Agroecology

Traktor und zwei Menschen

Text: Martin Reich

Agroecology steht für einen Ansatz, der landwirtschaftliche Produktion mit ökologischen Prinzipien verbindet und dabei natürliche Kreisläufe, Biodiversität und regionale Ressourcen fokussiert. Mehr dazu in diesem Kurzbericht.

Nachhaltige Transformation der Landwirtschaft

Agrarökosysteme sind mehr als nur landwirtschaftlich genutzte Flächen. Sie umfassen die Gesamtheit der biologischen, physikalischen und sozialen Prozesse, die in landwirtschaftlich geprägten Landschaften ablaufen. Dazu zählen unter anderem Bodenfunktionen, Wasser- und Nährstoffkreisläufe, Biodiversität sowie die sozialen und wirtschaftlichen Strukturen, welche die Landwirtschaft prägen und die von ihr geprägt werden. Diese Systeme stehen in engem Austausch mit ihrer Umwelt und sind gleichzeitig von ihr abhängig. Sie sind dynamisch, vielfältig und durch menschliches Handeln stark beeinflusst.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass eine nachhaltige Transformation der Landwirtschaft nicht allein durch isolierte Einzelmaßnahmen erreicht werden kann. Es ist ein übergeordneter, systemischer Ansatz erforderlich, der ökologische, ökonomische und soziale Aspekte integriert. Die Landwirtschaft muss als Teil eines größeren, komplexen Netzwerks verstanden werden, in dem verschiedene Akteure, Prozesse und Rahmenbedingungen miteinander verflochten sind.

Die Herausforderung liegt in der hohen Komplexität dieser Systeme. Ihre Erforschung, Gestaltung und Weiterentwicklung erfordert einen interdisziplinären Ansatz. Naturwissenschaften, Sozialwissenschaften, Agrarwissenschaften und andere Fachrichtungen müssen ihre spezifischen Perspektiven, Methoden und Erkenntnisse einbringen und miteinander verknüpfen. Nur durch diese enge Zusammenarbeit kann das notwendige Wissen erzeugt werden, um landwirtschaftliche Systeme zukunftsfähig, resilient und nachhaltig zu gestalten. Der Ansatz der Agroecology bietet hierfür einen vielversprechenden Rahmen, da sie den Anspruch verfolgt, wissenschaftlich fundierte Nachhaltigkeit mit praktischer Umsetzbarkeit zu verbinden.

Seite 2 von 5

Agroecology als wissensbasierter, systemischer Ansatz für eine nachhaltige Landwirtschaft

Agrarökosysteme erfüllen weit mehr Funktionen als die reine Produktion von Nahrungsmitteln. Sie sind tief in gesellschaftliche, ökologische und wirtschaftliche Zusammenhänge eingebettet und beeinflussen zentrale Bereiche des menschlichen und natürlichen Lebensraums. Entsprechend vielfältig sind die Anforderungen, die an sie gestellt werden, sowie die Chancen und Zielkonflikte, die mit ihrer Umgestaltung einhergehen.

Machtlfing, Bayern, Deutschland
Agrarökosysteme sichern Einkommen in ländlichen Gebieten.

Auf sozioökonomischer Ebene tragen Agrarökosysteme wesentlich zur regionalen Wertschöpfung bei. Sie schaffen Arbeitsplätze, sichern Einkommen in ländlichen Räumen und prägen die soziale und kulturelle Struktur ganzer Regionen. In vielen Ländern des globalen Südens kommt hinzu, dass die kleinbäuerliche Landwirtschaft nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine existenzielle Grundlage darstellt, in Form von Subsistenzwirtschaft, Ernährungssicherung und lokaler Resilienz.

Gleichzeitig erbringen Agrarökosysteme eine Vielzahl an Ökosystemdienstleistungen. Sie beeinflussen Wasserqualität und Wasserhaushalt, tragen zur Kohlenstoffspeicherung bei, bieten Lebensräume für eine Vielzahl von Arten und ermöglichen Naherholung. Auch ihr Beitrag zum Klima- und Artenschutz ist zentral und die Landwirtschaft ist hier in einer Doppelrolle: sie ist Mitverursacherin von Umweltveränderungen, etwa durch Emissionen oder Flächenverbrauch, aber gleichzeitig auch unmittelbar von deren Folgen betroffen, etwa durch Extremwetter, Bodendegradation oder den Verlust von Bestäubern.

Diese vielfältigen Funktionen sind jedoch nicht frei von Zielkonflikten, was die Komplexität weiter erhöht. Oft bestehen Spannungen zwischen ökologischen Zielen, Klimamaßnahmen, wirtschaftlicher Rentabilität und sozialen Erwartungen. Die Erhöhung der Produktionsleistung kann beispielsweise für wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit sorgen und Flächen einsparen, um so Ökosysteme zu schützen. Gleichzeitig jedoch kann sie negative Auswirkungen auf die Biodiversität der bewirtschafteten Fläche oder auf die Wasserqualität haben. Ebenso können Maßnahmen zum Klimaschutz kurzfristig wirtschaftliche Belastungen für landwirtschaftliche Betriebe mit sich bringen und, je nach Ausgestaltung, auch der Artenvielfalt schaden. Solche Zielkonflikte erfordern sorgfältige Abwägungen und eine integrative Betrachtung auf Systemebene, wie sie die Agroecology anstrebt.

