Der Ölinnovator
Thomas Brück
Beruf:
Forscher & Gründer
Biopionier für:
Ölproduktion mit Mikroorganismen
Korallen-Äste, Muscheln, Mineralien und Fossilien –
die beiden Glasvitrinen im Büro von Prof. Thomas Brück an der Technischen Universität München sind gefüllt mit Fundstücken aus heißen Thermalquellen, aus Flüssen, Seen und dem Meer. Gemeinsam mit seiner Forschungsgruppe sucht Thomas nach Wegen natürliche Organismen für industrielle Prozesse nutzbar zu machen. Sein Forschungsmaterial findet er dabei an den unterschiedlichsten Orten unserer Erde.
„Für uns ist die Natur ein direkter Bezug. Es ist die Quelle unserer Forschung. Wir schauen in die Natur rein, versuchen Organismen zu identifizieren, die neu sind, die aber gewisse Eigenschaften haben und die entwickeln wir weiter.“
Thomas Brück ist Leiter des Werner Siemens-Lehrstuhls für Synthetische Biotechnologie. Mit seiner Forschung möchte er die großen Herausforderungen unserer Zeit adressieren. Der Klimawandel, die Zerstörung von Biodiversität, die Endlichkeit von Ressourcen und die zukünftige Ernährung einer ständig wachsenden Bevölkerung sind Kernthemen seiner Arbeit.
„Wenn wir mit unserem jetzigen Wirtschaften und Handeln so weitermachen, werden wir die Lebensgrundlagen nicht nur der zukünftigen Generationen, sondern auch die unserer eigenen zerstören. Es braucht also einen tiefgreifenden Wandel in der Technologie, im wirtschaftlichen Handel, aber auch in der Gesellschaft.“
In diesem umfassenden Transformationsprozess sieht Thomas die Arbeit seines Teams als einen kleinen, aber wichtigen Baustein. Die Erforschung und Entwicklung innovativer biotechnologischer Verfahren kann ein Weg sein, mehr Nachhaltigkeit in unser Wirtschaften zu bringen.
Ein zentrales Thema seiner Forschung sind oleogene, also Öl-bildende Mikroorganismen. Dazu zählen auch Algen. Im Labor der TU München stehen dutzende Schüttelkolben auf Platten, die mit ihren kreisenden Bewegungen den Inhalt der Gläser zum Schwingen bringen. Von unten hell erleuchtet strahlt die Flüssigkeit in unterschiedlichen Schattierungen, von dunkel- bis neongrün.
Algen produzieren Öl über phototrophe Prozesse. Sie nutzen Licht und wandeln Kohlenstoffdioxid – unter Zugabe von Dünger wie Stickstoff und Phosphor – in Biomasse um. Nach vier bis fünf Tagen wird der Nährstoff entzogen, die Algen hören auf zu wachsen und lagern bis zu 70% Öl ein.
„Die Alge wächst zehnmal schneller als eine Landpflanze. Das liegt daran, dass ihre photosynthetische Effizienz etwa viermal höher ist. Sie kann also viermal schneller CO2 umwandeln und dann in Biomasse umwandeln.“
Die Entdeckung der Alge als Baustein für eine CO2-effiziente Konvertierung von Wertstoffen und eine nachhaltigere Wirtschaftsweise, liegt schon einige Jahre zurück. Im Fokus stand lange vor allem die Produktion von Biokraftstoffen. Thomas hat die Forschung an seinem Lehrstuhl wesentlich breiter aufgestellt. Inzwischen wird an einem ganzen Portfolio an Produkten geforscht. Von proteinreichen Nahrungsmittel-Komponenten über Kosmetika und Plattformchemikalien für Plastik, bis hin zu innovativen Carbonfasern, die etwa im Flugzeugbau eingesetzt werden können.
Neben den Algen widmet sich Thomas in seiner Forschung noch einer weiteren Klasse oleogener Mikroorganismen. Im Labor ein Stockwerk höher blubbert eine helle, milchige Flüssigkeit in den 1-Liter-Bioreaktoren. Hier sind Hefen am Werk. Sie wandeln Zucker in Biomasse um. Thomas und sein Team setzen auf biogene Reststoffe, um eine Konkurrenz zum Anbau von Lebensmitteln zu vermeiden. So nutzen sie etwa Pentose, ein zuckerhaltiges Abfallprodukt aus der Papierindustrie, um die Hefen zu füttern. In einer Feldstudie wurde auch das alte Brot einer lokalen Bäckerei zu mikrobiellem Öl recycelt. Die Hefe, mit der an der TUM gearbeitet wird, kann ganz unterschiedliche Ausgangsprodukte verarbeiten und ist somit vielseitig einsetzbar.
Auch Hefen können Öl in zwei Schritten produzieren – zunächst das Wachstum, dann die Öleinlagerung. Thomas und sein ehemaliger Doktorand Mahmoud Masri haben viele Jahre geforscht und einen innovativen Prozess entwickelt, der die Hefeölproduktion revolutioniert hat: Sie haben es geschafft, beide Schritte zu parallelisieren, so dass die Produktion von Biomasse und Öl gleichzeitig erfolgt. Anstatt in anderthalb Wochen geschieht der Prozess in drei Tagen. Und statt 70% kann die Hefe sogar bis zu 90% Öl einlagern.
