OSCE Days: Wie sieht eine Welt ohne Abfall aus?

OSCE Days: Wie sieht eine Welt ohne Abfall aus?

Recycelte Textilien und neue Produkte aus Holzabfall – wie die Kreislaufwirtschaft der Zukunft aussehen kann, darüber wurde Mitte Juni bei den Open Source Circular Economy Days in 70 Städten weltweit diskutiert. Allein in Berlin waren 900 Teilnehmer dabei.

Brainstorming für die Kreislaufwirtschaft von morgen bei der Holzchallenge.
Brainstorming für die Kreislaufwirtschaft von morgen bei der Holzchallenge.

Wie eine Kreislaufwirtschaft ohne Verschwendung in der Praxis funktionieren kann, stand vom 9. bis zum 13. Juni 2016 auf der Agenda der Open Source Circular Economy Days (OSCE Days). Bei dem weltweiten Event haben Experten, Enthusiasten und Erfinder in mehr als 70 Städten in 37 Ländern Ideen ausgetauscht und zahlreiche Prototypen der Kreislaufwirtschaft von morgen entwickelt. Mehr als 900 Teilnehmer kamen dabei allein in Berlin zusammen, die Gründer des Vereins Circular haben die Veranstaltungsreihe vor zwei Jahren initiiert. In Vorträgen, Podiumsdiskussionen, Ausstellungen und Arbeitsgruppen werden Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft diskutiert. In diesem Jahr ging es unter anderem um Designermode aus recycelten Textilien oder das zweite Leben von Holzabfall. Die Friedrich-Ebert-Stiftung präsentierte eine Studie zum aktuellen Stand der Kreislaufwirtschaft in Deutschland.

Die Gründer des Berliner Vereins Circular haben sich Großes vorgenommen: Sie setzen sich für eine Welt ohne Abfall ein. „Wir wollen Wirtschaft als Kreislauf denken, statt wie bisher als Wertschöpfungskette“, erläutert Simon Lee, der selbst Mathematik studiert hat und in Berlin nun ein Experimentierfeld für die Kreislaufwirtschaft der Zukunft aufbauen will. „Es geht darum, Rohstoffe so optimal wie möglich zu nutzen und auch über den Lebenszyklus hinaus zu verwerten.“ Aus diesem Gedanken heraus hat Lee auf dem Gelände des Berliner Agora Kollektivs das „Circular Economy Lab“ (CRCL Lab) ins Leben gerufen.

Kindl-Brauerei in Berlin als Experimentierfeld für Kreislaufwirtschaft

Auf dem 1.000 Quadratmeter großen Gelände der ehemaligen Kindl Brauerei soll ein Labor für zirkularwirtschaftliche, nachhaltige Lösungsansätze entstehen. Die Idee dahinter klingt zunächst einfach: Kreative Köpfe sollen der Wegwerfgesellschaft den Garaus machen, in dem sie innovative Produkte entwickeln. Ähnliche Labore gibt es bereits in London und Utrecht, nun wird auch in der deutschen Hauptstadt ein Freiraum für Künstler und Unternehmer aufgebaut. Finanziert wird der Umbau der Kindl-Brauerei unter anderem von der Stiftung Edith Maryon. Sie kauft weltweit Spekulationsobjekte auf und vermittelt sie an soziale Projekte weiter.

In Berlin sollen im Untergeschoss zunächst Gewerbetreibende einziehen, in zwei Jahren könnten im Obergeschoss zusätzlich Wohnungen entstehen. Bis dahin wollen die Initiatoren die Idee einer nachhaltigen Wirtschaft aber noch weiter vorantreiben und in den Köpfen möglichst vieler Mitstreiter verankern.  „Der Begriff Kreislaufwirtschaft ist in Deutschland leider mit Recycling besetzt", sagt Lee. Doch bei zirkulärer Wirtschaft geht es nicht nur um Müllverwertung, sondern um eine neue Herangehensweise an Produktbeschaffenheit und Produktdesign. Auch Open Source sei von großer Bedeutung, so Lee. Im Idealfall gibt es gar keinen Müll mehr; die Einzelteile werden entweder wiederverbaut oder gliedern sich rückstandslos in die Biosphäre ein.