Blumenwiese/feld
Die Erhöhung der Produktionsleistung durch Agrarökosysteme kann negative Auswirkungen auf die Biodiversität der bewirtschafteten Fläche oder auf die Wasserqualität haben.

Agroecology versteht sich in diesem Kontext als wissenschaftlich fundierter, systemischer Ansatz, der das komplexe Zusammenspiel von natürlichen Prozessen, landwirtschaftlicher Praxis und gesellschaftlichen Anforderungen berücksichtigt. Sie zielt darauf ab, Resilienz, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit gleichzeitig zu fördern – durch die Verbindung von lokalem Wissen und wissenschaftlicher Analyse, durch partizipative Prozesse und durch das Zusammendenken ökologischer, ökonomischer und sozialer Faktoren.

Agroecology – Begriffsklärung und -abgrenzung

Der Begriff Agrarökologie wird in wissenschaftlichen, politischen und praktischen Kontexten unterschiedlich verwendet: so im engeren Sinn als agrarwissenschaftliche Disziplin, als erweiterter Rahmen zur Integration ökologischer Prinzipien in agrarische Systeme, etwa im entwicklungspolitischen Diskurs, oder im weiteren Sinn als gesellschaftspolitische Bewegung für eine tiefgreifende, vor allem soziale Transformation von Ernährungssystemen. Die englische Bezeichnung Agroecology wird auch im deutschen Sprachraum verwendet, um einen besonders auf Wissenschaftlichkeit und Innovation basierten Ansatz deutlich zu machen. Eine aktuelle Analyse der unterschiedlichen Definitionen und Verständnisse bietet die folgende Studie:

Seite 3 von 5

Wissenschaftliche Vielfalt als Basis: Interdisziplinarität in der Agroecology

Agroecology ist also viel mehr als nur ein neuer technischer Ansatz oder eine alternative Form der Landwirtschaft. Sie ist ein umfassendes Konzept, das die landwirtschaftliche Praxis als Teil eines vielschichtigen sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Gefüges begreift. Um diese Komplexität zu erfassen, ist eine enge Zusammenarbeit unterschiedlichster wissenschaftlicher Disziplinen erforderlich, denn die systemische und multifaktorielle Natur von Agrarökosystemen macht Interdisziplinarität zur Grundvoraussetzung einer erfolgreichen agroökologischen Forschung und Praxis.

Illustration, abstrakte Vernetzung
Um die Komplexität von Agrarökosystemen zu erfassen, ist eine enge Zusammenarbeit unterschiedlichster wissenschaftlicher Disziplinen erforderlich.

Die Agrarwissenschaften liefern das grundlegende Verständnis für die biologischen und technischen Prozesse in der Landwirtschaft. Sie befassen sich etwa mit Pflanzenernährung, Bodenkunde, Tierhaltung und Anbausystemen. In der Agroecology spielen sie eine zentrale Rolle bei der Entwicklung anpassungsfähiger, ressourceneffizienter und biodiversitätsfreundlicher Bewirtschaftungsstrategien.

Die Umweltwissenschaften analysieren die Wechselwirkungen zwischen Landwirtschaft und natürlichen Systemen. Sie untersuchen unter anderem Stoffkreisläufe, Wasser- und Luftqualität, Klimawirkungen sowie den Zustand von Ökosystemen. Ihr Beitrag besteht darin, Umweltwirkungen von landwirtschaftlichen Praktiken sichtbar zu machen und umweltverträgliche Optionen zu entwickeln, beispielsweise zur Verbesserung der Kohlenstoffspeicherung im Boden oder zur Förderung von Nützlingspopulationen.

Die Biowissenschaften, insbesondere die Biotechnologie, die Pflanzen- und Nutztierforschung, die Züchtungsforschung und die Plattformtechnologien steuern die Hightechkomponenten und -kompetenz bei. Sie bringen die technologische Basis ein, die Transition zur Agroecology mit modernen „State of Play“-Verfahren, Produkten und Dienstleistungen zu beschleunigen.

Die Sozialwissenschaften und die Politikwissenschaft bringen das notwendige Wissen über gesellschaftliche Strukturen, Machtverhältnisse, Märkte und Akteursnetzwerke ein und beschäftigen sich mit Fragen der Gerechtigkeit, Partizipation und Governance. Sie analysieren, wie landwirtschaftliche Praktiken in soziale Kontexte eingebettet sind, welche Anreizsysteme wirken und wie Transformationsprozesse durch politische, institutionelle oder kulturelle Rahmenbedingungen beeinflusst werden.

