Von der Birke zu nachhaltigen Kunststoffen

Von der Birke zu nachhaltigen Kunststoffen

Ein EU-weites Forschungsprojekt entwickelt Methoden, um aus Holzresten Bausteine für Hochleistungskunststoffe zu gewinnen, die als Grundlage für grünen Wasserstoff und leichtere Elektroautos dienen sollen.

Stamm einer Birke mit Ästen
Mithilfe holzzersetzender Bakterien wollen Forschende nachhaltige Kunststoffe herstellen.

Biobasierte Materialien bieten viel Potenzial als Grundstoffe für die Industrie, insbesondere für die Herstellung vielseitiger Kunststoffe. Ein neu gestartetes EU-Projekt verfolgt das Ziel, diese Kunststoffe mithilfe von Bakterien aus Holzresten zu produzieren. Im Fokus des Projekts „BIOPYRANIA“ stehen Pyrazin-basierte Kunststoffe. Das Forschungskonsortium wird im Rahmen des EU-Programms Horizon Europe 2021-2027 mit rund 5 Mio. Euro gefördert. In neun europäischen Ländern sind 13 Firmen und Forschungseinrichtungen beteiligt. Mit dabei ist aus Deutschland auch eine Forschungsgruppe der Universität des Saarlandes, die mit 471.000 Euro in ihrem Vorhaben unterstützt wird.

Pyrazine aus Holzresten: Basis für nachhaltige Kunststoffe

Christoph Wittmann, Professor für Biotechnologie an der Universität des Saarlandes, und sein Team möchten herausfinden, wie sie das Bodenbakterium Corynebacterium glutamicum dazu bringen können, aus Holzresten die passenden „Ausscheidungsprodukte“ zu produzieren. Diese beinhalten bestimmte aromatische Verbindungen – die Pyrazine. 

Sie sollen als monomere Grundstoffe für die Herstellung von Hochleistungspolymeren wie Polyamiden (PA) und Polybenzimidazolen (PBI) dienen, die sich durch geringes Gewicht, mechanische und chemische Beständigkeit sowie Vielseitigkeit auszeichnen. Diese Kunststoffe könnten in Leichtbauteilen von Elektroautos oder in speziellen Elektrolysemembranen für die grüne Wasserstoffproduktion verwendet werden. „Unser Beitrag besteht darin, den Bakterien das Holz schmackhaft zu machen, damit sie aus dessen Bestandteilen die gewünschten Biobausteine für die Polymere produzieren können“, erklärt Wittmann.

Bakterien als Motor für die skalierbare Produktion

Das Holz erhalten die Saarbrücker Biotechnologen von ihren Partnern in Estland. In der Hauptstadt Tallinn betreibt eine große Bioraffinerie die Aufspaltung von Birkenholz in Zucker- und Ligninfraktionen. Mit ihrer Expertise auf diesem Gebiet untersucht das Team nun, wie die festen Bestandteile des Holzes und der Holz-Zucker von den Bakterien verwertet werden können.

Dafür wollen die Forschenden die Mikroben so manipulieren, dass ihr Stoffwechsel Biobausteine produziert, die im industriellen Maßstab nutzbar sind. Ihr Ziel ist es, die gesamte Produktionskette – vom Rohmaterial bis zum fertigen Produkt – CO₂-neutral und wiederverwertbar zu gestalten, um eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu fördern. „Wenn uns das gelingt, werden weitere Partner dieses Verfahren auf größere Maßstäbe skalieren“, erklärt Wittmann. An der Universität Maastricht, bei der die Projektleitung liegt, sollen die Bausteine dann zu belastbaren und leichten Pyrazin-Polymeren verarbeitet werden.

Dass die Produktion bis Ende der Förderperiode im Oktober 2028 bereits im großen Maßstab anlaufen wird, hält Wittmann jedoch für unwahrscheinlich: „Aber ich bin guter Dinge, dass wir bis dahin entscheidende Grundlagen dafür gelegt haben, dass diese Vision mittelfristig tatsächlich Realität wird.“ Im Vordergrund steht zunächst die Demonstration der technischen Machbarkeit und Skalierbarkeit.

chk