Das Potenzial des Hefeölprozesses ist enorm. Auch die Bandbreite der potenziellen Öle ist groß: von flüssig bis fest, jeweils mit unterschiedlichen Eigenschaften. Der Prozess für die Herstellung einer Palmölalternative wird inzwischen im industriellen Maßstab erprobt. Und auch an anderen Fetten wird gearbeitet. Als nächstes etwa könnte ein Äquivalent zu Kakaobutter auf dem Plan stehen.
Der Forschungserfolg ist inzwischen in einer Ausgründung gemündet: Mit dem Start-up Global Sustainable Transformation, kurz GST, wollen Thomas und Dr. Mahmoud Masri den Hefeölprozess für Industriepartner lizensieren. Damit erfüllt Thomas seinen Anspruch, nachhaltige Innovationen aus der akademischen Welt in unseren Alltag zu bringen.
„Nach sieben Jahren Forschung sind wir so weit, dass wir in den Markt gehen können. Der Prozess ist ökologisch und ökonomisch so weit optimiert, dass wir jetzt dieses Produkt und diesen Prozess kommerzialisieren können.“
Der große Vorteil der Ölproduktion mit Mikroorganismen: Hefen, genau wie Algen, brauchen keine landwirtschaftlichen Flächen – vorausgesetzt, dass sie aus Reststoffströmen gefüttert werden. Die Fermenter können auf Brachflächen stehen und die Produktion kann vertikalisiert werden. So kann auf geringer Fläche und in kurzer Zeit eine hohe Ausbeute erzielt werden. Das gilt insbesondere durch den innovativen Hefeölprozess:
„Auf einem Hektar Fermenter, können wir etwa so viel produzieren wie auf 80.000 Hektar Palmölplantagen, vermeiden damit aber nicht nur zusätzlich die Flächenintensität, sondern auch eine Monokultur, die sich sehr negativ auf die Biodiversität auswirkt.“
Thomas Brück im Video
Der Schritt aus der Wissenschaft ins Marktregal ist oft schwierig. Das liegt auch an fehlender Finanzierung. Damit technologische Innovationen bei den Konsumenten ankommen, wünscht sich Thomas von der Politik mehr Kreativität in den Fördermechanismen.
„Wir als deutsche Gesellschaft leben ja von Technologieentwicklung und dem Verkauf dieser Technologie in andere Länder. Es ist sehr wichtig, dass wir mehr Geld für die Forschung ausgeben, um diese Pipeline an Entwicklungen immer zu füttern.“
Dabei soll nicht nur die akademische Forschung gefördert werden. Auch die Innovationstreiber aus dem Mittelstand und der Start-up-Szene sind Schlüsselfiguren auf dem Weg zur Marktreife. Durch eine gezielte Förderung könnten sie unterstützt werden, Technologien aus den Forschungslaboren in den industriellen Maßstab zu bringen. Dass neben dem Fördervolumen dann auch die Förderdauer eine wichtige Rolle spielt, weiß Thomas aus eigener Erfahrung. Auch sein Hefeöl ist nicht in zwei, drei Jahren entwickelt worden. In seinen Augen muss Förderung langfristig gedacht werden – auch über eine Legislaturperiode hinaus.
Neben der Politik nimmt Thomas Brück aber auch die Industrie in die Pflicht. Die Wirtschaftlichkeit einer Technologie stellt noch immer das ausschlaggebende Argument dar, wenn es um Investitionen geht. Thomas sieht Unternehmen aber mehr und mehr in der Verantwortung, nachhaltige Technologien voranzubringen und der Gesellschaft zugänglich zu machen.
„Die erste Frage ist ‚Wie viel kostet das?‘ Ich weiß nicht, ob das in Zukunft immer noch so sein sollte. Vielleicht wäre eine richtige Frage: ‚Wie nachhaltig ist das und wie viel CO2-Einsparung habe ich durch diesen Prozess?‘“
Dass der Transformationsprozess in Gang kommt, dafür setzt sich Thomas auch als Mitglied des Bioökonomierats (BÖR) ein. Der Rat berät die Politik für die Transformation von Industrie und Gesellschaft hin zu einer zirkulären, nachhaltigen Bioökonomie. Thomas sieht hier eine Möglichkeit, sein Wissen in Politik und Gesellschaft einzubringen.
„Ich hoffe, dass wir die Stimme der Vernunft sind und hier doch Handlungsempfehlungen entwickeln können, die der Politik eine Richtung weisen, wie sie die nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft und der Industrie vorantreiben kann.“
Ein Wandel ist am Ende aber nur möglich, wenn die Gesellschaft die Innovationen auch annimmt. Bei Vorträgen und im direkten Dialog wirbt Thomas daher für die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger gegenüber biotechnologischen Verfahren. Denn für ihn stellen sie eine Chance dar, wieder mehr im Einklang mit der Natur zu leben und zu wirtschaften:
„Die Vision ist, dass wir in den nächsten ein, zwei Dekaden – noch in meiner Lebenszeit vielleicht – eine Transformation sehen werden: dass wir weggehen von fossilen Ressourcen, die einmal genutzt werden, hin zu einem zirkulären Handel und Wandel, wo wir natürliche Ressourcen nutzen, ohne das Ökosystem zu schädigen.“