Wie Spinnenbeine an der Decke haften

Wie Spinnenbeine an der Decke haften

Forscher haben mithilfe moderner Röntgentechnik die Haftstruktur von Spinnenbeinen entschlüsselt: Die parallel verlaufende Faserstruktur könnte Vorbild für neue Werkstoffe sein.

Um herauszufinden, warum sich die Jagdspinne Cupiennius salei so gut an senkrechten Oberflächen halten kann, untersucht das interdisziplinäre Forschungsteam winzige Hafthaare auf den Spinnenbeinen.
Um herauszufinden, warum sich die Jagdspinne Cupiennius salei so gut an senkrechten Oberflächen halten kann, untersucht das interdisziplinäre Forschungsteam winzige Hafthaare auf den Spinnenbeinen.

Wer als Mensch an der Decke entlang laufen möchte, benötigt vermutlich Konrads Spezialkleber aus der Geschichte „Pippi Langstrumpf“ oder einen anderen technischen Trick. Einige Tiere verfügen jedoch von Natur aus über die Fähigkeit, die Schwerkraft zu besiegen, und können Wände oder Decken entlangkrabbeln. Am Beispiel der Jagdspinne haben deutsche Forscher untersucht, welche molekularen Strukturen den Tieren ermöglichen, die enormen mechanischen Belastungen dauerhaft auszuhalten, die auf deren winzige Hafthärchen wirken.

Analyse mittels Hightech-Röntgengeräten

Im Fachjournal „Journal of the Royal Society Interface“ berichtet das Forschungsteam der Universität Kiel und des Helmholtz-Zentrums Geesthacht (HZG) über den Aufbau der nur einige Hundert Nanometer langen Hafthärchen, von denen die Jagdspinne Cupiennius salei rund tausend Stück an jeder Beinspitze besitzt. Möglich wurde die Aufklärung der Struktur durch spezielle Röntgenstrahlenquellen an der European Synchrotron Radiation Facility in Grenoble, Frankreich, und am Deutschen Elektronen-Synchrotron in Hamburg. Daraus, wie diese Röntgenstrahlen gestreut werden, können die Forscher auf wenige Nanometer genaue Rückschlüsse auf die Materialzusammensetzung ziehen.

Spezielle Molekülanordnung fängt Kräfte ab

„Wir fanden heraus, dass die Chitinmoleküle an der Spitze der winzigen Hafthaare der Spinne speziell angeordnet sind: Die parallel verlaufende Faserstruktur verstärkt die Hafthärchen“, fasst Martin Müller, Werkstoffphysiker am HZG, die Untersuchungen zusammen. Diese Struktur folgt den Zug- und Haftkräften, die auf die Härchen wirken, und fängt die Belastungen auf, die beim Anhaften und Ablösen der Spinnenbeine auftreten. „Außerdem ist bemerkenswert, dass die Chitin-Fasern in anderen Teilen der Spinnenbeine in unterschiedlichen Richtungen verlaufen, ähnlich wie bei Sperrholz. Diese Struktur macht den Schaft des Spinnenbeins in verschiedene Richtungen biegbar“, ergänzt Biomechaniker Clemens Schaber von der Universität Kiel, Erstautor der Studie.

Biologisches Prinzip technisch imitieren

Da beispielsweise auch Geckos ähnliche Härchen besitzen, vermuten die Forscher hinter dieser Struktur ein zentrales, biologisches Prinzip, das ihnen ermöglicht, auf verschiedenen Untergründen haften zu können. Um neue, besonders belastbare Materialien zu entwickeln, könnten diese die speziellen Molekülanordnungen auf Nanoebene imitieren. Noch ist das eine große technische Herausforderung. Doch Fortschritte beim 3D-Druck auf der Nanoskala könnten das eines Tages möglich machen, glauben die Wissenschaftler.

bl