Mikrobielle Synthese von Naturstoffen vorhersagen
Ein Team um den Münchner Chemiker Thomas Brück hat eine Methode entwickelt, um bekannte Naturstoffe wie die Omega-3-Fettsäure aber auch neue Arzneistoffe auf nachhaltige Weise biosynthetisch herzustellen.
Die Natur ist für Forscher seit jeher ein Vorbild, um neue Arzneimittel oder Materialien zu entwickeln. Doch nicht immer sind die wertvollen tierischen oder pflanzlichen Substanzen leicht zu erschließen. Und nicht selten steht die Nutzung auch in Konkurrenz zur Lebensmittelindustrie oder greift ins Ökosystem ein. Ein Team um den Münchner Chemiker Thomas Brück hat nun eine Methode entwickelt, um bekannte Naturstoffe wie die Omega-3-Fettsäure aber auch neue Arzneimittel auf nachhaltige Weise biosynthetisch herzustellen. Im Fachjournal PNAS (2016, Online-Veröffentlichung) stellen sie zudem ein Simulationsverfahren vor, mit dem sich komplexe Enzymkaskaden am Computer modulieren lassen.
Ob Fieber, Gliederschmerzen oder Entzündungen - die Natur hat für fast jedes Leiden ein Heilmittel parat. Die Palette der pflanzlichen und tierischen Wirkstoffe reicht von Vitaminen bis hin zu krebshemmenden Substanzen. Auch als Ratgeber für die Entwicklung neue nachhaltiger Materialien wie für die Medizin hat sich die Natur längst bewährt. Das Problem: Meist sind die Naturstoffe nur schwer zugänglich oder ihre industrielle Verwendung konkurriert mit der Ernährungswirtschaft oder gefährdet gar den Fortbestand von Arten. Die synthetische Biotechnologie hat das Potenzial mithilfe methodischer Forschungsansätze aus Biochemie, Bioinformatik, Katalyse und Bioverfahrenstechnik diese Naturstoffe auf nachhaltige Weise zu gewinnen. Das hat jetzt ein Forscherteam um den Chemiker Thomas Brück von der Technischen Universität München bewiesen.
Omega-3-Fettsäuren aus Abfällen gewinnen
Brück und seinem Team gelang es erstmals, die Hefe Trichosporon oleaginosus genetisch so zu verändern, dass sie die lebenswichtigen Omega-3-Fettsäuren Alpha-Linolensäure (ALA), Eicosapentaensäure (EPA) sowie entzündungshemmend wirkende konjugierte Linolensäuren (CLAs) herstellt. Bis dato wurde diese Hefe für biotechnologische Anwendungen noch nicht genutzt. „Diese Hefe ist etwas Besonderes, da sie auch monomere Zuckerstoffe verwerten kann, die sonst nur sehr schwer abgebaut werden können“, erklärt Brück. Das Besondere: Die Hefe lässt sich aus Abfällen wie Stroh, Holzspäne, Weizenkleie oder ungenutzte maritime Stoffe wie Krabbenschalen gewinnen und das ohne die Umwelt zu belasten. Unter Stress lagern T. oleaginosus-Zellen Fette als Energiereserve ein. Dabei kann das in Form von Trigylceriden einlagerte Fett aber nur bis zu 70 Prozent des Trockengewichts der Hefe erreichen, weil dabei das Zellwachstum gehemmt wird. Als nächstes wollen die Münchner Forscher die ölbildende Hefe weiter modifizieren, sodass sie auch unter normalen Nährstoffbedingungen die Fette in ausreichender Menge Maß produziert, ohne dabei das Wachstum zu hemmen.
Enzyme wie Hefen sind bekannterweise ein nützlicher Helfer bei der Herstellung von Wirkstoffen. Mithilfe einer neuer von Brück entwickelten Methodik kann nun erstmals auch aufgezeigt werden, wie bestimmte Enzyme arbeiten und wie dessen Struktur und Funktion zusammenhängen. Wie die Forscher im Fachjournal PNAS berichten, konnten sie mithilfe einer Computersimulation die einzelnen Schritte aufklären, mit denen eine bestimmte Klasse von Enzymen Wirkstoffe herstellt und damit sämtliche Zwischenschritte der an diesem Enzym ablaufenden komplexen Kaskade von Reaktionen korrekt vorherzusagen.
Enzyme am Computer verändern
„Dieses Vorgehen ist sehr vielversprechend, denn auf Basis der Simulationen können wir Enzyme gezielt verändern und die daraufhin entstehenden Produkte vorhersagen“, erklärt Brück. „Wenn wir dann noch verschiedene solcher Enzyme miteinander verschalten, ist es sogar möglich, komplett neue Moleküle zu schaffen, die in der Natur gar nicht vorkommen.“ So identifizierten sie per Computer eine für Diterpenmakrozyklen spezifische Reduktase im Genom des Bakteriums Streptomyces afghaniensis. Die biotechnologische Nutzung dieses Proteins ermöglichte Brück und seinem Team, die Ausbeute des Wirkstoffes im Vergleich zum nativen Produzenten um einen Faktor 43 zu erhöhen. Biotechnologen könnten zukünftig also wie Ingenieure Produktionsschritte am Computer simulieren und so neue Synthesewege für Wirkstoffe schneller erforschen, als es im Labor bisher möglich ist.
Methode mit großem Potenzial
Aufgrund des enormen Potenzials dieser von Brück entwickelten Methoden hat die TU München Anfang im Mai den Lehr- und Forschungsschwerpunkt Das Münchner Forschungsprojekt wurde im Rahmen des Projekt ChiBio von der Europäischen Gemeinschaft sowie den Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF) sowie für Wirtschaft und der bayrischen Landesregierung unterstützt.