Alternativen zu Palmöl – Macauba-Palme und Mikroben als Ölquellen der Zukunft?

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Alternativen zu Palmöl – Macauba-Palme und Mikroben als Ölquellen der Zukunft?

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Palmöl ist günstig, vielseitig einsetzbar und das meistangebaute Pflanzenöl der Welt. Doch Anbau und Produktion haben starke Auswirkungen auf Mensch, Klima und Biodiversität. Die südamerikanische Macauba-Palme könnte eine Alternative sein. Sie ist beinahe so effizient wie die Ölpalme, für ihren Anbau müssten aber keine neuen Flächen gerodet werden und der Regenwald bliebe verschont. An der Universität Hohenheim und am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung in Freising wird seit einigen Jahren ihr Potenzial erforscht. Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat die Projekte unterstützt.

Die Hoffnungsträger an der Technischen Universität München wiederum sind nur unter dem Mikroskop zu erkennen. Als Teil des BMBF-geförderten „GreenCarbon“-Projekts werden hier winzig kleine Hefezellen zu möglichen Ölproduzenten der Zukunft gemacht. Das biotechnologisch hergestellte Hefeöl ist chemisch identisch mit Palmöl und kann hocheffizient auf kleinstem Raum produziert werden. Die Wissenschaft gibt also durchaus Hoffnung, nachhaltigen Öl-Alternativen auf der Spur zu sein und einer Ausweitung des Palmölanbaus im tropischen Regenwald entgegenzuwirken.

Alternativen zu Palmöl – Macauba-Palme und Mikroben als Ölquellen der Zukunft?


Es steckt in Lebensmitteln, Kosmetikprodukten und gar im Tank. Pflanzliches Öl ist aus unserem Alltag kaum wegzudenken. Und die Nachfrage steigt seit Jahren massiv. Ein Großteil des Bedarfs wird durch Palmöl gedeckt. Es ist vielseitig einsetzbar und günstig in der Produktion. Schon lange ist der Anbau von Ölpalmen aber umstritten. Besonders in den Hauptanbauländern Indonesien und Malaysia hat er verheerende Folgen für Mensch, Klima und Biodiversität. Und doch werden weiterhin zahlreiche Hektar Regenwald für neue Anbaugebiete gerodet, um die steigende Nachfrage zu bedienen.

Weltweit wird nach Wegen gesucht, die Palmölproduktion nachhaltiger zu gestalten und alternative Ölquellen zu erschließen. Eine Pflanze aus Südamerika könnte Erfolg versprechen. Am Institut für Tropische Agrarwissenschaften der Universität Hohenheim erforscht Dr. Thomas Hilger mit seinem Team ihr Potenzial:


Dr. agr. Thomas Hilger (Institut für Tropische Agrarwissenschaften, Universität Hohenheim)

„Die Macauba-Palme oder Acrocomia, kommt eben außerhalb des tropischen Regenwaldes vor und hat ein sehr weites Spektrum, wo sie wachsen kann. Sie kann auch längere Trockenperioden bis zu einem halben Jahr und vielleicht sogar noch länger überdauern. Und das macht diese Öl-liefernde Pflanze sehr interessant, als Alternative zur afrikanischen Ölpalme, wo wir heute sagen müssen, wir haben nicht mehr viele Flächen, wo dann der Anbau ausgeweitet werden kann.“


Etwa 80 Arten der Palme gibt es. In unterschiedlichen Regionen haben sich verschiedene Wildtypen ausgebildet, die an die Bedingungen vor Ort angepasst sind. Vor allem zwei Typen sind für den Anbau bisher interessant:


Thomas Hilger:

„Und das eine ist eben die Acrocomia aculeata und dann die Acrocomia totai. Beide unterscheiden sich sehr stark in der Größe, auch in dem Anteil des Fruchtfleischs. Sie wachsen in unterschiedlichen Öko-Typen. Und hier sehen wir eben halt auch eine gute Möglichkeit zu schauen, welche von diesen Typen ist vielleicht für eine bestimmte Region besonders geeignet – so dass man so auch ganz gut auf den Klimawandel reagieren kann.“
Die Erträge der Acrocomia sind schon jetzt vergleichbar mit weniger ertragreichen Ölpalmen. Durch eine entsprechende Züchtung und Kultivierung könnte die Produktivität weiter gesteigert werden. Wie das gehen kann, wird in enger Zusammenarbeit mit den Kollegen und Kolleginnen in Südamerika erforscht. Dort konzentriert man sich auf die Optimierung von Züchtung und Ernte. In Hohenheim liegt der Fokus auf der Suche nach einem passenden Anbausystem. Zudem wird die Nachhaltigkeit der Palme evaluiert.

Ein Vorteil der Acrocomia ist, dass sie auf bestehenden Nutzflächen integriert werden könnte, ohne dass neue Gebiete für ihren Anbau gerodet werden müssten.


