Schlickgras im Sturmtest
In einem der größten Wellenkanäle der Welt in Hannover untersucht ein internationales Forscherteam, wie zunehmende Sturmfluten Pflanzen und Böden an Küsten beeinflussen.
Die Küsten Norddeutschlands werden immer öfter von schweren Unwettern heimgesucht. Zuletzt sorgte im Dezember 2013 Orkan Xaver für eine schwere Sturmflut mit Pegelständen von 6,09 Meter über Normalnull. Experten sind überzeugt, dass in Folge des Klimawandels Sturmfluten zunehmen werden. Was das für die Küstenvegetation bedeutet, wollen Forscher in einem einzigartigen Experiment herausfinden.
Klimafolgen für Küstenschutzfunktion der Tidemarschen
Im Rahmen des EU-Hydralab+ Projekts RESIST (Response of Ecologically-mediated Shallow Intertidal Shores and their Transitions to extreme hydrodynamic forcing) untersucht ein internationales Forscherteam, welche Folgen Klimaveränderungen auf die Küstenschutzfunktion der Tidemarschen haben. Im Fokus stehen konkret Pflanzen der Salzwiesen wie Schlickgras und Strandquecke, die Küsten vor stürmischer See und heranbrausenden Wellen schützen.
Wellen und Sturmfluten simulieren
Versuchsstation ist der Wellenkanal am Forschungszentrum Küste (FZK) in Hannover, einer gemeinsamen Einrichtung der Leibniz Universität Hannover und der Technischen Universität Braunschweig. Der Kanal ist 307 Meter lang, 5 Meter breit und 7 Meter tief. Mittels einer hydraulisch angetriebenen Wellenmaschine können hier Wellen bis zu 2 Meter Höhe sowie Seegang unter Tief- und Flachwasser-Bedingungen simuliert werden.
Kleine Pflanze unter hohen Wellen
Doch wie widerstandsfähig sind die Tidemarschen gegenüber zunehmenden Überschwemmungen wirklich und, welche Sturmfluten könnten sie sogar zerstören? Das Experiment im Wellenkanal soll Antworten liefern. Dafür werden Setzlinge und erwachsene Pflanzen in fünf verschiedenen Zonen am Boden des Wellenkanals verankert und wochenlang über bis zu zwei Meter hohen Wellen sowie Sturmfluten ausgesetzt. In einer dieser Zonen werden beispielsweise die Auswirkungen von Sturmfluten in den Sommer- und Wintermonaten üntersucht. Dafür wurde ein Teil der Pflanzen trockengelegt, um durch die Dürre das langsame Absterben der Pflanzen zu simulieren. Darüber hinaus wird in einer anderen Zone ein neuartiger Erosionsschutz aus Kartoffelstärke erprobt. Dabei handelt es sich um ein Gitter, das direkt auf dem Boden in den Boxen angebracht wird und junge Pflanzen und das Sediment gegen die Wellen schützen soll.
Erosion live beobachten
Neben dem vegetativen Effekt geht es auch um die Frage, wie sich die Bodenzusammensetzung auf die Erosion der Küsten auswirkt. Dafür werden im Wellenkanal auch Sedimentproben gezielt Wellen und Sturmfluten ausgesetzt. Die sogenannten Sediment-Bohrkerne sind an der Seite geöffnet und werden am Ende des großen Wellenkanals fixiert, wo die Wucht der Wellen sie trifft. So können die Forscher die Erosion nach jedem Wellenlauf genau verfolgen.
Das Hydralab+ Projekt RESIST wird von der University of Cambridge (UK) geleitet und im Rahmen des europäischen Innovations-und Forschungsprogramms Horizon 2020 finanziert. An dem Vorhaben sind neben den Universitäten in Hannover und Braunschweig, die Universität Hamburg sowie die Universität Antwerpen (Belgien) und das Royal Netherlands Institute for Sea Research beteiligt.
bb