Die Wirtschaftswissenschaften, vor allem in Form von Agrar- und Umweltökonomie leisten einen wichtigen Beitrag zur Analyse und Gestaltung ökonomischer Rahmenbedingungen für agrarökologische Systeme. Sie untersuchen, wie Marktmechanismen, Preisstrukturen, Subventionen und Handelspolitik landwirtschaftliche Entscheidungen beeinflussen und inwiefern ökonomische Anreizsysteme nachhaltiges Handeln fördern oder behindern. Zudem modellieren sie Kosten-Nutzen-Verhältnisse agrarökologischer Maßnahmen, analysieren Wertschöpfungsketten und entwickeln Strategien zur Internalisierung externer Effekte, etwa im Bereich Biodiversität oder Klimaschutz.

Die Geisteswissenschaften, darunter vor allem Ethik, Geschichte und Kulturanthropologie, erweitern die Perspektive um normative und kulturelle Dimensionen. Sie fragen etwa nach den Werten, die landwirtschaftlichem Handeln zugrunde liegen, nach dem Verhältnis von Mensch und Natur oder nach historischen Entwicklungen in der Agrarpolitik.

Durch die Verbindung dieser Disziplinen entsteht ein breites Wissensfundament, das es erlaubt, Agrarökosysteme systemisch zu verstehen und weiterzuentwickeln.

Seite 4 von 5

Forschung für den Wandel: Die Partnerschaft AGROECOLOGY

Die Partnerschaft AGROECOLOGY ist ein europäisches Forschungs- und Innovationsvorhaben, das gemeinsam im Rahmen von Horizon Europa von der Europäischen Kommission und einigen Mitgliedstaaten initiiert wurde. 
Die Kooperation wird gemeinsam von der EU-Kommission, den beteiligten Staaten – vertreten durch die jeweiligen Forschungsministerien – sowie Partnern aus der Forschung getragen und vereint 72 Institutionen aus 26 Ländern. Das Gesamtbudget beträgt 300 Mio. Euro (150 Mio. Euro EU-Kommission) bei einer Gesamtlaufzeit von zehn Jahren (2024–2033). 

Europe vintage style
AGROECOLOGY Europe, der europäische Verband zur Förderung der Agrarökologie, wurde 2016 von 19 Gründerinnen und Gründern aus 10 Ländern ins Leben gerufen.

Ziel ist es, den Übergang zu nachhaltigen landwirtschaftlichen Systemen auf Basis agroökologischer Prinzipien in Europa zu beschleunigen. Dafür werden Reallabore und Forschungsinfrastrukturen gefördert, in denen Wissenschaft, Praxis und Gesellschaft gemeinsam Lösungen erarbeiten, sowie Forschungs- und Innovationsvorhaben im Kontext der Agroecology.

Deutschland ist an dem Projekt mit mehreren Forschungsorganisationen beteiligt und ist auf Mitgliedstaatenebene von den Bundesministerien für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) sowie für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) vertreten. Die Ministerien engagieren sich insbesondere, um nationale Forschungsprioritäten mit europäischen Zielen zu verknüpfen und den Wissenstransfer in die Praxis zu fördern. Zu diesem Zweck beteiligen sie sich an den transnationalen Ausschreibungen für Forschungs- und Innovationsvorhaben im Rahmen der Partnerschaft Agroecology. Aktuell läuft die zweite Ausschreibungsrunde. 

Beispielprojekte innerhalb der AGROECOLOGY-Partnerschaft (mit deutscher Koordinierung des transnationalen Verbundvorhabens)

1. AGRECO4CAST
Leitung: Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)
Das Projekt entwickelt ein Vorhersagemodell für die Wirkung agroökologischer Maßnahmen auf Landschaftsebene. Es verknüpft dafür ökologische Modellierung mit ökonomischen Daten und zielt darauf ab, politische Entscheidungen auf wissenschaftlicher Grundlage zu unterstützen.

2. AGROSOIL
Leitung: Julius Kühn-Institut (JKI)
AGROSOIL untersucht, wie sich agrarökologische Praktiken auf Bodenfunktionen und Kohlenstoffbindung auswirken. Ziel ist es, praxisnahe Empfehlungen zur Bodenverbesserung und Klimaanpassung zu entwickeln.

3. EcoFABULAnds
Leitung: Humboldt-Universität zu Berlin
Das Projekt analysiert, wie funktionale Biodiversität und soziale Akteursnetzwerke gemeinsam zur Entwicklung resilienter Agrarlandschaften beitragen können. Es integriert ökologische und sozialwissenschaftliche Perspektiven in regionalen Fallstudien.

4. GROUND2LIVE
Leitung: Universität Kassel
GROUND2LIVE fokussiert auf kleinstrukturierte Landwirtschaft in benachteiligten Regionen und erforscht Wege zur Wiederherstellung degradierter Agrarböden durch gemeinschaftsbasierte Maßnahmen.

5. HEAL
Leitung: Universität Bonn
HEAL verbindet Daten zur Landschaftsstruktur mit agrarökologischen Praktiken, um deren gesundheitliche und ökologische Wirkungen zu bewerten. Der Fokus liegt auf der Entwicklung gesunder Ernährungssysteme auf Basis nachhaltiger Landnutzung.