„Wir zwingen Mikroalgen, wertvolle Signalstoffe auszuscheiden“
Omar KhalafBeruf: Biotechnologe und Wirtschaftsingenieur
Position: Gründer und Geschäftsführer des Berliner Start-ups Alganize
Beruf: Biotechnologe und Wirtschaftsingenieur
Position: Gründer und Geschäftsführer des Berliner Start-ups Alganize
Bodenregeneration mithilfe von Mikroalgen: Darauf setzt das Berliner Start-up Alganize und entwickelt Lösungen, um die Fitness der Böden zu verbessern.
Böden sind eine lebenswichtige Ressource und unverzichtbar für Ökosysteme, Klima und Menschen. Doch die industrielle Landwirtschaft und die Folgen der Klimakrise setzen die Böden zunehmend unter Druck. Die Folge: Fruchtbare Böden werden immer knapper. Studien zufolge sind in der EU mehr als 60 % der landwirtschaftlich genutzten Flächen degradiert. Omar Khalaf vom Berliner Start-up Alganize will etwas dagegen tun. „Das Bodensterben aufzuhalten, ist für uns eine Herzensangelegenheit“, sagt der Biotechnologe. Gemeinsam mit seinem Team entwickelt der Biotechnologe innovative Lösungen auf Mikroalgenbasis, um die Gesundheit der Böden zu verbessern und Erträge zu sichern.
Warum nutzen Sie Mikroalgen als Bodenverbesserer? Was unterscheidet sie von anderen natürlichen Bodenverbesserern wie beispielsweise Leguminosen?
Mikroalgen sind einzellige Pflanzen, die eine außerordentlich hohe Photosyntheseleistung aufweisen. Dadurch sind sie in der Lage, eine Vielzahl wertvoller Verbindungen zu produzieren. Außerdem können sie unter kontrollierten Bedingungen kultiviert werden, wobei sie eine große Oberfläche auf wenig Raum bieten. Die von uns entwickelte Technologie erlaubt die Gewinnung sehr wertvoller sekundärer Stoffwechselprodukte von Mikroalgen, wie Phytohormone und Phenole. Unser Produkt eignet sich als Ergänzung zu Leguminosen: Im Rahmen einer aktuellen Machbarkeitsstudie mit Leguminosen ist vorgesehen, deren Beimpfung anzuregen und die Symbiose zwischen Leguminosen und Knöllchenbakterien zu stärken.
Welche Mikroalgen nutzt Alganize? In welcher Form kommen sie in Ihren Produkten zum Einsatz?
Es existieren über 50.000 verschiedene Arten von Mikroalgen. Für die Herstellung unseres Produkts nutzen wir eine Kombination aus fünf verschiedenen Algenstämmen. Durch physikalische und biologische Einwirkung zwingen wir die Algen, wertvolle Signalstoffe auszuscheiden. Die Mikroalgen fungieren in unserem Produkt wie das Huhn in der Hühnersuppe. Während die Biomasse weiterverarbeitet wird, nutzen wir die wertvolle Brühe für die Landwirtschaft.
Wie wirken die Mikroalgen konkret auf das Mikrobiom im Boden? Wie profitieren Pflanzen und Böden davon?
Pflanzenhormone und Phenole spielen eine entscheidende Rolle in der Landwirtschaft. Ihre Anwendung fördert das Pflanzenwachstum, erhöht die Krankheitsresistenz und verbessert die allgemeine Pflanzengesundheit. Pflanzenhormone wie Auxine und Gibberelline induzieren das Wurzelwachstum und die Zellteilung, was zu einer Steigerung der Vitalität und Produktivität von Pflanzen führt. Gleichzeitig beeinflussen sie die Produktion von Wurzelexsudaten, wodurch das Wachstum nützlicher Bodenbakterien gefördert wird. Phenolische Verbindungen wie Salicylsäure und Flavonoide stärken wiederum die pflanzliche Abwehr gegen Pathogene und reduzieren so den Bedarf an chemischen Pflanzenschutzmitteln. Die synergetische Interaktion von Pflanzenhormonen und Phenolen ermöglicht es Landwirtinnen und Landwirten, nachhaltigere Anbaumethoden zu implementieren, die zu einer Steigerung der Erträge und einer Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit führen.
Alganize hat einen Monitor entwickelt, um Umweltveränderungen im Bodenmikrobiom zu überwachen und zu bewerten. Wie funktioniert das Monitoring und wie aussagekräftig sind die Ergebnisse? Welche Schlussfolgerungen können Landwirtinnen und Landwirte daraus ziehen?
Der Bodenmonitor ermöglicht eine genaue Beobachtung des Bodens. Da die Prozesse im Boden relativ langsam ablaufen, ist in der Regel ein Versuchszeitraum von drei bis fünf Jahren notwendig, um eine valide Beurteilung der Bodenverbesserung zu ermöglichen. Durch die direkte Beobachtung der nützlichen Mikroorganismen im Boden mittels DNA-Sequenzierung können wir jedoch schneller und genauer Aussagen treffen. Das spart dem Landwirt viel Zeit und Geld.
Dabei untersuchen wir sowohl die Aktivität als auch die Menge von Mikroorganismen wie Bacillus subtilis vor und nach der Anwendung. Wir nehmen eine Bodenprobe, bringen unser Produkt und andere Produkte aus und analysieren nach einem Jahr erneut, um zu sehen, wie sich das Bodenleben verändert hat. So kann der Landwirt nicht nur sehen, was auf dem Boden liegt, sondern auch, was im Boden wächst.
Wo sehen Sie das Haupteinsatzfeld Ihrer mikrobiellen Bodenzusätze?
Zunächst wird der Fokus auf die Reduzierung von chemischen Düngern und Pflanzenschutzmitteln gelegt, insbesondere in der konventionellen Landwirtschaft, welche eine schrittweise Verringerung anstrebt. Im ersten Jahr ist eine Reduktion um 10 % vorgesehen, im zweiten Jahr um 20 % und im dritten Jahr um 30 %.
Wo sieht sich Alganize in fünf Jahren und was ist als Nächstes geplant?
Unsere Arbeitsweise ist durch einen roten Faden gekennzeichnet, der sich durch das gesamte Team zieht. Wir sind jung, hochmotiviert und das Bodensterben aufzuhalten, ist für uns eine Herzensangelegenheit. In fünf Jahren werden wir unseren „Superhelden-Traum“ verwirklicht haben und Hand in Hand mit dem Europäischen Grünen Deal – 20 % weniger Dünger und 50 % weniger Pestizide bis 2030 – den Betrieben dabei helfen, die Bodenfruchtbarkeit aufrechtzuerhalten oder zu verbessern. Als ein noch sehr junges Unternehmen können wir bereits erste Kunden vorweisen und haben unsere Machbarkeitsstudien aus dem Labor auf richtige Felder übertragen. Wir möchten alle herzlich dazu einladen, mit ihrem einzigartigen Boden einen Testversuch mit uns zu starten.
Interview: Beatrix Boldt