OSCE Days: Ideen für eine Kreislaufwirtschaft debattieren

Aber wie können Unternehmen in einer Kreislaufwirtschaft Geld verdienen? Welche Anreize müssen gesetzt werden, damit neue Geschäftsmodelle entstehen können? Welche Abfallströme lassen sich schon heute effizienter nutzen? Fragen wie diese standen im Mittelpunkt der Open Source Circular Economy Days, die Mitte Juni in weltweit 70 Städten und 37 Ländern stattfanden. Die Idee für eine Veranstaltungsreihe mit offenen Workshops, an denen jeder teilnehmen kann, hatten die Berliner bereits vor zwei Jahren. Aufgrund des Erfolgs der ersten OSCE Days fand das Event-Konzept nun in diesem Jahr eine Fortsetzung. Allein die Veranstalter um Simon Lee in Berlin begrüßten vom 9. bis zum 13. Juni 2016 mehr als 900 Teilnehmer auf dem Kindl-Gelände in Neukölln. Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) betonte in ihrer Eröffnungsrede, welche große Bedeutung das Müllthema für die Stadt, aber auch für jeden Einzelnen hat. „Wir müssen uns fragen, was wir mit dem Müll machen wollen und wie wir leben wollen“, sagte sie.

Workshop mit Modedesignerin Ina Budde

In zahlreichen  „Challenges“, also Mini-Seminaren zu bestimmten Themen, wurde schließlich zu ganz konkreten Herausforderungen diskutiert und über Lösungen nachgedacht. Jeder Interessierte konnte im Vorfeld eine „Challenge“ einreichen und über die OSCE-Onlineplattform organisieren – ganz im Sinne des Open Source Gedankens. Modedesignerin und Kreislaufwirtschafts-Anhängerin Ina Budde hatte beispielsweise zur „Textilchallenge“ geladen. Etwa 50 Interessierte aus allen Bereichen der Modeindustrie – vom Designer bis hin zum Betreiber von Modeportalen – hatten sich für die Challenge registriert. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie Textilien in einen Kreislauf aus Produktion und Wiederverwendung gebracht werden können. Die Teilnehmer befassten sich beispielsweise mit kuratierten Abteilungen in Second-Hand-Geschäften, bei denen Blogger ihre Lieblingsprodukte empfehlen, oder mit Websites, die Nutzer dazu motivieren, ihre Kleidung nicht wegzuwerfen, sondern zu recyceln. Auch Budde teilte ihre Erfahrungen. Die Designerin hatte erst kürzlich den „Lavera Green Fashion Award“ für ihr nachhaltiges Textildesign gewonnen.

Herausforderung Holzabfall bei der BSR

Eine andere Challenge widmete sich einem Problem der Berliner Stadtreinigung (BSR). Hier fallen jährlich 50.000 Tonnen Holzabfall an. „Müssen wir die wirklich verbrennen oder gibt es einen Weg, das Holz wiederzuverwenden?", brachte Janina Mainka, Beraterin und Coach, das Thema der Challenge auf den Punkt. Das Ergebnis der Diskussionsrunden: Altes Holz könnte beispielsweise sortiert und als Ersatzteil für Möbel weiterverkauft werden oder in Werkstätten Designern zur Verfügung stehen.

FES-Studie zur Kreislaufwirtschaft: Deutschland hat noch langen Weg vor sich

Über die vier Tage hinweg fanden zudem viele weitere Mini-Seminare statt. Ob essbare Naturkosmetik, nachhaltige Finanzierungsstrategien oder Open Source Geschäftsmodelle – die Vielfalt der diskutierten Themen war groß. Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) wiederum nutzte die Veranstaltung, um eine aktuelle Studie zum Stand der Kreislaufwirtschaft in Deutschland vorzustellen. Sie fasst die Ergebnisse einer Fachgesprächsreihe der FES zusammen, die mit Experten aus Politik, Wissenschaft, Verwaltung, Wirtschaft und Gewerkschaften im Auftrag des Arbeitskreises Nachhaltige Strukturpolitik durchgeführt wurde. Demnach sei Deutschland in Bezug auf seine Recycling-Quote zwar Weltmeister. „Allerdings besteht noch ein langer Weg bis die Kreislaufwirtschaft erreicht,“ so das Urteil von Henning Wilts vom Wuppertal-Institut für Umwelt, Klima, Energie, der die Studie geleitet hat.