Weizenschädling mit kurioser Vererbung
Biologen der Universität Kiel haben bei einem Schadpilz „egoistische“ Chromosomen entdeckt, die dem Pflanzenschutz dienen könnten.
Man muss seine Feinde kennen, um ihre Schwächen auszunutzen und sie zu besiegen. Nach diesem Prinzip haben Biologen der Christian-Albrechts-Universität Kiel und des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön die Vererbungsmechanismen des Pilzes Zymoseptoria tritici analysiert. Der Mikroorganismus ist in Nordwesteuropa verbreitet und verursacht die Blattdürre, die im Weizenanbau zu Ernteverlusten von bis zu 50% führt. Bislang setzen Landwirte bei der Abwehr auf Fungizide, denn resistente Weizensorten gibt es nicht. Zugleich wird der Pilz zunehmend unempfindlich gegen die chemischen Pflanzenschutzmittel. Die Forscher setzen daher große Hoffnungen auf einen ungewöhnlichen Befund, über den sie im Fachjournal „eLife“ berichten.
Überzählige Chromosomen
Eukaryotische Zellen, zu denen auch Pilze gehören, vermehren sich mittels einer Reifeteilung, der sogenannten Meiose. Dabei werden die Chromosomen des mütterlichen und des väterlichen Zellkerns zunächst kombiniert und dann auf mehrere Zellkerne aufteilt, um die natürliche Anzahl Chromosomen je Zellkern wiederherzustellen. Manche Organismen besitzen zusätzlich sogenannte „überzählige“ Chromosomen, für die es beim anderen Geschlecht nichts Entsprechendes gibt. In solchen Fällen erhält die Hälfte der Nachkommen ein solches Chromosom, die andere Hälfte geht leer aus.
Weitergabe an alle Nachkommen
Anders ist es bei Zymoseptoria tritici. Überzählige Chromosomen aus dem Erbgut der Mutter werden im Vorfeld der Meiose verdoppelt und an jeden Nachkommen weitergegeben. Väterliche überzählige Chromosomen hingegen werden ganz normal aufgeteilt, und auch die homologen Chromosomen beider Eltern folgen den Verteilungsregeln, wie sie seit Mendel bekannt sind.
„Nur die Chromosomen selbst profitieren davon, ihre Merkmale an alle Nachkommen weiterzugeben und agieren also im übertragenen Sinne egoistisch“, erläutert Erstautor Michael Habig von der Universität Kiel ein weiteres Ergebnis. Weshalb sich dieser Mechanismus dennoch im Verlauf der Evolution halten konnte, ist noch unklar. So hemmt dieses Vererbungsmuster die Fähigkeit des Pilzes, Weizen zu befallen. Möglicherweise verbessert es die Anpassung an sich ändernde Umweltbedingungen.
Ansatzpunkt für Genomeditierung
Für den Pflanzenschutz sehen die Forscher in diesem Vererbungsmechanismus ein besonderes Potenzial: „Möglicherweise gelingt es uns, bestimmte genetische Informationen durch diese besondere Art der Vererbung in die Pilze zu bringen, die ihre Schädlichkeit für den Weizen nachhaltig reduzieren könnten“, gibt sich Habig optimistisch. Dabei könne man sich zunutze machen, dass sich alle Nachkommen zugleich mit den entsprechenden Erbinformationen ausstatten ließen. Die dazu handwerklich erforderlichen Methoden der Genomeditierung haben zuletzt große Fortschritte gemacht.
bl