Seit Jahrtausenden nutzt der Mensch den Boden als Ressource. Doch Klimawandel und intensive Landwirtschaft setzen Böden zunehmend unter Druck. Vor allem der übermäßige Einsatz von Düngemitteln führt zu einem Ungleichgewicht der Nährstoffe im Boden. So gehen wichtige Nährstoffe, die für Pflanzen und Bodenmikroben gleichermaßen essenziell sind, verloren und gelangen zum Beispiel in Form von Nitrat in Oberflächen- und Grundwasser und führen zu erhöhten Treibhausgasemissionen.
Mit der Fördermaßnahme BonaRes (Boden als nachhaltige Ressource) unterstützte das Bundesforschungsministerium zwischen 2015 und 2025 Forschungsverbünde wie das Projekt INPLAMINT. Hier gingen Forschende der Frage nach, wie die Nährstoffeffizienz im Boden optimiert und gleichzeitig die Produktion lebenswichtiger Nahrungspflanzen verbessert werden kann. Im Fokus des Projekts standen die Optimierung der Interaktion von Pflanzen, Boden und Mikroorganismen zur Steigerung der Nährstoffeffizienz und die Entwicklung von hieraus abgeleiteten neuen Anbaustrategien. Das Vorhaben mit insgesamt sechs Partnern, wurde vom Forschungszentrum Jülich koordiniert und in seiner 3. Förderphase von Juni 2021 bis Mai 2024 im Rahmen der Fördermaßnahme BonaRes mit insgesamt 458.254,00 Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF, jetzt Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt, BMFTR) gefördert.
„Wir haben in der Landwirtschaft noch immer das Problem, dass große Mengen Stickstoff verloren gehen, trotz aller bisherigen Reduktionsbemühungen“, sagt Projektkoordinator Nicolas Brüggemann. „Die Düngegaben weiter zu reduzieren, wird das Problem des Stickstoff-Verlustes aber nicht lösen, da auch die Bewirtschaftung des Bodens dazu führt, dass Stickstoff mobilisiert wird.“
Mit Mikroben Stickstoffbindung verbessern
Durch die Bewirtschaftung der Äcker wird der Boden gestört und damit auch der natürliche Kreislauf von Nährstoffaufnahme und -abgabe zwischen Pflanzen und Bodenmikroben. Da beide Akteure Nährstoffe zum Wachsen benötigen, konkurrieren sie um die verfügbaren Mengen. In der 3. Projektphase hat das Forschungsteam um Brüggemann untersucht, wie Stickstoff mit Blick auf die klimabedingt immer häufiger auftretende Frühjahrstrockenheit langfristig über den Winter im Boden gebunden und damit für Pflanzen im Frühjahr verfügbar gemacht werden kann.
Ihr Ansatz: Mikroorganismen durch die Zugabe von kohlenstoffhaltigen Substraten dazu stimulieren, dass sie möglichst viel und lange Stickstoff binden. „So kann man Mikroorganismen in den Dienst der Landwirtschaft stellen“, betont Brüggemann. Das Prinzip: Man gibt Mikroben im Herbst, wenn zu viel Stickstoff im Boden ist, beispielsweise Weizenstroh als Futter. „Die Cellulose darin enthält Kohlenstoff, der für die Organismen leicht abbaubar ist. Um ihre eigene Biomasse aufzubauen, müssen sie dann den Stickstoff aus dem Boden aufnehmen.“
Nährstoffüberschüsse nach der Ernte im Visier
Diese Methode der Mikrobenstimulation mittels kohlenstoffhaltiger Substrate wurde sowohl in Feld- als auch in Laborversuchen untersucht. Im Fokus standen dabei die Nährstoffüberschüsse in der Phase der sogenannten Herbstmineralisation. Das ist die Phase nach der Ernte, in der Stickstoff aus den Ernteresten und der organischen Bodensubstanz freigesetzt wird und dann mangels pflanzlicher Stickstoffaufnahme im Winter zum großen Teil verloren geht. Die Versuche der Forschenden fanden dazu an vier verschiedenen Standorten in Deutschland auf Feldern statt, auf denen im Herbst Winterweizen ausgesät wurde. An drei Standorten wurde jeweils mithilfe von Dachmodulen die Frühjahrstrockenheit simuliert, am vierten Standort im Osten Deutschlands war es im Frühjahr bereits trocken genug, sodass hier die Kontrollvariante bewässert wurde.
Das Problem: Zwar wird Winterweizen in der Regel nach stickstoffreichen Früchten wie Raps oder Kartoffeln angebaut. Damit blockiert das Getreide aber über die Winterzeit das Feld für sogenannte Zwischenfrüchte, die viel Stickstoff aufnehmen könnten. Zwar wachsen die Weizenpflanzen noch ein wenig im Spätherbst, nehmen laut Brüggemann aber vor dem Winter nur noch ca. 10 bis 20 Kilogramm des verfügbaren Stickstoffs pro Hektar auf. „Im Boden sind aber mindestens 50 bis 70 Kilogramm Stickstoff pro Hektar vorhanden, der meist aus der Zersetzung von Pflanzenresten und organischer Bodensubstanz und entgegen der verbreiteten Ansicht meist nicht aus dem Dünger der Vorfrucht stammt“, erklärt der Forscher.
