RNA-basierter Wirkstoff als biologischer Pflanzenschutz
Mithilfe eines neuen Verfahrens haben Forschende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg spezielle Wirkstoffe auf Basis von RNA oder DNA hergestellt, die Pflanzen vor Viren schützen.
Pflanzenkrankheiten und Schadinsekten sorgen jedes Jahr für große Ernteverluste. Um Ausfälle zu minimieren, setzt die konventionelle Landwirtschaft auf Pestizide. Das Problem: meist handelt es sich um Chemikalien, die nicht ohne Nebenwirkungen bleiben und auch Nicht-Zielorganismen treffen. Auf der Suche nach einer biologischen Alternative haben Forschende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) nun einen speziellen RNA-basierten Wirkstoff entwickelt, der Viren mit den eigenen Waffen bekämpft und Pflanzen so vor den Erregern schützt.
Virale RNA-Moleküle als Pflanzenschutz
Bei der Herstellung des Wirkstoffs kam ein neu entwickeltes Verfahren zum Einsatz, das sich die Forschenden patentieren ließen. Dabei handelt es sich um das sogenannte Antisense-Verfahren, bei dem künstlich hergestellte DNA-Moleküle, sogenannte Antisense-Oligonukleotide (ASO), genutzt werden. In Pflanzenzellen sorgen ASO dafür, dass pflanzliche Enzymscheren an die RNA des Virus geleitet werden, um diese abzubauen. Denn ein Virus nutzt zur Vermehrung jeweils die Zellen der Pflanze als Wirt, wobei RNA-Moleküle entstehen. Diese viralen RNA-Moleküle werden jetzt als Wirkstoff genutzt, um das Virus zu bekämpfen.
Virenbefall um bis zu 90 % abgewehrt
„Damit das gelingt, müssen wir in der viralen RNA eine geeignete Zielstruktur finden, an der die Enzymscheren ansetzen können“, erklärt Sven-Erik Behrens vom Institut für Biochemie und Biotechnologie der MLU. Die Ziel-RNA zu finden und anzugreifen, war alles andere als leicht, da deren Struktur sehr komplex ist und nicht als ablesbares Band vorliegt. Außerdem werden diese Moleküle den Forschenden zufolge von anderen Bestandteilen in der Zelle maskiert. Diese Hürde hat die Forschungsgruppe um Behrens nun gemeistert. Wie das Team im Fachjournal „International Journal of Molecular Sciences“ berichtet, konnte der neue Wirkstoff den Virenbefall in bis zu 90 % der Fälle abwehren.
Neues Verfahren zielsicher und kostengünstig
Damit konnte das Team erstmals nachweisen, dass ihr neu entwickeltes Antisense-Verfahrens auch zur Herstellung für ASO genutzt werden kann und diese Wirkstoffe einen hohen Pflanzenschutz bieten. „Antisense-Oligonukleotide sind nicht nur sehr zielsicher, sie sind auch verhältnismäßig einfach und günstig herzustellen. Ähnliche Wirkstoffe werden seit einigen Jahren auch beim Menschen eingesetzt und zeigen nur wenige Nebenwirkungen. Das ist ein weiterer wichtiger Punkt für den potenziellen Einsatz bei Nahrungsmitteln“, so Behrens.
Das inzwischen patentierte Verfahren wurde im Rahmen des Projekt „Innovative biologische Pflanzenschutzprodukte auf Basis hocheffizienter kleiner Ribonukleinsäuren“ (RNA PROTECT) entwickelt und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Ideenwettbewerbs „Neue Produkte für die Bioökonomie“ mit 1,2 Mio. Euro gefördert. Als Nächstes soll der neue Ansatz auf Marktfähigkeit geprüft und bei Erfolg ein Unternehmen gegründet werden.
bb