Mit winzigen Alginat-Fabriken zur Wundauflage

Mit winzigen Alginat-Fabriken zur Wundauflage

Im Rahmen des Verbundprojektes AlBioTex haben Forscher einen Weg gefunden, mithilfe des Bakteriums Azotobacter vinelandii maßgeschneiderte Alginate für Wundauflagen herzustellen.

Forscher haben erstmals aus bakteriellem Alginat hauchdünne Fasern für Wundauflagen hergestellt.

Alginate wirken wie eine Art Schwamm. Das aus Braunalgen gewonnene Biopolymer kann enorme Mengen an Keimen und Flüssigkeit aufnehmen und ist wegen seiner Fähigkeit zu Gelieren vor allem für medizinische Wundauflagen  gefragt. Doch die Qualität des aus Algen gewonnenen Alginats variiert, weil es stark von Umwelteinflüssen abhängig ist. Im Rahmen des Verbundprojektes AlBioTex haben Forscher vom Hohenstein Institut für Textilinnovation gemeinsam mit Industriepartnern einen Weg gefunden, das Polysaccharid biotechnologisch mithilfe des Bakteriums Azotobacter vinelandii herzustellen und das zu Fasern versponnene Pulver zu Wundauflagen zu verarbeiten. Die Entwicklung der bakteriellen Alginatfasern  wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund 546.000 Euro gefördert.

Algen sind nicht nur wegen ihrer zahlreichen Mineralstoffe gesund. Bestimmte Grünalgen können als Zellfabriken Biotreibstoffe herstellen. Das aus Braunalgen gewonnene Biopolymer Alginat eignet sich auf Grund seiner Bioverträglichkeit besonders für medizinische und pharmazeutische Produkte. Es wird beispielsweise seit Langem bei Wundauflagen verwendet.  Der Grund: das Biopolymer hat die Eigenschaft, mehr als das Doppelte des Eigengewichts an Flüssigkeit aufzunehmen und Keime förmlich aus der Wunde zu ziehen. Aber nicht nur das. „In Kontakt mit Wundsekret oder Blut bildet sich eine Art Gel. Dadurch wird die Wunde unter Verschluss feucht gehalten und sie verklebt nicht mit der Wundauflage“, erklärt Eva Glink vom Hohenstein Institut für Textilinnovation in Baden-Württemberg.

Bioverträglichkeit garantieren

Diese bioverträglichen Eigenschaften des Alginats in gleichbleibender Qualität herzustellen, war in der Vergangenheit oft schwierig. Die Qualität des Alginats schwankte je nach Herkunftsort der Braunalgen. „Da Algen saisonalen und territorialen Einflüssen unterliegen, hat das Alginat nicht immer die gleiche Zusammensetzung“, erklärt die Molekularbiologin. Reinheit und Zusammensetzung des Biopolymers müssen jedoch konstant sein, um für Medizinprodukte wie Wundauflagen zugelassen zu werden.

 

Aus dem Bodenbakterium isoliertes und später gefriergetrocknetes Alginat

Im Rahmen des Verbundprojektes AlBioTex ist es den Forschern gelungen, Alginat biotechnologisch herzustellen. Dafür nutzten sie das Bodenbakterium Azotobacter vinelandii, das von Natur aus das Talent zur Alginatbildung besitzt. An dem vom BMBF geförderten Verbundvorhaben waren neben dem Hohenstein Institut  auch das Biotechnologie-Unternehmen Brain AG und der Faserhersteller Kelheim Fibres GmbH beteiligt.

Maßgeschneiderte Alginate

Das Ziel des Projektes: Reproduzierbares und chemisch definiertes Alginat biotechnologisch für den Einsatz in faserbasierten Werkstoffen wie Wundauflagen herzustellen. „Wir haben es geschafft, maßgeschneiderte Alginate mit gleichbleibender Qualität herzustellen. Um dem Alginat bestimmte Eigenschaften zu verleihen, wurden die Bakterien genetisch verändert“, berichtet Glink.

      

Wundauflage aus Alginatfasern

Zunächst mussten die Forscher die Bodenbakterien zu effizienten Alginatfabriken umfunktionieren. Der Vorteil: im Gegensatz zu Braunalgen gibt die Mikrobe Azotobacter vinelandii das Biopolymer nach außen in das Nährmedium ab. „Wir haben die Bakterien in einer Nährlösung angezogen und dann das in die Umgebung abgegebene Alginat von den Bakterien abgetrennt, durch verschiedene Fällungsschritte isoliert und dann zu Alginatpulver gefriergetrocknet“, erklärt die Hohensteiner Forscherin. Aus dem Alginat wurden dann entweder reine Alginatfasern, oder von der Kelheim Fibres GmbH Alginat- Viskosefasern gesponnen und im Hohenstein Institut schließlich zu Wundauflagen weiter verarbeitet.

Die Brain AG als Spezialist für industrielle Biotechnologie war wiederum für die Optimierung der Alginatbiosynthese zuständig. In Zwingenberg wurden die Bakterienstämme genetisch verändert, um die Materialeigenschaften zu verbessern. Die bakteriellen Alginate wurden durch Fermentation hergestellt. 

„Wir haben es geschafft, den biotechnologischen Produktions- und Verarbeitungsprozess von der Gewinnung des bakteriellen Alginats, über die Faserproduktion, bis hin zur Herstellung der textilen Flächen exemplarisch abzubilden“, sagt Glink. Auch sei das vorliegende bakterielle Alginat in seiner Qualität chemisch definiert und jederzeit reproduzierbar. Dennoch: Mit dem aus Braunalgen gewonnenen Biopolymer kann das bakterielle Alginat wirtschaftlich gesehen noch nicht konkurrieren. Dafür war Glink zufolge die Ausbeute insgesamt noch zu gering und auch der Reinheitsgrad nicht hundertprozentig optimal. „Die vorgenommenen genetischen Modifikationen zur Ausbeutesteigerung gingen auf Kosten des Bakterienwachstums. Zudem enthält das bakterielle Alginat Toxine, die mit zusätzlichen Aufreinigungsschritten zwar gesenkt werden können, leider sinkt dadurch aber auch die Alginat-Ausbeute“, erläutert Glink.

Bakterielles Alginat konkurrenzfähig machen

In einem nächsten Schritt gilt es daher, das bakterielle Alginat wirtschaftlich konkurrenzfähig zu machen. Denn die Vorteile der biotechnologischen Alginatgewinnung im Vergleich zur herkömmlichen Methode liegen auf der Hand. Glink: „Die Materialeigenschaften können speziell für das Anwendungsgebiet zugeschneidert werden. Auch ist die Produktion unabhängig von Klima- und Umwelteinflüssen und kann überall in geschlossenen Systemen erfolgen. Das ist günstiger als die Gewinnung aus Algen.“

Autorin: Beatrix Boldt