Es ist ein Wunsch, den mancher vielleicht schon als Kind im Sandkasten verspürte: ein Sieb zu haben, dessen Porengröße sich daran anpassen lässt, was man gerade filtern möchte. In der modernen Membranforschung begegnet man diesem Wunsch wieder: Membranen dienen hier dazu, gewünschte Stoffe aufzukonzentrieren oder unerwünschte Stoffe aus einer Lösung zu entfernen. Hier setzte das 2012 gestartete im Rahmen der Initiative "Biotechnologie 2020+" gestartete Projekt „BioCoBra“ mit dem Titel „Robuste und vielseitige asymmetrische Membranen auf Basis schaltbarer Blockcopolymere“ an: Die beteiligten Forscher wollten nicht nur eine schaltbare Membran erzeugen, deren Porengröße sich steuern lässt. Die Membran sollte auch noch die Möglichkeit bieten, sie für jede Anwendung reversibel neu konfigurieren zu können und so auch grundsätzliche Filtereigenschaften wie beispielsweise Benetzbarkeit durch unterschiedliche Flüssigkeiten zu verändern.
Viel Grundlagenarbeit
Die Natur ist ein Meister darin, definierte Bausteine durch Selbstorganisation zu funktionalen Strukturen oder Oberflächen zusammensetzen. Diese Prozesse mit synthetischen Materialien nachzustellen und dabei gewünschte Funktionen zu integrieren ist jedoch äußerst anspruchsvoll, denn etablierte Werkzeugkästen für solche Arbeiten existieren kaum. Umfangreiche Grundlagenarbeit war deshalb ein großer Teil des Forschungsvorhabens, in dem zwei Gruppen ihre Kompetenzen gebündelt haben: Das Team um Christopher Barner-Kowollik vom Karlsruher Institut für Technologie (jetzt auch Queensland University of Technology, Brisbane, Australien) ist erfahren in reversibler Chemie und beherrscht es, verschiedene funktionelle Gruppen, also molekulare Strukturen mit definierten reaktiven Eigenschaften, an Polymere anzubringen. Das Team um Felix Schacher von der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat große Erfahrung in der Herstellung von Blockcopolymeren und der Herstellung von Membranen durch Selbstorganisationsprozesse.
„Die Idee war, ein mehr oder weniger fixes Membrangerüst zu bilden, welches an definierten Punkten reversibel adressierbare Ankergruppen aufweist und diese dann zur Funktionalisierung mit verschiedenen Polymeren zu nutzen“, erläutert Schacher. Mittel der Wahl waren Blockcopolymere, die aus mehreren Segmenten unterschiedlicher Funktion und Löslichkeit bestehen und durch labile chemische Bindungen miteinander verknüpft sind. Daraus wollten die Forschern Membranen herstellen, an denen dann reversible und vielfältige Oberflächenchemie möglich ist. Während Membranen aus Polymeren schon weit verbreitet sind und es etablierte Methoden zu deren Herstellung gibt, ist deren Funktionalisierung oft noch eine Herausforderung.
Oberflächen zu dynamisch
„Unser anfänglicher Ansatz hat allerdings leider nicht funktioniert“, resümiert Schacher, „die Oberflächen waren zu dynamisch.“ Die Ankergruppen, also die endständigen Funktionalitäten an den Blockcopolymeren, versanken mit der Zeit in der Membranmatrix. Dadurch waren sie nach außen nicht mehr zugänglich und damit auch nicht durch Folgechemie adressierbar. „Es ist immer ein großer Unterschied, ob man mit einzelnen Molekülen in einer Lösung arbeitet oder aber an einer dreidimensional strukturierten Oberfläche“, erläutert der Chemiker die Schwierigkeiten.
Ein Fehlschlag sei das mit rund 1,15 Mio. Euro vom Bundesforschungsministerium unterstützte Verbundprojekt dennoch nicht gewesen: „Wir konnten prinzipiell funktionelle Membranen herstellen und auch verschiedene chemische Operationen an diesen durchführen. Das erweitert definitiv deren Einsatzgebiete. Allerdings konnten wir bislang keine komplett reversible Funktionalisierung erreichen“, schildert Schacher. Entstanden sind drei Publikationen, in denen die Forscher Methoden präsentieren konnten, um reversible Chemie an Blockcopolymeren zu betreiben. Außerdem demonstrierten sie die Herstellung einer Membran mit von Umgebungseigenschaften abhängigen Durchflussraten. „Wir haben Polyelektrolyte verwendet“, erklärt Schacher. Da sich gleichartige Ladungen entlang der Molekülkette abstoßen, erfolgt abhängig von der Ladung eine bestimmte Streckung der Kette. „Über die Ladung ließ sich die Porengröße im Sub-100-Nanometer-Bereich einstellen“, berichtet der Chemiker.
Zukünftige Anwendungsmöglichkeiten
Interessant sei das beispielsweise für Anwendungen, bei denen nanoskalige Stoffe aus wässrigen Lösungen herausgefiltert werden müssen. Abhängig von der Oberflächenladung würden die Stoffe absorbiert, abgestoßen oder könnten passieren.
In einer einjährigen Verlängerung des Projekts versuchten die Forscher zudem, anstelle der Temperatur eine lichtgetriebene Funktionalisierung entsprechender Membranen zu realisieren Insgesamt lief „BioCoBra“ so von November 2012 bis März 2017. Aktuell findet keine weitere Forschung zu diesem Thema mehr statt, allerdings werden derartige Membranen derzeit als Trägermaterialien für heterogene Katalyse in der Arbeitsgruppe von Felix Schacher eingesetzt.
Autor: Björn Lohmann