Thomas Hilger

„In Südamerika haben wir viele Flächen, die intensiv genutzt werden, aber auch viele extensiv genutzte Weideflächen. Und da könnten wir uns sehr gut vorstellen, die Acrocomia-Palme zusätzlich hineinzusetzen.“

Schon heute stehen die Palmen vereinzelt auf Weideland. In einem modernen Anbausystem könnten sie hier intensiver kultiviert werden – mit positiven Effekten für die Viehwirtschaft. Die Palmen binden in ihren Blättern CO2 aus der Luft. Fallen diese ab, dient der Kohlenstoff als Nährstoff für Mikroorganismen in der Erde. Diese ist zudem feuchter. Denn unter dem Blätterdach ist die Verdunstung geringer. Das sorgt für bessere Böden und üppigeres Weideland. Den Schatten nutzen auch die Tiere. Ebenso werden Kaffee, Maniok und andere Nutzpflanzen vor zu intensiver Sonneneinstrahlung geschützt. Trotz Trockenheit können sie in diesem Mikroklima gute Erträge liefern.

Ein gemischtes Anbausystem bedeutet zudem größere Biodiversität. Es ist weniger anfällig für Krankheitserreger, als Monokulturen und kommt mit weniger Pestiziden aus.


Thomas Hilger

„Die Vision wäre, dass wir eine Palme in den Anbau bringen als Ölquelle, die dann Südamerika locker bedienen kann und wir dann nicht mehr diese ganzen Wege von Südostasien bis nach Südamerika haben und dann auf diese Art und Weise auch ein Stück weit nachhaltiger werden mit den Transportwegen.“

Die Forschung in Hohenheim zeichnet bisher ein positives Bild der Acrocomia – nicht nur in Fragen der Nachhaltigkeit, sondern auch was ihre Wirtschaftlichkeit angeht. Wie beides noch gesteigert werden könnte, damit beschäftigt sich ein Team um Prof. Dr. Peter Eisner am Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung in Freising.


Prof. Dr. Peter Eisner (Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV, Freising)

"Ich denke, die Macauba-Palme hat das Potenzial, die Ölquelle der Zukunft zu werden. Die Zielsetzung unseres Projektes ist aber gewesen, dass wir nicht nur das Öl nutzen, sondern dass wir die gesamte Frucht, die wir ernten können, ganzheitlich nutzen. Das bedeutet nicht nur die Öl-Fraktion zu verwerten, sondern wirklich alle Fraktionen, die Ballaststoffe, die Schalen, aber auch das Protein, was in den Früchten enthalten ist."

Um die beschriebenen Fraktionen simultan gewinnen zu können, müssen wir den gesamten Prozess der Ölgewinnung umstellen. Die grundsätzliche Art und Weise, wie man Rückstände aus der Ölgewinnung verwertet, ist das Tierfutter. Dabei werden allerdings Erlöse erzielt von maximal 200 € pro Tonne. Und deswegen besteht unsere Aufgabe darin sehr viel höherwertige Applikationen zu erschließen. Das heißt, wir müssen sehr viel schonender mit den Rohstoffen umgehen, damit die Proteine ihre Funktionalität erhalten und wir nachher die Proteine auch in hochwertigen Anwendungen einsetzen können.“ Wie die Prozesse optimiert werden können, daran forscht Sergio Toledo am Fraunhofer Institut. Er hat sich die Verarbeitungsschritte genau angeschaut und arbeitet an einer Verbesserung der Verfahren.


Peter Eisner:
„Wir versuchen die Prozesse so einfach wie möglich zu halten, um sie kostengünstig umsetzen zu können und auch aus Nachhaltigkeits-Effekten keine neuen Ressourcen zu verschwenden. Wir möchten natürlich nicht mit großen Wassermengen arbeiten oder mit großen Lösemittelmengen.“


Zum Einsatz kommen daher einfache trockentechnische Verfahren, wie Schälen, Sieben und Pressen. Mithilfe von wässrigen Lösungen und Ethanol können dann die einzelnen Bestandteile der Frucht noch weiter aufbereitet werden.


Peter Eisner:
„Wir gewinnen auf die Art und Weise 4 bis 5 verschiedene Einzel-Fraktionen, die alle miteinander ungefähr genauso werthaltig sind wie die Öle. Das heißt, wir können die Wertschöpfung pro Hektar um ein Vielfaches steigern. Und die Nutzung der Fraktionen kann jetzt natürlich so aussehen, dass wir das im Bereich der Lebensmittel einsetzen, aber möglicherweise auch Verpackungsmaterialien daraus herstellen, Folien oder irgendwelche Werkstoffe.“


Die Forschungsteams aus Freising und Hohenheim sehen in der Acrocomia-Palme großes Potential. Das könnte auch die lokale Bevölkerung überzeugen, die eine entscheidende Rolle für den Erfolg des Anbaus spielt. Beratung und Informationskampagnen sind fester Bestandteil der Forschung – um auf Probleme aufmerksam zu machen und Fehler, wie sie im Anbau der Ölpalmen gemacht wurden, nicht zu wiederholen. Hat die Acrocomia Erfolg als Ölquelle in Südamerika, könnte ihr Beispiel Schule machen!


