Ackerschmalwand: Zweck-Allianz mit bedrohlichem Bodenpilz
Die Ackerschmalwand sucht bei Phosphatmangel die Hilfe eines Bodenpilzes, der für andere Pflanzen schädlich ist. Das pflanzliche Immunsystem gewährt der Mikrobe aber nur im Bedarfsfall Unterschlupf und wehrt sie andernfalls massiv ab, wie ein internationales Forscherteam herausfand.
Viele Pflanzen leben mit Mikroorganismen in Symbiose, die in ihren Wurzeln siedeln. Die Ackerschmalwand ist eine Ausnahme. Arabidopsis thaliana verzichtet auf das Pilzgeflecht an der Wurzel als Nährstofflieferant, die Mykorrhiza. Stattdessen verbündet sich die bei Forschern beliebte Modellpflanze bei Bedarf zeitweise mit einem ansonsten eher unliebsamen Gast, dem Bodenpilz Colletotrichum tofieldiae. Wie ein internationales Konsortium unter Leitung von Max-Planck-Forschern in Köln herausfand, toleriert Arabidopsis den Pilz jedoch nur, wenn sie lösliches Phosphat aus dem Boden benötigt, andernfalls agiert das Immunsystem als Wächter und verweigert der Mikrobe den Zutritt. Im Fachjournal Cell (2016, Online-Vorabveröffentlichung) stellen die Wissenschaftler das ungewöhnliche Mikroben-Managmentsystem vor.
Ohne Nährstoffe wie Phosphat können Pflanzen weder wachsen noch gedeihen. In der Regel gehen sie dafür Symbiosen mit Mikroorganismen ein, die in der Wurzel leben und die Nährstoffversorgung übernehmen. Im Gegenzug sorgt die Pflanze dafür, dass die Untermieter reichlich Kohlenstoff aus der Photosynthese erhalten. Die Modellpflanze Arabidopsis thaliana ist hier eine Ausnahme, wie ein internationales Forscherteam unter Federführung des Kölner Max-Planck-Institutes für Pflanzenzüchtungsforschung herausfand. Wie das Team um Paul Schulze-Lefert berichtet, pflegt die Ackerschmalwand hinsichtlich der Phosphat-Versorgung eine Symbiose nach Bedarf mit dem eigentlich bedrohlichen Bodenpilz Colletotrichum tofieldiae. „Das gedeihliche Miteinander von Arabidopsis und Colletotrichum hat uns zunächst überrascht, weil diese Pilzfamilie fast überall als Krankheitserreger auftritt Allein beim Mais verursacht ein Verwandter Ernteeinbußen in Milliardenhöhe“, sagt Paul Schulze-Lefert, Direktor am Kölner Max-Planck-Institut.
Fremd unter bestimmten Umständen
Im Rahmen der im Fachjournal Cell erschienen Studie gingen die Wissenschaftler der Frage nach, warum der Bodenpilz Arabidopsis nicht krank macht. Die Antwort fanden sie im Immunsystem der Ackerschmalwand. Sie konnten zeigen, dass das angeborene Immunsystem den Pilz nur als Untermieter in der Wurzel akzeptiert, wenn Arabidopsis nicht selbst an Phosphat herankommt, sondern auf fremde Hilfe bei der Umwandlung des unlöslichen Phosphats angewiesen ist. Andernfalls bringt die Pflanze ihr Immunsystem in Stellung und versperrt dem fremden Pilz den Zugang zur Wurzel. „Fremd ist also nicht immer fremd, sondern nur unter bestimmten Umständen. Das ist eine ganz neue Sicht auf das Immunsystem“, bemerkt Schulze-Lefert. Die Forscher vermuten, dass diese besondere Symbiose auf die Standortbedingungen der in der Studie verwendeten Ackerschmalwand zurückzuführen sind. Der Pilz wurde aus einer Arabidopsis-Pflanze im spanischen Hochland isoliert, wo kaum lösliches Phosphat im Boden vorhanden ist.
Mikroben-Managmentsystem entschlüssselt
Darüber hinaus konnte das Forscherteam aufklären, welche Prozesse für das faszinierende Mikroben-Managmentsystem verantwortlich sind. Der Studie zufolge misst Arabidopsis mithilfe des sogenannten "Phosphat Starvation Response"-Regelwerkes die Verfügbarkeit des Nährstoffs im Boden und gibt die Information an einen Schaltkreis weiter, der das Pflanzenwachstum bestimmt. Dem Pilz wird also nur Zutritt gewährt, wenn das Depot an löslichem Phosphat zur Neige geht. Auch der Syntheseweg zur Bildung von Senfölglykosiden, die Teil des Immunsystems sind, prägt die ungewöhnliche Symbiose. Der Studie zufolge wird der Pilz zum lebensbedrohlichen Schädling, wenn dieser Syntheseweg fehlt.
Immunsystem wird zum Nährstoffregulator
„Arabidopsis-Pflanzen entscheiden über ihr anstehendes Verhältnis zu ihrem Untermieter, indem sie ihr Immunsystem mit dem Messfühler für die Phosphatversorgung verbinden“, erklärt Schulze-Lefert. Damit regelt das Immunsystem auch die externe Nährstoffversorgung der Pflanze bei Phosphatmangel, was im Pflanzenreich bislang ein Novum ist. „Wir haben jetzt gezeigt, dass ein Pilz den wir zufällig gefunden haben, sich dort nicht zufällig aufgehalten hat. Er dient Arabidopsis als Ersatz für die fehlende Mykorrhiza. Ohne ihn würde sie auf Phosphat-Mangelböden nur geringe Überlebenschancen haben“, so der Kölner MPI-Direktor. Als Nächstes wollen die Max-Planck-Wissenschaftler klären, welche Moleküle die Kommunikation zwischen Nährstoffversorgung und Immunsystem steuern und wie dieser Entscheidungsprozess organisiert wird.