Lebensmittelverpackungen haben vielfältige Funktionen: das Produkt muss vor Feuchtigkeit und Oxidation, aber auch gegen mechanische Belastungen geschützt werden. Behälter oder Tüten – ob aus Kunststoff oder Papier – werden daher oft mit einem speziellen Material versehen, das aus mehreren dünnen Schichten verschiedener verklebter Kunststoffe besteht und somit eine stabile Mauer gegenüber äußeren Einflüssen bildet. Damit weder Wasserdampf noch Sauerstoff die Qualität von Wurst, Fleisch oder Käse beeinträchtigen, sind bis zu sieben Schichten nötig. Das Problem: Die für diesen Mehrschichtverbund benutzten Klebstoffe wie Polyurethan sind in der Regel erdölbasiert und bilden keine gute Sauerstoffbarriere. Forscher vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) in Freising haben nun eine pflanzliche Alternative entdeckt – die mehr kann.
Die Entdeckung der Klebrigkeit von Proteinen
Im Rahmen des Verbundprojektes „Barriereklebstoff für Lebensmittelverpackungen auf Basis von pflanzlichen Mizellenproteinen“ nahm das Team um Andreas Stäbler dafür Agrarreststoffe als Rohstoffquelle ins Visier. Schon länger ist nämlich bekannt, dass Proteine eine gute Sauerstoffbarriere aufweisen. Auf die Klebewirkung kamen die Fraunhofer-Forscher eher durch Zufall. „Nach der Fällung extrahierter Proteine schimpften die Techniker beim Reinigen der Anlagen, dass das Zeug so klebrig ist“, berichtet Projektleiter Andreas Stäbler. Dieser unangenehme Nebeneffekt sollte sich als äußerst nützlich erweisen. Die Idee, einen pflanzenbasierten Klebstoff mit Barrierefunktion zu entwickeln, war geboren.
Agrarrohstoffe für Proteingewinnung testen
Das auf drei Jahre angelegte Forschungsvorhaben wird im Rahmen des Ideenwettbewerbs „Neue Produkte für die Bioökonomie“ seit 2014 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt 300.000 Euro unterstützt. Für die Sondierungsphase von August 2014 bis April 2015 galt es zunächst, ein bestehendes Proteingewinnungsverfahren auf verschiedene Rohstoffe zu testen. Im Anschluss konnte mit dem entstandenen Produkt eine erste Klebstoffformulierung entwickelt werden.
Lupinen-Proteine als Vorbild
Ausgangspunkt der Forschungsarbeiten war dabei eine in früheren Projekten optimierte Methode, um Mizellenproteine aus der Lupine zu gewinnen. Hierbei wurden die mithilfe einer Salzlösung extrahierten Proteine zur Fällung schlagartig verdünnt. „Durch den Ionenschock ändert das Protein seine Struktur und akkumuliert zu runden Aggregaten – sogenannten Mizellen. Durch diese strukturelle Umfaltung kommt die Klebrigkeit zustande“, erläutert Stäbler.
Die Folienkaschier-Lackieranlage im Fraunhofer IVV: Hier entsteht die neue Lebensmittelfolie.
Bei den Agrarreststoffen konzentrierten sich die Forscher insbesondere auf Reststoffe, die bei der Ölgewinnung anfallen – wie Presskuchen aus Sonnenblumen und Raps. Gleichzeitig wurde das neue Fällungsverfahren auch an der Bitterlupine getestet. Im Ergebnis mussten die Forscher jedoch feststellen, dass das Proteingewinnungsverfahren nicht ohne weiteres auf andere Rohstoffe angewandt werden kann. So lagen die erzielten Ausbeuten bei den Presskuchen aus Sonnenblumen und Raps zunächst deutlich unter denen der Lupine. Die Ursache dafür scheinen die Forscher aber inzwischen gefunden zu haben. „Vermutlich liegt das unterschiedliche Extraktionsverhalten an der rohstoffspezifischen Aminosäurestruktur und einer daraus resultierenden jeweils anderen räumlichen Anordnung“, so Projektmitarbeiterin und Bioingenieurin Daniela von der Haar.
Mizellenausbeute bei Raps und Sonnenblume gesteigert
„Mittlerweile können wir sowohl aus Raps- als auch aus Sonnenblumenpresskuchen Mizellenproteine mit hohen Ausbeuten gewinnen“, berichtet Projektleiter Andreas Stäbler. Im Rahmen der derzeit laufenden Machbarkeitsstudie konnten also bereits die Gewinnungsverfahren an unterschiedliche Rohstoffe angepasst werden.
Klebeffekt der Lupine weiter verbessern
Mit Blick auf die Klebstoffformulierung muss noch weiter getüftelt werden. So hatten die aus der Lupine gewonnenen Mizellenproteine zwar gute Barrierewerte gegen Sauerstoff gezeigt, konnten in ihrer Klebwirkung aber nicht mit den erdölbasierten Systemen aus Polyurethan mithalten. Nun wollen die Forscher den gewünschten Klebeeffekt noch verbessern. Dabei helfen könnten beispielsweise Weichmacher wie Glycerin oder Sorbitol. „Das Verkleben eines Papier-Kunststoff-Verbundes funktioniert inzwischen sehr gut. Beim Verkleben von Kunststoff mit Kunststoff konnte das Restwasser bisher noch nicht genug abtrocknen, so dass wir hier noch weiter optimieren werden“, berichtet Stäbler.
Bis zum Ende der zweijährigen Machbarkeitsstudie im kommenden Jahr hoffen die Forscher auch dieses Problem gelöst zu haben. „Wir haben ein funktionierendes auf Wasser basierendes System. Aber wir möchten am Ende ein Klebstoffsystem anbieten, das auch auf andere Verpackungssysteme übertragen werden kann“, sagt von der Haar. Hierbei arbeitet das Fraunhofer-Team mit der Technischen Universität München und dem Klebstoffhersteller Jowat SE aus Detmold zusammen.
Klebeschichten reduzieren und Kosten senken
Neben dem Detmolder Klebstoffhersteller, der an der Entwicklung beteiligt ist, haben bereits andere Unternehmen der Branche sowie Firmen aus der Verpackungs- und Folienveredlungsindustrie Interesse an dem pflanzenbasierten Barriereklebstoff gezeigt. Doch nicht nur zum Schutz von Lebensmitteln wäre der Bioklebstoff geeignet. Auch elektronische Bauteile könnten so auf natürliche Weise vor Oxidation geschützt werden. „Wir wollen versuchen, Barriereklebstoff, Haftvermittler und Sauerstoffbarriere in einem Material zu vereinen und damit den Verbundaufbau von bisher sieben auf drei Schichten – nämlich Papier-, Barriereklebstoff und Kunststoffschicht – zu reduzieren. Das würde eine Kostenersparung von bis zu 40 Prozent bedeuten“, erklärt Andreas Stäbler.
Autorin: Beatrix Boldt