Thomas Hilger:
„Das ist auch etwas, was natürlich dann andere Quellen befeuern kann, dass man auch in anderen Ländern mal schaut: Habt ihr nicht vielleicht auch eine Öl-liefernde Palme oder andere Öl-Früchte, so dass wir dezentral die Sachen produzieren können und damit dann auch ein Stück weit einen besseren Wasser- aber auch Kohlenstoff-Fußabdruck auf der Erde bekommen. Das sind so die ganz großen Visionen.“

Einen ganz anderen Ansatz verfolgt ein Forschungsteam um Prof. Dr. Thomas Brück und Dr. Mahmoud Masri an der Technischen Universität München. Ihre Forschungsobjekte wachsen nicht auf dem Acker, sondern in Fermentern. Seit einigen Jahren erforschen die Biotechnologen die Ölproduktion mit Hilfe von Mikroorganismen.


Prof. Dr. Thomas Brück (Leiter des Werner Siemens-Lehrstuhls für Synthetische Biotechnologie, TU München)

„Öl-bildende Organismen wie Algen und Hefen können Alternativen aufzeigen für die Palmöl-Produktion. An beiden forschen wir. Das Hefe-Öl ist jetzt schon etwas weiter, weil es in einem Spin-Out schon kommerziell umgesetzt werden soll und hat den Vorteil, dass es chemisch das Palmöl komplett ersetzen kann, ohne dass ich diesen Landnutzungs- und Öko-Footprint habe. Der große Vorteil ist: Ich kann mit einem Hektar vertikalisierte Hefeölproduktion in einem Fermenter 80.000 Hektar Palmölplantage ersetzen.“

Mithilfe der winzigen Hefezellen ist es möglich, Öl auf kleinem Raum sehr effizient zu produzieren. Die Hefe nutzt hierfür Zucker aus ganz unterschiedlichen Ausgangsmaterialen – zum Beispiel aus Agrarreststoffen. Durch spezielle Enzyme werden die enthaltenen langkettigen Zucker aufgespalten und dienen in einem Hydrolysat als Futter für die Organismen. Mit einem an der TU München entwickelten Verfahren können die Hefezellen innerhalb von 3 Tagen bis zu 90% Öl einlagern. Um das Öl freizusetzen, werden die Zellwände von Enzymen sehr spezifisch aufgelöst. Die in diesem Durchgang nicht genutzte Nährlösung kann mitsamt der Zelltrümmer im nächsten Produktionsprozess wiederverwendet werden. Das gewonnene Öl wird gefiltert und kann dank seiner hohen Oxidationsstabilität ohne Raffination direkt verwendet werden – zum Beispiel in Lebensmitteln.


Thomas Brück:
„Wenn man Öle für die Lebensmittelindustrie herstellen muss, dann darf man nicht genetisch diesen Organismus verändern, jedenfalls wenn wir hier in Europa bleiben. Und wir können mit dem Wildtyp der Hefe, die wir mal original isoliert haben, erstmalig auch ein Hefeöl in den Markt bringen, was Lebensmittel tauglich ist.“


Für den Erfolg am Markt ist aber auch der Preis entscheidend.


Thomas Brück:
„Aktuell rechnen wir mit den gleichen Kosten wie Palmöl. Aber generell gehen wir davon aus, je größer wir werden in unserem Prozess, desto effizienter, kosteneffizienter werden wir.“
Dann kann das Hefeöl ein Ersatz für Palmöl sein – in Lebensmitteln wie Margarine, Nuss-Nougat-Creme und Backwaren. Interesse an dem Münchner Öl gibt es aber auch aus der Kosmetikindustrie und dem Energiesektor.


Thomas Brück:
„Wir wollen natürlich mit Partnern hier in Europa auch produzieren. Aber da wollen wir nicht aufhören, sondern das Ziel ist auch Impact zu haben bei den Regionen, wo Palmöl heute hergestellt wird. Wir können aus den Reststoffen der Palmöl Produktion, der sogenannten Palmöl-Bunches auch Hydrolysate produzieren, mit unserer Enzym-Technologie. Die einsetzen, um dort auch Hefeöl zu produzieren. Das bedeutet, wir schaffen hochwertige Arbeitsplätze in diesen Ländern, verbessern Lebensbedingungen vor Ort, können auf kleinerer Fläche mehr produzieren und damit auch vor Ort die Biodiversität und Tropenwälder schützen.“

Die Pläne sind ambitioniert. Sowohl das Hefeöl, als auch die Macauba-Palme haben großes Potential in Zukunft zu attraktiven Öl-Lieferanten zu werden. Um die steigende Nachfrage nach Öl zu bedienen, braucht es am Ende eine Kombination unterschiedlicher Projekte und gemeinsamer Anstrengungen.

Die Wissenschaft gibt hier durchaus Hoffnung, nachhaltigen Alternativen auf der Spur zu sein und einer Ausweitung des Palmölanbaus im tropischen Regenwald entgegenzuwirken.

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