagen beteiligen und die für 28 verschiedene Kollagentypen codieren. – Reichlich Material für Cambrium, um unzählige Gensequenzen am Rechner zusammenzusetzen und zu untersuchen. Das Ergebnis: eine spezielle Sequenz für ein hautidentisches Kollagen:

Mitchell Duffy (CEO) & Charlie Cotton (CSO) von Cambrium
Wie macht sich die neue Creme? Mitchell & Charlie beim NovaCall-Test

Alle Menschen haben diese Sequenz in ihrer DNA und unser Körper bildet dieses Kollagen jeden Tag. Wir produzieren aber nicht das ganze Molekül, sondern nur einen Abschnitt davon, der sehr effektiv ist. Das Mikromolekül regt die körpereigene Produktion von Kollagen an und unterdrückt zugleich ein Enzym, das Kollagen abbaut.

Nach zwei Jahren harter Arbeit kann im März 2023 ein erster Höhepunkt im Start-Up-Leben gefeiert werden: Cambrium präsentiert sein Kollagen als Pflegezutat auf der weltweit größten Kosmetikmesse In-cosmetics in Barcelona. Reines Kollagen in kosmetischen Produkten wurde in den letzten Jahren zum Megatrend. Als humanes Kollagen macht NovaCall von Cambrium auch seine Herkunft unverdächtig.

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NovaCall Messe Präsentation Cambrium

Doch wird das Produkt seine Versprechen einlösen können? Kann reines Kollagen in Cremes tatsächlich Falten glätten? Mitchell ist klar: „Nur durch bessere Eigenschaften werden die Leute unsere Materialien kaufen“. Bislang konnten vorherige Studien allerdings nicht nachweisen, dass es selbst kleineren Kollagenpeptiden gelänge, richtig in die Haut einzudringen.

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Cambrium Lucile Bonnet Michell Duffy Messe Barcelona

NovaCall zeigt dagegen bereits in vitro erste positive Ergebnisse. Die Tests in vivo mit Probanden folgen noch. – Es wäre auf jeden Fall eine Sensation, mit baugleichem Material den Menschen schon bald gesünder und schöner machen zu können.

Für uns ist das eine große Vision. Es gibt so unglaublich viel von der Natur zu lernen. Und wir glauben daran, dass unser Unternehmen, unsere Plattform, das Potenzial hat, die materielle Welt zu verändern durch synthetische Biologie.

Die kollagenen Strukturproteine finden sich bei allen Stämmen vielzelliger Tiere, wahrscheinlich auch schon in der Urzeit beim Trilobiten. Damit schließt sich der Kreis zur Natur, vom Kambrium zu Cambrium:

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Mitchell Duffy - Der Proteindesigner

Wie kommt man auf die Idee, seine Firma Cambrium zu nennen? - Mitchell Duffy ist promovierter Biotechnologe. Er arbeitet bei Cambrium als CEO, ein Biotech-Unternehmen, das er gemeinsam mit Dr. Charlie Cotton gegründet hat. Im Gespräch mit Oliver Päßler erzählt Mitchell, wie er schon als Kind Fossilien sammelte und heute KI-gestützt Strukturproteine am Rechner entwirft, um sie im Bioreaktor zu produzieren. Mit sensationellem Ergebnis: Cambrium hat es in kürzester Zeit geschafft, ein erstes Produkt auf den Markt zu bringen, ein hautidentisches Kollagen.