Forscher bündeln Millionen Lebewesen in Online-Stammbaum
US-Forscher haben erstmals alle bekannten Lebensformen in einem Stammbaum erfasst. Der „Tree of Life“ ist im Internet für jedermann frei zugänglich und steht damit auch deutschen Forschern offen.
Etwa 2,3 Millionen Lebensformen sind heute bekannt. Dazu zählen Tiere, Pflanzen, Pilze wie auch Bakterien. Sie alle in einem einzigen Stammbaum zu vereinen, scheint eine schier unlösbare Aufgabe. US-Forscher haben sich an dieses Mammut-Projekt gewagt und präsentieren jetzt das Ergebnis. Der "Open Tree of Life" ist - wie der Name andeutet - ein trotz seines Umfangs - noch immer unvollständiger Stammbaum, der für Jedermann im Internet zugänglich ist. Die US-Forscher hoffen mit ihrer Vorlage, Wissenschaftler weltweit zu ermutigen, den "Lebensbaum" mit ihren Ergebnissen zu vervollständigen. Über ihre Arbeit zum „Open Tree of Life“ berichten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift PNAS (2015, Online-Vorabveröffentlichung).
Welche Tiere, Pflanzen, Pilze und Mikroben sind miteinander verwandt? Und welche Verbindung hat der Mensch zu den anderen Lebensformen? Derartig komplexe Fragen sind bis heute nur schwer zu beantworten. Eine US-Forschergruppe um Cody Hinchliff und Stephen Smith von der Universität Michigan in Ann Arbor hat nun erstmals alle verfügbaren Daten zu den unterschiedlichsten Lebensformen – von der Urbakterie bis zum Menschen – zusammengetragen und in einem Mega-Stammbaum zusammengefasst. Ein besseres Verständnis der Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Arten sei etwa wichtig, um neue Medikamente zu entwickeln, landwirtschaftliche Erträge zu steigern oder der Herkunft und Verbreitung von Krankheiten wie Aids, Ebola und Grippe nachzuspüren, argumentieren die Forscher.
"Lebensbaum" für Jedermann zugänglich
Das Besondere an dem Mega-Stammbaum: Er ist online für jedermann zugänglich und umfasst derzeit 2,3 Millionen Tiere, Pflanzen, Pilze und Mikroben. Mit seiner Hilfe ist es nun erstmals möglich, Abstammung und Verwandtschaft der einzelnen Lebensformen bis hin zu ihrem Ursprung vor 3,5 Milliarden Jahre zurückzuverfolgen, also von der Archebakterie bis zum heutigen Menschen. „Dies ist der erste ernsthafte Versuch, alle Punkte zu verbinden und zu einem Ganzen zusammenzufügen", sagt Projektleiterin Karen Cranston von der Duke Universität in Durham.
Stammbaum weiter ergänzen
Die Arbeit der Forscher geht auf 7.500 Studien zurück, die in den Jahren 2000 bis 2012 erschienen und somit verfügbar waren. Einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben die US-Wissenschaftler nicht. Das wird auch im Namen „Open Tree of Life“ deutlich. Denn viele wissenschaftliche Untersuchungen waren damals digital nicht greifbar und konnten so in der Darstellung keine Beachtung finden. Der Stammbaum, der für Jedermann im Internet zugänglich ist, ist somit erst die erste Version eines Vorhabens, das Forscher weltweit zum Mitmachen anregen will. „Der Open Tree of Life ist ein wichtiger Ausgangspunkt für andere Forscher, die ihn in kommenden Jahrzehnten verfeinern und verbessern können", betonte Mitautor Douglas Soltis von der Universität Florida. Auch Stephen Smith hofft, dass ihre Veröffentlichung andere Forscher ermutigt, eigene Ergebnisse hinzuzufügen.