Sensoren erfassen Mikroklima im Rebstock
Ein Team der Universität Hohenheim hat ein neues Sensorsystem für den Weinanbau entwickelt. Es ermöglicht, Pilzerkrankungen präziser vorherzusagen und Fungizide einzusparen.
Hitze, Trockenheit oder Starkregen stellen den Weinbau auch hierzulande zunehmend vor große Herausforderungen. Hinzu kommt, dass der Klimawandel verschiedene Pilzkrankheiten begünstigt. Dazu gehört der Falsche Mehltau, der immer wieder zu Ertragsausfällen führt. Die einzige Möglichkeit, die Pilzkrankheit einzudämmen, ist neben einer aufwändigen visuellen Kontrolle der frühzeitige Einsatz von Fungiziden. Dazu nutzen Winzerinnen und Winzer zunehmend Prognosesysteme wie VitiMeteo, die auf Klimadaten lokaler Wetterstationen zugreifen und den Verlauf von Pilzkrankheiten vorhersagen.
Mikroklima im Rebstock beeinflusst Pilzinfektion
Doch das von der App angezeigte Risiko einer Pilzinfektion ist in Wirklichkeit viel geringer, weil sich das Mikroklima im Weinlaub deutlich von der angezeigten Umgebungstemperatur unterscheidet. Zu diesem Ergebnis kamen Forschende des Verbundprojekts FungiSens unter der Leitung der Universität Hohenheim. Die Messungen zeigten, dass die Verteilung und die Dichte der Blätter eine wichtige Rolle für das Mikroklima spielen. So wurden im Inneren der Laubwand tagsüber höhere Temperaturen und eine niedrigere relative Luftfeuchtigkeit gemessen als an der Wetterstation. Solche Bedingungen können die Lebensdauer der Ausbreitungsformen des Pilzes deutlich verkürzen, so die Forschenden.
„Entscheidend für eine Infektion sind die klimatischen Bedingungen im Weinberg bzw. rund um den einzelnen Rebstock und innerhalb der Laubwand“, erklärt Christian Zörb, Leiter des Fachgebiets Qualität pflanzlicher Erzeugnisse an der Universität Hohenheim. Denn für die Vermehrung und Ausbreitung des Erregers sei Wasser auf der Blattunterseite erforderlich. Prognosemodelle greifen jedoch auf meteorologische Daten zurück, die nur in relativ großen räumlichen Abständen erfasst werden. „Zwischen den einzelnen Wetterstationen können schon mal 30 oder 40 Kilometer liegen“, erläutert der Leiter des Verbundprojektes Joachim Müller. Das Mikroklima kann daher von den Wetterstationen nicht erfasst werden. Doch gerade in steilen Weinbergen in der Nähe von Gewässern könne die Temperatur von oben nach unten extrem schwanken, ergänzt Verbundprojekt-Koordinator Steffen Schock.
Drahtlose Mikrosensoren liefern Echtzeitdaten
Abhilfe soll das im Projekt entwickelte Sensorsystem schaffen, das eine feinmaschige Messung des Mikroklimas im Rebstock ermöglicht. Dazu werden drahtlose Mikrosensoren direkt in den Rebstöcken installiert. Sie erfassen das Mikroklima und leiten die Daten in Echtzeit an das Prognosesystem VitiMeteo weiter. „So können besonders in Lagen mit extremen Geländeunterschieden, wie beispielsweise an der Neckarschleife bei Besigheim, auch kleinräumige Unterschiede präziser erfasst und abgebildet werden“, erklärt Schock.
Bessere Vorhersage durch bildgebende Verfahren
Mithilfe bildgebender Verfahren kann den Forschenden zufolge auch die Vorhersage von Pilzerkrankungen verbessert werden. Krankheitsbedingte Veränderungen im Stoffwechsel des Pflanzengewebes wurde anhand der Infrarot-Aufnahmen einer Drohne durch die Temperaturunterschiede auf der Blattoberfläche sichtbar. „Tatsächlich konnten wir einen deutlichen Temperaturanstieg im Blätterdach feststellen, lange bevor sichtbare Symptome auftraten“, so Shamaila Zia-Khan, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Agrartechnik in den Tropen und Subtropen.
Durch kleinräumige Messungen Fungizide einsparen
Noch ist die Entwicklung des Sensorsystems nicht abgeschlossen. Doch die Forschenden sind überzeugt, dass sich in Kombination mit bildgebenden Verfahren nicht nur die Prognose von Pilzkrankheiten im Weinbau verbessern, sondern auch der Einsatz von Fungiziden reduzieren lässt. „Sobald die kleinräumige Vorhersage von Krankheiten standardmäßig möglich ist, könnten Pflanzenschutzmittel, Maschinen und Arbeitszeit deutlich reduziert werden – ohne die Wirksamkeit zu beeinträchtigen“, sagt Joachim Müller, Leiter des Verbundprojekts.
bb