Als kohlenstoffhaltige Substanz nutzte das Team auf allen Versuchsflächen Weizenstroh, das im Herbst in den Boden eingearbeitet wurde, um die Mikroben zu mobilisieren. Aber auch Cellulose und Stärke wurden als Stimulanzien separat getestet. In allen Fällen funktionierte die Stickstoffbindung grundsätzlich gut. Bei der Freisetzung zeigten sich allerdings Unterschiede. „Wir vermuten, dass Stärke bevorzugt von Bakterien abgebaut wird, diese schneller wachsen und Stickstoff binden können. Diese Population bricht aber schneller zusammen, wenn die Kohlenstoffquelle aufgezehrt ist, wodurch der Stickstoff schneller wieder an den Boden abgegeben wird.“ Cellulose hingegen erwies sich demnach als stabiler, weil das Substrat „offenbar eher von Bodenpilzen zersetzt, in deren Biomasse eingebaut und damit länger gebunden wird“.
Bodenmikroben mit Weizenstroh stimulieren
Erste Ergebnisse des Projekts zeigen: Die praktikabelste und auch kostengünstigste Lösung für einen landwirtschaftlichen Betrieb wäre Brüggemann zufolge, die Bodenmikroben mit Weizenstroh zu stimulieren. „Das hat den Vorteil, dass man keine Extrakosten für das Substrat hat, sondern bestenfalls nur den Transport von einem Acker zum anderen. Cellulose auszubringen, ist derzeit zu teuer und kann kein Landwirt bezahlen.“
Feldversuche nahe Bonn haben klar gezeigt, dass mit Weizenstroh als „Mikrobenfutter“ im Herbst der Stickstoffverlust im Winter deutlich reduziert werden konnte. „Die Methode trägt tatsächlich dazu bei, dass der Stickstoff länger gespeichert wird.“ Ein unmittelbarer Effekt auf den Düngemitteleinsatz zeigte sich aber nicht – jedenfalls noch nicht. „Ein erheblicher Anteil des Stickstoffs ist so fest gebunden, dass er erst im übernächsten Jahr wieder frei wird. Man muss hier halt längerfristig denken“, erklärt der Forscher. „Wir fördern damit eher eine Art Ökosystem-Service – nämlich die längerfristige Speicherung von Kohlenstoff mithilfe von überschüssigem Stickstoff im Boden, der ansonsten verloren gehen würde.“ Der Projektkoordinator ist überzeugt, dass die Speicherung des „Herbststickstoffs“ grundsätzlich von Vorteil ist, weil damit Humus aufgebaut, Kohlenstoff und Wasser langfristig besser gespeichert und damit Böden fruchtbarer werden.
Resistenz gegen Trockenheit steigt
Auch die Folgen langer Trockenheit auf das Zusammenspiel von Pflanzen und Bodenmikroben wurden im Projekt INPLAMINT analysiert. Hier zeigte sich, dass bei Trockenheit die Stickstoffdynamik – abhängig vom Substrat – deutlich verlangsamt ist. Die regelmäßige Zugabe von stickstoff- und kohlenstoffhaltigen Substraten führte jedoch dazu, dass die Mikroorganismen resistenter gegenüber hohen Temperaturen und Trockenstress wurden.
Projekt „INPLAMINT“ (3. Phase): Projektpartner und Aufgaben
Forschungszentrum Jülich: Projektkoordination; Feld- und Laborversuche zur Stickstoffdynamik
Universität Kiel: Langzeitfeldversuch zur Wirkung von Kohlenstoffsubstraten auf die Stickstoffbindung sowie die Modellierung von Nitrataustrag an verschiedenen Standorten in Deutschland
Universität Köln: Untersuchungen zu den Effekten von Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor auf das Wachstum und die Aktivität von Mikroorganismen im Boden
Leuphana Universität Lüneburg: Gewächshausversuche zur Interaktion von Pflanzen, Boden und Mikroorganismen
Freie Universität Berlin: genetische Untersuchungen zum Einfluss Pilzen einschließlich der Mykorrhiza auf die Stickstoffdynamik im Boden
Technische Universität München: mikrobiologische Untersuchungen von Bakterien und Archaeen und ihre Rolle im Stickstoffkreislauf des Bodens, genetische Untersuchung von Proben aus Feldversuchen und Gewächshaus
Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen: Durchführung sozio-ökonomischer Berechnungen zur Wirtschaftlichkeit der getesteten Bewirtschaftungsmaßnahmen
Höherer Proteingehalt durch Mikrobenstimulation
Für die Landwirtschaft sind diese Erkenntnisse besonders relevant, da sie auf das Funktionieren der Nährstoffversorgung von Pflanze und Bodenmikroben angewiesen ist. „Die Praxis zeigt, dass auch bei nicht ausreichender Düngung zwar die Erträge zunächst recht stabil bleiben, aber der Proteingehalt abnimmt.“ Die Höhe des Eiweißgehalts im Weizen ist jedoch entscheidend, ob das Getreide als Lebens- oder Futtermittel verkauft werden kann, und damit ein wichtiger Preisfaktor. Mit der Zugabe von Substanzen wie Weizenstroh haben die Forschenden gezeigt, dass durch die Stimulierung der Mikroorganismen auch eine Veränderung bei den Proteinen im Boden stattfindet. „Es wurde tatsächlich ein erheblicher Teil des Stickstoffs in organischer Form gebunden – vor allem in Proteinen“, sagt Brüggemann.
Das Langzeitprojekt INPLAMINT ist nach neun Jahren Laufzeit abgeschlossen. Das Jülicher Team um Nicolas Brüggemann richtet nun den Blick darauf, wie die Erkenntnisse zur Mikrobenstimulation praktikabel und bezahlbar umgesetzt werden können. „Jetzt geht es darum, Substrate neben Weizenstroh zu finden, die Landwirtinnen und Landwirte selber zusätzlich produzieren können – wie zum Beispiel Miscanthus.“
Autorin: Beatrix Boldt